Politik muss kreativer werden, um Corona-Regeln zu lockern
WWas ann machen Schulen und Kitas wieder auf?
ist mit Friseuren und dem Einzelhandel? Nicht nur wegen der in dieser Woche anstehenden Bund-Länder-Schalte bekommen solche Fragen wieder größeres Gewicht. Auch der Abwärtstrend beim Infektionsgeschehen ist kaum mehr wegzudiskutieren. Selbst dauerbesorgte Zeitgenossen wie Karl Lauterbach ticken ja mittlerweile nicht mehr nur im Verbote-Modus. Der SPD-Politiker plädierte jüngst für verstärkte Impfungen bei Lehrern, um den Schülern endlich wieder eine gesicherte Lernperspektive zu eröffnen. Es geht also auch kreativer. Und das ist auch im Interesse einer Gesellschaft, die durch die Corona-Beschränkungen zunehmend an ihre Zermürbungsgrenze stößt.
Lange Zeit galt eine Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner als maximal verkraftbare Belastung im Land. Nun, da sich die Zahl der Neuinfizierten diesem Wert endlich wieder annähert, plädieren Experten für neue Untergrenzen. Einem Laien muss das wie Willkür erscheinen. Gern wird dann argumentiert, dass die Gesundheitsämter die Neuinfektionen ansonsten nicht nachverfolgen könnten. Die Frage, warum die Gesundheitsämter dazu nicht in der Lage sind, wird dagegen kaum gestellt. Die Antwort ist auch wenig schmeichelhaft. Weil in den meisten dieser Einrichtungen auch nach mehr als einem Jahr Pandemie noch immer die Zettelwirtschaft regiert, weil nur jedes fünfte Gesundheitsamt über das international bewährte IT-Programm „Sormas“verfügt und weil offenbar auch der Einsatz von Bundeswehrsoldaten zur Kontaktnachverfolgung bislang unter den Möglichkeiten geblieben ist. Neben einem mangelhaften Schutz von Pflegeeinrichtungen
und der schleppenden Impfstoffbeschaffung zählen diese Umstände zweifellos zu den größten politischen Versäumnissen im Kampf gegen Covid-19.
Alles zusammen bedeutet für die Menschen eine harte Geduldsprobe. Besonders für jene, die um ihre materielle Existenz bangen. Der Missmut wächst in dem Maße, wie die Akzeptanz staatlicher Restriktionen schwindet. Das belegen aktuelle Umfragen. Wohl auch deshalb schlagen führende Bundespolitiker jetzt andere Töne an. Familienministerin Franziska Giffey sprach am Wochenende von wachsenden körperlichen und seelischen Belastungen bei Kindern und Jugendlichen, derweil Wirtschaftsminister Peter Altmaier „die Verzweiflung und die Not bei den Mitarbeitern und Besitzern der geschlossenen Unternehmen“thematisierte. Das sind realistische Befunde. Aber sie müssen auch Konsequenzen haben. Einfach nur zu sagen, der Lockdown geht weiter wie gehabt, wäre die schlechteste aller Lösungen.
Niemand kann ernsthaft erwarten, dass die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten am Mittwoch ein Ausstiegsdatum verkünden werden. Dazu ist die Lage immer noch viel zu ernst. Aber eine verbindliche Lockerungsperspektive, was bei bestimmten Infektionswerten wie geöffnet wird, die sollte man schon erwarten. Angela Merkel selbst hatte diese Überlegung kürzlich ins Spiel gebracht. Nun muss sie sich daran messen lassen.