„Die Wirtschaft nimmt schnell wieder Fahrt auf“
Im SZ-Gespräch erklärt der saarländische Ministerpräsident, wie er das Land für die Zeit nach der Corona-Krise aufstellen will.
Ford-Saarlouis werde gerade mit Beteiligung des Landes und des Max-Planck-Instituts fitter gemacht in der Produktion. Die Saar-Stahlindustrie hält Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) nicht für zu klein, um auf Dauer selbstständig zu bleiben. Und eine schnellere Digitalisierung soll mehr Vorteile für Unternehmen, Bürger und Schüler bringen, so Hans im Interview mit der Saarbrücker Zeitung.
Herr Hans, wann öffnen die Biergärten und Gaststätten wieder? Können wir im Sommer unser Bier und unser Essen wieder draußen genießen?
HANS Das lässt sich aus heutiger Sicht noch nicht seriös beurteilen und hängt ganz stark davon ab, wie sich jetzt die Mutation des Virus verbreitet. Ich setze darauf, dass uns der Frühling und der Sommer mit steigenden Temperaturen helfen. Wir wollen so schnell wie möglich wieder zur Normalität zurückkehren. Mir ist am wichtigsten, dass zuerst Kinder und Jugendliche von Lockerungen profitieren. Als erstes müssen wir deshalb den Schulund Kita-Betrieb normalisieren sowie den kleinen Einzelhandel und danach die Gastronomie.
Die Bundesregierung und auch das Saarland stellen in der Corona-Krise Milliardenhilfen zur Verfügung. Der Staat muss sich das Geld ja wieder zurückholen. Kommen auf die Bürger Steuererhöhungen zu?
HANS Die Corona-Pandemie ist ein Notfall. Hätten wir nicht vorher energisch die Haushalte in Deutschland konsolidiert, wären solche Hilfen wie jetzt überhaupt nicht möglich gewesen. Wir beginnen die zusätzlichen Schulden mit Billigung des Parlamentes ab 2025 zurückzuführen, um so zu einem ausgeglichenen Haushalt zurückzukommen. Es wäre eine schlechte Lösung, den Bürgerinnen und Bürgern einfach Steuererhöhungen zuzumuten. Uns hilft hier die wirtschaftliche Entwicklung. Alle Experten sagen, dass der Konsum nach Corona wieder schnell anspringt, weil es Aufholeffekte gibt, da in Corona-Zeiten viel Geld nicht ausgegeben werden konnte. Auch die Wirtschaft wird wohl wieder schnell an Fahrt aufnehmen. Das alles zusammen bringt Steuermehreinnahmen. Deshalb bin ich optimistisch, dass die Erholung der Staatsfinanzen ohne Mehrbelastungen der Bürgerinnen und Bürger gelingen wird.
Wie wird sich das Saarland als Wirtschaftsstandort nach Corona entwickeln? Die Wirtschaftskammern beklagen immer wieder, dass bei den Standortkosten die Gewerbesteuer im Vergleich zu anderen Regionen deutlich höher ist und ein Hindernis darstellt. Warum passiert da nichts?
HANS Das ist kein Tabuthema, aber sehr komplex. Die Gewerbesteuer macht bei den Belastungen der Unternehmen einen relativ geringen
Anteil aus, ist aber für die Kommunen praktisch die einzige Einnahme steuerlicher Art. Die Kommunen bringen erhebliche Leistungen bei der Erschließung der Infrastruktur: vom Bau von Wegen, Leitungen bis hin zur Energiezufuhr. Änderungen an dieser Praxis würden einen erheblichen bürokratischen Aufwand nach sich ziehen. Wir unterstützen deshalb von Landesseite aus die Kommunen im Rahmen des bundesweit einmaligen Saarland-Paktes und im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs mit Geld. Damit können Kommunen durch Neuansiedlungen attraktive Rahmenbedingungen schaffen.
