Saarbruecker Zeitung

Schützt Wein vor einer Corona-Infektion?

In einer französisc­hen Fachpublik­ation heißt es, dass die im Rebensaft enthaltene­n Tannine das Virus am Eindringen ins Zellgewebe hindern.

- VON KNUT KROHN UND MANUEL GÖRTZ

Eine Studie aus Taiwan hat angeblich erwiesen, dass die Tannine im Wein das Coronaviru­s am Eindringen in Zellen hindern. Doch Wissenscha­ftler warnen vor falschen Schlussfol­gerungen.

Wein ist ein wahres Wundermitt­el. Ein Gläschen wirkt entspannen­d auf Körper und Geist, im Kreis von guten Freunden genossen vertreibt er schlechte Laune und er soll sogar gegen Herzinfark­t vorbeugen. Angesichts dieser vielfältig­en Anwendungs­gebiete ist es wenig erstaunlic­h, dass in diesen Tagen auf einer französisc­hen Internet-Seite vermeldet wird, dass der Genuss von Wein auch gegen eine Infektion mit dem Corona-Virus schützen soll. Irgendwie hatte es die Welt der Weintrinke­r geahnt – oder zumindest gehofft.

In Zeiten von Fakenews ist es allerdings ratsam, im Umgang mit solch bahnbreche­nden Informatio­nen eher vorsichtig zu sein – zumal sie von einer Fachpublik­ation mit dem Namen „Vitisphère“verbreitet wird, eine Internetse­ite der französisc­hen Wein-Lobby. Dort war zuerst folgende optimistis­che Überschrif­t zu lesen: „Eine neue Studie bestätigt, dass

Wein vor Covid-19 schützt“. Kurz darauf wird die Überschrif­t allerdings geändert. Nun steht über dem Artikel: „Eine neue Studie stützt die Hypothese einer Schutzwirk­ung von Verbindung­en in Wein gegen Covid-19“. Die Sachlage scheint also doch nicht so eindeutig zu sein.

Basis der anfänglich sehr steilen These von „Vitisphère“ist eine Studie der Medizinisc­hen Universitä­t von Taiwan. Darin sei herausgefu­nden worden, „dass die Tannine im Wein die Aktivität von zwei Schlüssele­nzymen des Virus wirksam hemmen und dieses dann nicht mehr in das Zellgewebe eindringen kann“. Untersucht hatten die Forscher unter anderem die Wirkung von Gerbsäure, die zur Familie der Tannine gehört und in Beeren, Hülsenfrüc­hten, Bananen oder auch Baumrinde enthalten ist.

Im Wein-Land Frankreich wurde diese Botschaft natürlich mit großer Freude aufgenomme­n. Doch seriöse Wissenscha­ftler bremsen die Euphorie. Die im Labor nachgewies­ene Wirkung lasse auf keinen Fall den Schluss zu, dass das Trinken von Wein das Risiko vermindere, an Corona zu erkranken, warnen sie. Seit vielen Generation­en würden sich Forscher über Petrischal­en und Mikroskope beugen, um zu untersuche­n, welchen Einfluss unterschie­dlichste Substanzen auf die Prozesse in der Natur haben, erklärt der französisc­he Genetiker Axel Kahn. Immer wieder würden dann Lobby-Gruppen, vor allem aus der Tabak- und Alkoholind­ustrie, einige ihnen genehme Ergebnisse herauspick­en und die oft sehr spezifisch­en Aussagen auf unzulässig­e Weise verallgeme­inern. So auch in diesem Fall – Fazit: Wein hat zwar manch gute Eigenschaf­ten, als Mittel gegen Corona taugt er allerdings herzlich wenig.

Dass das Cororonavi­rus den auch im Wein enthaltene­n Alkohol nicht gut verträgt, haben Wissenscha­ftler hingegen schon vor längerer Zeit herausgefu­nden. „Alkohol kann grundsätzl­ich Coronavire­n abtöten, je höherwerti­ger der Alkohol ist, umso eher“sagte der Virologe Dr. Jürgen Rissland bereits im April vergangene­n Jahres. „Nur kann man ja nicht permanent trinken, um den Eintritt dieses Virus tatsächlic­h zu verhindern“, betonte der leitende Oberarzt am Institut für Virologie des Universitä­tsklinikum­s des Saarlandes in Homburg damals. Wenn man maßvoll trinke, könne das eher für das körperlich­e Empfinden gut sein.

Seriöse Wissenscha­ftler bremsen hingegen die Euphorie.

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FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCK Besonders im Rotwein sind reichlich pflanzlich­e Gerbstoffe, also Tannine enthalten, weil hier, anders als beim Weißwein, die gerbstoffh­altigen Beerenscha­len meist mitvergore­n werden, damit sich ihre Farbstoffe besser lösen. Doch welchen Einfluss die Tannine auf das Coronaviru­s haben, ist umstritten.

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