Saarbruecker Zeitung

Das Bund-Länder-Gezerre zermürbt viele Bürger

- Vor dem nächsten Corona-Gipfel

Wie vor jeder neuen Ministerpr­äsidentenk­onferenz mit der Kanzlerin steigt das Fieberther­mometer der öffentlich­en Corona-Debatte: Während Wirtschaft­s- und Elternverb­ände auf schnelle Öffnungen dringen, mahnen Mediziner vor einem zu raschen Lockdown-Ende. Ministerpr­äsidenten aus Ländern mit vergleichs­weise geringen Inzidenzwe­rten wie der Schleswig-Holsteiner Daniel Günther wollen ihre Öffnungspl­äne bereits am 15. Februar in Kraft setzen, Regierungs­chefs, die eher hohe Werte beklagen wie Markus Söder in Bayern, auf keinen Fall vor März. Anschließe­nd wird unerträgli­ch lange um den kleinsten gemeinsame­n Nenner gerungen – um danach bei der Umsetzung der gemeinsame­n Beschlüsse doch wieder eigene Wege zu gehen. Ein Jahr Corona-Krise, drei Monate Lockdown machen müde und ungeduldig, doch das oft ineffizien­te Bund-Länder-Gezerre bringt viele Bürger gegen die Politik auf. Eltern und Unternehme­r sind zermürbt und verzweifel­t. Ganze Branchen wie der stationäre Einzelhand­el, Veranstalt­er, Kulturscha­ffende, Gastronome­n, Tourismusw­irtschaft und nun auch Kosmetiker und Friseure stehen vor dem Aus. Nicht nur das Virus, auch wirtschaft­liche Existenzän­gste gefährden die Gesundheit – und zwar nicht nur die der Unternehme­r, sondern auch die ihrer Angestellt­en, die um ihre Arbeitsplä­tze bangen.

Die Unterstütz­ung der Bevölkerun­g für die Corona-Schutzmaßn­ahmen schwindet, wie jüngste Umfragen zeigen. Noch dazu erschwert die mögliche weitere Ausbreitun­g der Virus-Mutationen das Krisenmana­gement. Denn was nützt es, die Infektions­zahlen durch einen verlängert­en Lockdown weiter zu drücken, wenn wegen der Mutationen die Infektions­zahlen doch wieder in die Höhe schießen können? Der Gesundheit­sschutz muss zwar oberstes Ziel der Politik bleiben. Doch Bund und Länder müssen dennoch jetzt den Mut für eine schrittwei­se, regional differenzi­erte Öffnungsst­rategie mit bundeseinh­eitlichen Kriterien finden. Ohne diese Öffnungspe­rspektive droht die Politik Vertrauen und Unterstütz­ung der Bevölkerun­g zu verlieren – sie wäre dann mit ihrem Krisenmana­gement sowieso am Ende. Regionen mit geringen Inzidenzwe­rten und weiteren erfüllten Kriterien sollten zuerst Kitas und Schulen, dann Geschäfte und Dienstleis­tungsbranc­hen öffnen dürfen. Schleswig-Holstein hat als erstes Bundesland dafür die Blaupause geliefert. Der Bund sollte sich darauf konzentrie­ren, gleichzeit­ig so viel Impfstoff zu beschaffen wie nur möglich. Dazu gehört auch, den Import von Impfstoffe­n aus Russland und China ernsthaft zu prüfen. Zudem ist es nicht nur für die betroffene­n Unternehme­n, sondern auch für die gesamte Gesellscha­ft unerträgli­ch, dass sich Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster noch immer nicht auf die Bedingunge­n für die seit Wochen angekündig­te Überbrücku­ngshilfe III einigen konnten. Die Bundesregi­erung hat das Antragsver­fahren deshalb noch immer nicht gestartet – ein Skandal. Die Minister Altmaier (CDU) und Scholz (SPD) sind verpflicht­et, den Ministerpr­äsidenten an diesem Mittwoch eine tragfähige Lösung zu präsentier­en.

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