Wie beurteilen Sie die Zukunft von Ford-Saarlouis?
HANS Wir setzen alles daran, dass die Arbeitsplätze über 2024 hinaus erhalten bleiben und Ford weiter in Deutschland Autos für den europäischen Markt produziert. Dabei handelt es sich um strategische Entscheidungen, auch über Absatzmärkte, die nicht nur Ford-Saarlouis betreffen. Die trifft am Ende die Konzernspitze in Detroit.
Warum waren Sie noch nicht in Detroit, um für Ford zu kämpfen?
HANS Dort werde ich vorsprechen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Den sehe ich aber noch nicht. Ich setze erst einmal auf eine enge Kooperation mit FordDeutschland-Chef Gunnar Herrmann, um gemeinsam Ford-Saarlouis noch fitter zu machen für den künftigen Wettbewerb in Europa.
Unter Beteiligung des Saarlandes laufen jetzt schon hinter den Kulissen eine Reihe von Maßnahmen auch in Zusammenarbeit mit der Belegschaft, der Unternehmensleitung und dem Betriebsrat, um die Effizienz von Produktionsabläufen zu verbessern. Hier ist auch das Max-Planck-Institut eingebunden, welches wir als Staatskanzlei mit rund einer Million Euro unterstützen. Auch bei den Themen Künstliche Intelligenz und Cybersicherheit haben wir schon gemeinsam Abläufe im Werk verändert, die den Standort konkurrenzfähiger machen.
Entscheidend ist, dass das Werk Saarlouis technologisch an der Spitze steht. Das gilt für Ford-Köln ebenso und wird dann auch die strategischen Entscheidungen in Detroit beeinflussen. Ich persönlich glaube, dass Saarlouis auch für die Zeit nach 2024 gerüstet ist. Man kann dort Autos mit Verbrennungsmotoren bauen, Hybridfahrzeuge und auch Autos mit rein elektrischem Antrieb. Die Mitarbeiter sind hervorragend ausgebildet und entschlossen, das Werk voranzubringen.
Inwiefern passt das Batteriewerk von SVolt in die Strategie der Landesregierung, den Automobilstandort Saarland zu stärken?
HANS Das ist für mich eine Ankerinvestition mit eindeutigem Signal: Ein Hersteller von weitgehend kobaltfreien Batterien kommt zu uns. Und das Saarland setzt auf Elektromobilität. Ich denke, da wird noch mehr kommen. Zumal wir ja auch Forschungsergebnisse aus Themengebieten wie der Künstlichen Intelligenz (KI) und Cyber-Sicherheit einbringen inklusive hoch qualifizierter Mitarbeiter. Bedenken Sie, wie hoch kompliziert allein die elektronischen Fahr-, Unterhaltungs-, und Sicherheitssysteme im Fahrzeug künftig sein werden. Da verfügen wir über hohe Kompetenz.
Müssten Sie nicht häufiger bei Vorstandschefs von Unternehmenszentralen vor Ort werben, um mehr Forschungs- und Entwicklungsaufträge ins Saarland zu holen?
HANS Ich reise seit Beginn meiner Amtszeit regelmäßig in die Unternehmenszentralen etwa der Autoindustrie und nehme immer ein Team von Wissenschaftlern mit: Experten vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) genauso wie Experten der Materialwissenschaft oder der Cyber-Sicherheit. Das geschieht jedoch meist vertraulich ohne Öffentlichkeit und ohne schöne Fotos.
Wie sicher ist aus Ihrer Sicht die Zukunft der Dillinger Hütte und von Saarstahl?
