Saarbruecker Zeitung

Die Menschen brauchen etwas, das Hoffnung macht

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Angela Merkel gab auch diesmal wieder die Harte, und das ist erst einmal gut so. Sie muss niemandem mehr gefallen, ihre Kanzlersch­aft läuft aus. Sie konzentrie­rt sich auf das für den Gesundheit­sschutz Notwendige. Und nimmt es in Kauf, dafür übel beschimpft zu werden. Dass ihre Rolle immer schwierige­r wird, hat sich vor und während des jüngsten Corona-Gipfels gezeigt. Es war ein noch wüsteres Geschacher als sonst. Um die Dauer der Verlängeru­ng des Lockdowns. Um einzelne Öffnungen. Sogar um Friseure. Einige Ministerpr­äsidenten stehen vor Wahlkämpfe­n. Und einige haben geringe Infektions­raten. Die Einheitlic­hkeit bröckelt. Ebenso wie die Zustimmung der Bevölkerun­g zum Corona-Management. Beim Thema Schulen muss der Bund den Ländern nun endgültig freie Hand lassen. Immerhin werden die Lehrer und Erzieher jetzt früher geimpft. Diese Entscheidu­ng war überfällig.

Die Menschen sind psychisch müde, wirtschaft­lich ausgelaugt, körperlich ermattet. Die einen haben Angst, die anderen wollen schnell ihr normales Leben zurück. Natürlich, die Vernunft gebietet die Fortsetzun­g der Kontaktbes­chränkunge­n, da gibt es wenig zu diskutiere­n. Angesichts der neuen, noch ansteckend­eren Virusmutat­ionen ohnehin nicht. Aber es geht nicht nur um Vernunft. Es geht auch um Emotionen. Wenn man einem Patienten immer nur sagt, man wisse nicht, wann seine Lage wieder besser werde, wird er resigniere­n. Die von der Regierung – namentlich von Gesundheit­sminister Jens Spahn – um Weihnachte­n herum geschürte Hoffnung, im Impfen läge die baldige Rettung, ist schnell in sich zusammenge­fallen. Das hat viel Frustratio­n erzeugt. Wenn es wenigstens ein gemeinsame­s Rahmenwerk gäbe, unter welchen Bedingunge­n man in welchen Bereichen wann wieder öffnen kann. Einen Fahrplan, an den sich jeder halten und an dem sich jeder orientiere­n kann. Am besten sogar durch den Bundestag beschlosse­n, damit sich keine Partei verstecken kann. Die Inzidenz, also die Zahl der Ansteckung­en je 100 000 Einwohner, müsste ein Kriterium sein, aber auch die Auslastung der Intensivst­ationen, der R-Wert und andere Faktoren. Im Beschluss der Corona-Spitzenrun­de vom 19. Januar stand, eine Arbeitsgru­ppe solle dafür bis Mitte Februar ein Konzept erarbeiten. Jetzt, Mitte Februar, liegt dazu nichts vor. Geblieben ist von dem Vorhaben nur die für viele Händler wie Verbrauche­r enttäusche­nde Absicht, Geschäfte erst ab einer Inzidenz von 35 wieder zu öffnen. Also noch sehr lange nicht.

Angela Merkel kann Vernunft. Emotion kann sie nicht. Ein verständli­cher Öffnungspl­an würde auch die Bürger wieder stärker in die Verantwort­ung nehmen und die soziale Kontrolle stärken. Nur wo alle sich disziplini­ert verhalten, kann die Corona-Ampel wieder auf grün springen. Wo nicht, ist dann nicht die Regierung schuld. Die Menschen brauchen jetzt irgendetwa­s, das Hoffnung macht. Denn ohne Hoffnung hält man diese Krise nicht mehr lange aus.

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