Hier sollen vieler Leute Träume wahr werden
Ein wahres Panoptikum hat Raman Lund in der Karcherstraße eröffnet. Seine Antiquitäten will er mit den Saarbrückern teilen und verfolgt zusammen mit der Künstlerin Fatima Hamodi ein eher ungewöhnliches Konzept.
Die Liste der Baudenkmäler in der Karcherstraße im Saarbrücker Stadtteil St. Johann ist lange. Der wunderschöne Altbau mit der Hausnummer 15 ist also kein Solitär. Dennoch verzaubert das Gebäude „aus dem Jahr 1906, ursprünglich Hotel, Tanzschule und Restaurant“, wie Neumieter und Antiquitätensammler Raman Lund erklärt, mit stuckverzierten Decken und einem Dielenboden in dem großen Raum im Erdgeschoss. Von dessen jüngerer Geschichte zeugt die Spiegelwand an einer der Querseiten. Viele Saarbrücker kennen diesen Ort: in den vergangenen 15 Jahren war hier das MutanTheater von Eva Lajko und Miguel Bejerano zu Hause.
Seit zwei Monaten beherbergt der Raum nun „Das Spezifikum“. Dieser Ort der Besonderheiten soll weit mehr werden als ein Antiquitätengeschäft. Foto-Studio, Werk- und Ausstellungsraum, Requisite und Concept Store in einem will Raman Lund daraus machen. Seine Idee ist es, hier „alles mit allen zu teilen“. Neben der besonderen Atmosphäre des Raumes beinhaltet dieses Alles auch das Interieur: Antike Stühle, Tische, Lampen, Vitrinen, Uhren und allerlei schöne und kuriose Deko-Elemente hat der 28-Jährige von überallher zusammengetragen und stellt sie hier aus.
Fatima Hamodi teilt Lunds Passion für schöne Dinge und für diesen besonderen Ort. Die Künstlerin fotografiert jedes Stück, das neu hinzukommt. Sie leite dabei immer die Frage: Wie kann ich die Schönheit dieser Sachen am besten einfangen? Zudem kümmert sie sich um den Internetauftritt des Spezifikums und lässt die Instagram-Follower regelmäßig auch hinter die Kulissen des Spezifikums blicken.
Daneben arbeitet die Künstlerin in einem kleinen Atelier auf derselben Etage. Die 28-Jährige, die aus Syrien stammt, studiert im dritten Semester Kommunikationsdesign an der Hochschule der Bildenden Künste in Saarbrücken. „Als ich den Raum zum allerersten Mal gesehen habe, dachte ich: Das ist viel zu schön, um einfach nur eine Wohnung oder ein Geschäft zu sein. Daraus muss man mehr machen, etwas Freies.“Sie habe vorher selbst oft Probleme gehabt, einen schönen Platz zum Beispiel für ihre Foto-Shootings zu finden. „Der Raum ist groß genug, um einen immer neuen Blickwinkel zu schaffen“, sagt die Künstlerin.
Sobald die Corona-Pandemie wieder etwas mehr Spielraum gestattet, soll nach dem Wunsch Hamodis und Lunds jeder, der etwas fotografieren, ausstellen oder einfach experimentieren will, den Raum und das Interieur nutzen können. Das aufgebaute Foto-Set mit professioneller Beleuchtung, die antiken Möbel und die Einrichtung sowie einige vorhandene Vintage-Kleidung können bei professionellen und privaten Shootings eingesetzt werden. Einige der ausgestellten Stücke lassen sich laut Lund auch jetzt schon als Requisiten mieten. Ein Barista-Workshop, bei dem ein Kaffeekünstler sein Wissen weitergibt, sowie eine Kaffee-Verkostung seien ebenfalls geplant.
Alte Dinge, Dinge, die eine Geschichte haben, haben Lund schon immer interessiert. Ihre Geschichten weiterzuerzählen, sie nicht verstummen zu lassen, sei sein Antrieb, erklärt er. „Neue Dinge haben mich nie sehr interessiert. Alte Dinge zeigen oft eine Handwerkskunst, die es so heute nicht mehr gibt. In diese Stücke sind viel Mühe und Arbeit geflossen“, sagt Lund. Erzählt er von einzelnen Stücken, leuchten die Augen des Saarbrückers. „Da ist zum Beispiel ein Ventilator von AEG, circa aus dem Jahr 1915“, sagt er und zeigt stolz, dass der einwandfrei funktioniert. Er stamme aus der Zeit, in der der deutsche Architekt und Designer Peter Behrens im Unternehmen beschäftigt war. Der Vorreiter des Industriedesigns habe den Produkten erst Ästhetik verliehen. In drei Werkstätten sei der Ventilator gewesen, nachdem Lund ihn von einem Architekten erworben hatte. Er ließ den Messingpropeller und den Gitterkorb polieren, den Lack aufarbeiten und den Motor reparieren. „Von den Ventilatoren haben wir mehrere, immer wenn ich einen finde, den ich retten kann, dann rette ich ihn.“
Einige der Stücke stehen online zum Verkauf, das ermögliche ihm, auch weiter schöne Dinge zu sammeln, sagt Lund. „Sich davon zu trennen, ist aber immer sehr schwierig“, verrät Fatima Hamodi und lacht. In einer Werkstatt hinter dem Atelier übernehmen drei Mitarbeiter kleinere Instandsetzungs-, Lackier- und Elektro-Arbeiten an den Objekten. Zur Restaurierung, vor allem von alten Holzmöbeln, gibt Lund die Stücke auch an Fachbetriebe in Saarbrücken ab.
Dass aus dem Spezifikum so viel mehr als nur ein Online-Store geworden ist, hängt laut Lund auch mit den Saarbrückern zusammen. Die Nachfrage und das Interesse seien in der kleinen Stadt von Anfang an groß gewesen. „In Saarbrücken lebt eine Gesellschaft, die wirklich teilt und sich unterstützt“, sagt Lund: „Deshalb haben wir auch die Tür geöffnet.“
„Mir geht es auch darum, Altes zu bewahren, Ressourcen zu schonen und einen
immer kleineren Fußabdruck auf dieser Erde zu hinterlassen.“
Raman Lund