HANS Das Saarland war immer Stahlland und muss auch Stahlland bleiben. Wenn wir nicht wollen, dass die Stahlproduktion in andere Länder und Kontinente abwandert mit schlechteren Umweltstandards als hierzulande, dann müssen wir die saarländische Stahlindustrie stark machen. Wir liegen europaweit an der Spitze. Ich bin sicher, dass unsere Stahlindustrie Zukunft hat, aber nur, wenn Deutschland und die EU in den Umbau investieren. Die Milliardeninvestitionen, etwa für die Produktion von grünem Stahl, kann die Industrie unmöglich selbst schultern. Wir brauchen ein massives finanzielles Umbauprogramm. Wir werben als Saarland auch als Sprecher der Stahlallianz dafür. Und wir brauchen die EU-Kommission mit der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Unterstützung. Nur mit gemeinsamen europäischen Initiativen kann Europa grünen Stahl und umweltverträgliche Produkte mit einer sauberen C02-Bilanz produzieren.
Ist die Saar-Stahlindustrie nicht zu klein, um allein längerfristig konkurrenzfähig zu bleiben? Müssen wir nicht größere Partner suchen und vom Konstrukt der Montanstiftung abrücken, die strategischen Einfluss von außen ausschließt?
HANS Die Stiftung und die gefundene Lösung trägt dazu bei, dass Investitionen im Saarland verbleiben und nicht in andere Zentralen wandern. Das ist auch heute ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, was aber nicht heißt, dass man nicht in Projekten kooperieren kann. An unserem Konstrukt sollte nicht gerüttelt werden. Es schafft die Voraussetzung für eine gute Zukunft.
In Corona-Zeiten funktioniert Online-Homeschooling oft nicht und Homeoffice bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.
HANS Corona hat allen gezeigt, wie schnell von heute auf morgen plötzlich Digitalisierung gebraucht wird. Ich sehe keinen Rückschlag, sondern darin einen Quantensprung. Die Digitalisierung wird jetzt noch schneller kommen müssen. Das Land setzt hier auf schnellere, bürgerfreundlichere Abläufe in der Verwaltung. Wir statten die Schüler und Lehrer mit Tablets aus. Und Homeschooling hat auch manche Vorteile, an die viele nicht denken. Kranke Kinder können weiter am Unterricht teilnehmen und selbst Familien, die berufsbedingt längere Zeit ins Ausland müssen, können ihre Kinder weiter am deutschen Schulsystem teilnehmen lassen. Ich halte das für einen großen Fortschritt.
Um die Attraktivität des Saarlandes zu steigern, wird über eine neue Saarlandhalle, eine modernisierte Congresshalle und ein neues Musikzentrum für Konzerte diskutiert.
HANS Ich wünsche mir eine neue Saarlandhalle. Wir werden aber erst entscheiden, wenn geklärt ist, inwieweit wir zusätzliches Publikum aus Deutschland und der Großregion anziehen und eine solche Halle wirtschaftlich betreiben können. Für die Saarlandhalle hat die Arbeitsgruppe „Neue Saarlandhalle“(NSH), in der CCS, LHS und Landesregierung vertreten sind, beschlossen, ein Standortgutachten an das Beratungsunternehmen AS+P Albert Speer + Partner zu vergeben. Das Land beteiligt sich an den Kosten mit rund 110 000 Euro. Näheres wissen wir Ende März. Wir sind für Events und Konzerte nicht gut aufgestellt. Noch wichtiger ist aber das Messe- und Kongresswesen, das wir im ersten Schritt mit der Modernisierung der Congresshalle zum Messe- und Congresszentrum realisieren. Wir sind kurz davor, Architektenwettbewerbe auf den Weg zu bringen. Die Konzeption passt zum Saarland, ist auch nicht zu groß angelegt. Die Überlegungen und Pläne für ein neues hochwertiges Musikzentrum begleite ich mit großer Sympathie. Seriöserweise fehlt mir aber im Moment jede Phantasie, wie man das finanzieren könnte. Die Mittel sind nicht vorhanden und es sind auch nicht genug Sponsoren zu sehen, die man bräuchte. Ich kann das Projekt gut nachvollziehen, aber im Moment ist es für mich ein Wunschgedanke.