Mit zwölf Jahren schon ein Hollywood-Star
In dem Netflix-Film „Neues aus der Welt“ist die Berlinerin Helena Zengel an der Seite von Tom Hanks zu sehen. Wer ihren Auftritt in „Systemsprenger“kennt, wird sagen: War doch logisch.
schwierige Rolle eigentlich gar nicht spielen kann. Jedenfalls nicht mit neun Jahren und ohne eine schauspielerische Grundausbildung. Der Film wurde denn auch acht Mal mit dem Deutschen Filmpreis geehrt; Helena Zengel erhielt die Auszeichnung als beste Hauptdarstellerin. Als bisher jüngste Schauspielerin.
Auf das enorme Talent der Gymnasiastin wurde drüben in Hollywood Paul Greengrass aufmerksam, der unter anderem „Die Bourne-Verschwörung“drehte und „Captain Phillips“. Er hatte für einen Western die Rolle eines deutschstämmigen und bei Indianern aufgewachsenen Mädchens zu besetzen. Als er Helena Zengel traf, dürfte die Entscheidung rasch gefallen sein.
„Neues aus der Welt“heißt der Film, der kurz vor Weihnachten ins Kino hatte kommen sollen und ab dem heutigen Mittwoch bei Netflix zu sehen ist. Tom Hanks spielt darin den Veteranen Jefferson Kyle Kidd, der 1870 von Stadt zu Stadt fährt, um den Leuten die Nachrichten aus der Zeitung vorzulesen. Einen Dime kostet es Eintritt, ihn berichten zu hören. Hanks legt diesen Kerl als in sich ruhenden Grübler mit einem dunklen Geheimnis an.
Auf seinen Reisen durch die Prärie stößt Hanks auf ein wildes Mädchen, das nur ein paar Sätze Kiowa spricht, die Sprache der Native Americans. Der Schwarze, der es in amtliche Obhut übergeben sollte, wurde von marodierenden Weißen getötet. Und es stellt sich heraus, dass Johanna, so heißt das Mädchen, vor sechs Jahren entführt wurde und bei Indianern lebte, bis auch die getötet wurden. Kidd schließt die traumatisierte Waise ins Herz. Er übernimmt es nun, sie an die zuständige Stelle zu bringen. Er will ihr Schutzengel
sein. Vor den beiden liegen 400 Meilen in der Kutsche durch lebensfeindliches Land.
Der Film holpert vor sich hin, Tom Hanks spielt seine Rolle mit halb geschlossenen Lidern, und es ist alles ein bisschen gediegen. Ausflug in den Themenpark Wildwest. Einmal trägt Hanks dazu bei, dass sich ein ganzes Westerndorf aus der harten Hand eines miesen Unterdrückers befreit. Einfach, indem er wenige Minuten lang einen Artikel über Bürger vorliest, die anderswo etwas Ähnliches gewagt haben. Noch bevor der Text zu Ende ist, läuft bereits die Revolution.
Was die Produktion jedoch sehenswert macht, ist der Auftritt von Helena Zengel. Gleich in ihrer ersten Szene beißt sie Tom Hanks in die Hand. Und das ist ein schönes Bild für ihre Leistung. Sie überstrahlt mit ihrer Energie die müde Story. Sie ragt heraus. Man muss sich nur ansehen, wie sie in einem Lokal Gulaschsuppe serviert bekommt und sie mit den Händen isst. Wäre man ein Hollywood-Produzent, würde man sagen: Sie ist on fire.
Gedreht wurde im Herbst 2019 in New Mexico, Zengel war mit ihrer Mutter Anne drei Monate dort. Sie hat in dem Film nicht viel Text, und am Set half Tom Hanks bei der Verständigung, erzählte Zengel in Interviews. Dass er auf Kommando weinen könne, hat sie offenbar fasziniert. Außerdem schenkte er ihr eine alte Schreibmaschine zum Abschied. Hanks sammelt diese historischen Geräte.
Der zweifache Oscar-Preisträger sagt über seinen Co-Star, sie habe eine „unglaubliche Ausdruckskraft“. Und er sagt noch viel mehr, der 64-Jährige komme gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus, berichtet die Firma Universal: „Ihr Schweigen, ihre Augen, ihre Instinkte – sie mag sich der Regeln des Schauspiels nicht bewusst sein, aber sie kennt sie bereits implizit.“Hanks ist nicht alleine. Das Branchenblatt „Hollywood Reporter“bescheinigte ihr eine „erstaunliche Leistung“, und soeben ist Zengel vom Kritikerverband Critics Choice Association (CCA) für einen Preis als bester Nachwuchsstar nominiert worden. Nun also die Möglichkeit, einen Golden Globe zu gewinnen. Ist das nicht alles ein bisschen viel? Wird hier ein Talent nicht überbewertet? Setzt man da vielleicht allzu starke Hoffnungen in ein Kind? Wer „Systemsprenger“gesehen hat, kennt die Antwort: Nein.