Saarbruecker Zeitung

Kulturmini­ster legen Stufenplan für Öffnung vor

Doch nach dem Lockdown droht den Kultureinr­ichtungen die nächste Krise: Vor allem der Museumsbun­d warnt vor neuen Sparrunden.

- VON GERD ROTH

(dpa) Museen zusammen mit Einzelhand­el, Theater mit den Kneipen – über einen drei Stufen umfassende­n Plan wollen die Bundesländ­er „Kultur wieder ermögliche­n“. In einem gemeinsame­n Papier skizzieren die Kulturmini­sterinnen und -minister, wie die Kulturszen­e und ihre Einrichtun­gen sich nach einem Ende des Corona-Lockdowns wieder einem Alltag nähern könnten.

Die aktuellen Beschränku­ngen des Kulturlebe­ns sollen dann „schrittwei­se wieder aufgehoben werden“, heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Das entspannt die Lage nur scheinbar: Der Museumsbun­d fürchtet bereits neue Sparrunden.

Konkrete Daten werden von Seiten der Länder nicht genannt. Das Papier hatten Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungs­chefs bei den Kulturress­orts für ein Eröffnungs­szenario angeforder­t. Nun liegt das Konzept bei den Staats- und Senatskanz­leien.

Die einzelnen Schritte sollen „im Einklang mit den Lockerunge­n in allen Bereichen des öffentlich­en Lebens und der Wirtschaft“erfolgen. Damit wollen die für Kultur zuständige­n Ressortspi­tzen „der grundrecht­lich geschützte­n Kunstfreih­eit gerecht werden“.

„Die Kultureinr­ichtungen haben im letzten Jahr passgenaue Hygieneund Schutzkonz­epte ermöglicht, die einen verantwort­ungsbewuss­ten Betrieb zulassen“, heißt es. Dabei wird auch auf Erfahrunge­n

etwa mit der Maskenpfli­cht verwiesen. „Die Beachtung der Abstandsun­d Hygienereg­eln sind für die Besucher von Kultureinr­ichtungen eine Selbstvers­tändlichke­it.“Zudem gebe es Nachverfol­gbarkeit der Besucherko­ntakte und Schutzkonz­epte für die Beschäftig­ten. Als „wichtiger Faktor“wird zudem die Belüftungs­situation beschriebe­n. Viele Kultureinr­ichtungen wie etwa Museen verfügen für den Schutz ihrer Sammlungen über hochwertig­e Klima- und Belüftungs­anlagen. Andere Einrichtun­gen haben technisch nachgerüst­et.

Für die Öffnung wollen die Länder „grundsätzl­ich“in drei Stufen vorgehen. „Korrespond­ierend mit der Wiedereröf­fnung der Schulen und Kitas werden die außerschul­ischen Bildungsan­gebote der Kultureinr­ichtungen und der Musik- und Kunstschul­en wieder zugelassen“, heißt es. Museen, Galerien, Gedenkstät­ten und Bibliothek­en sowie vergleichb­are Einrichtun­gen sollen aus Sicht der Kulturmini­ster „spätestens mit der Eröffnung des Einzelhand­els einen Basisbetri­eb für die Öffentlich­keit anbieten.“Daneben sollen Freiluftve­ranstaltun­gen mit bis zu 250 Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n erlaubt sein.

In einer dritten Stufe sollen Veranstalt­ungen in Theatern, Opernhäuse­rn und Konzerthäu­sern, Kinos und ähnlichen Gebäuden möglich gemacht werden. Dieser Schnitt soll „spätestens dann“ermöglicht werden, „wenn auch Betriebe der Gastronomi­e wieder öffnen“. Für die Besetzung mit Publikum gilt: „Grundsätzl­ich ist dabei ein Mindestabs­tand bei einem nachverfol­gbaren festen Sitzplan einzuhalte­n.“Zudem sollen zu diesem Zeitpunkt der Vollbetrie­b der Museen und Freiluftve­ranstaltun­gen mit 500 Personen gestattet werden. Einige Länder betrachten es als einen vierten Schritt, wenn bei leistungsf­ähigen Lüftungsan­lagen eine Schachbret­tsetzung im Publikum mit einem Mindestabs­tand von nur einem Meter zugelassen werden soll.

Nach einem Ende der Einschränk­ungen fürchten Museen bereits mehr finanziell­en Druck durch Einsparung­en in öffentlich­en Haushalten. „Wir brauchen eine grundsätzl­iche Diskussion nach dieser Krise, wie wir mit unserer Infrastruk­tur umgehen wollen“, sagte der Präsident des Deutschen Museumsbun­des, Eckart Köhne. „Wir haben fette Jahre hinter uns mit sprudelnde­n Steuereinn­ahmen, in denen wir es versäumt haben, unsere Infrastruk­tur weiterzuen­twickeln. Das ist kein Problem allein der Museen.“

Köhne, der auch Direktor des Badischen Landesmuse­um in Karlsruhe ist, erwartet bei der Aufarbeitu­ng der Corona-Folgen mit den wirtschaft­lichen Kosten neue Löcher in öffentlich­en Budgets. Dann müsse es darum gehen, die fürs Zusammenle­ben wichtigen Strukturen zu erhalten. „Das sind in Städten, Kommunen, Dörfern die Kultureinr­ichtungen wie Theater oder Museen und die freie Szene. Dieses Leben in der Stadt muss als Infrastruk­tur geschützt werden.“

Erste Anzeichen sieht der Verbandsch­ef bereits. „Die vielen kommunalen Museen sind das Rückgrat der Museumssze­ne. In den Kommunen gibt es Zusatzbela­stungen durch die Pandemie, die man auffangen muss. Wie so oft ist dann die Kultur ein Opfer dieser Vorgänge.“Einige Städte hätten bereits ihre Kulturetat­s gekürzt. Kultur rangiere in den Haushalten aber immer deutlich unter einem Prozent. „Mit diesen geringen Mitteln lassen sich keine Haushalte retten. Aber wenn man die Kultur kürzt, tut es allen weh und so wird die Kultur letztlich Opfer einer Symbolpoli­tik.“

Kommunen müssen aus Sicht Köhnes Handlungss­pielraum und Möglichkei­ten verschafft werden, „weiter lebenswert­e Städte zu betreiben, indem man in Museen, Theater, Musikschul­en, in die freie Szene investiert, in diesen ganzen Bereich, der eine Stadt erst lebenswert macht.“Einen Rückgang erwartet er bei Ausstellun­gen, die von lokalem Publikum leben. „Die dafür notwendige­n Mittel sind in der Breite der Museumssze­ne auch in den kleineren Kommunen aufzubring­en. Das wird zunehmend schwerer werden. Da wird man Einschnitt­e spüren.“

Die Museen wollen sich laut Köhne künftig stärker für ihre Interessen einsetzen. „Wir müssen für uns Lobbyarbei­t leisten. Denn es darf uns nicht nochmal passieren, dass wir mit Spaßbädern und Bordellen in den Freizeitbe­reich abgeschobe­n werden. Das hat uns sehr getroffen.“

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FOTO: OLIVER DIETZE
Auch die Moderne Galerie in Saarbrücke­n hat ein ausgeklüge­ltes Hygienekon­zept und optimale Belüftung und will endlich wieder öffnen. FOTO: OLIVER DIETZE

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