Corona-Beschlüsse sorgen für Unmut an der Saar
Wirtschaftsvertreter sind mit den Ergebnissen der Bund-Länder-Konferenz vom Mittwoch unzufrieden – und sehen Verbesserungsbedarf.
Die neuen Corona-Beschlüsse kommen in der saarländischen Wirtschaft nicht gut an. „Zu undifferenziert und zu wenig lösungsorientiert“sei das, worauf sich Bund und Länder am Mittwoch verständigt haben, kritisiert etwa die Industrie- und Handelskammer (IHK). „Die pauschale Verlängerung des flächendeckenden Lockdowns hat die Grenzen der Nachvollziehbarkeit und Geduld in vielen Wirtschaftsbereichen inzwischen überschritten“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Frank Thomé. Statt einer klaren Perspektive zur schrittweisen Öffnung „wurde die Strategie des ‚Weiter so‘ gewählt“, klagt er.
Besonders die Unternehmen, die trotz hoher Investitionen in den Infektionsschutz weiter vertröstet würden und nicht vor dem 14. März öffnen dürften, hätten den Glauben an die staatlichen Maßnahmen verloren. „Wer Vertrauen und Geduld fordert, muss auch echte Perspektiven aufzeigen“, fordert der Kammer-Hauptgeschäftsführer. Er appelliert „an die Politik, eine schrittweise Öffnung zu ermöglichen – und zwar auch bei Inzidenzen über 50.“Das Saarland sei im Bundesvergleich schon vor der Pandemie wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten, sagt Thomé. „Wir können daher nicht auf den nächsten Corona-Gipfel im März warten.“
Zwar sei es angesichts der unabwägbaren Risiken durch die Virus-Mutationen richtig gewesen, auf vorschnelle Lockerungen zu verzichten, sagt Martin Schlechter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Saarländischer Unternehmensverbände (VSU). „Dennoch bleibt die Politik den Unternehmen eine klare Öffnungsperspektive schuldig.“Der Weg aus dem Lockdown müsse sich „nicht an Vermutungen, sondern an evidenzbasierten Fakten“orientieren, fordert Schlechter. „Hier brauchen wir deutlichere Signale statt immer neuer Hängepartien.“
In eine ähnliche Kerbe schlägt auch die Kritik des Verbands der Familienunternehmer im Saarland. Dessen Landesvorsitzender Wolfgang Herges spricht von einer „politischen Willkürhaltung, die kaum noch nachzuvollziehen ist“. Besonders die Ungleichbehandlung verschiedener Branchen stößt dem Verband sauer auf. Die Bund-Länder-Konferenz hatte am Mittwoch mit Verweis auf „die Bedeutung für die Körperhygiene“beschlossen, dass Friseure ab dem 1. März öffnen dürfen, andere körpernahe Dienstleister wie Fußpfleger oder Kosmetiker aber erst ab einer Inzidenz von 35 (35 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner in sieben Tagen). Gleiches gilt etwa für den Einzelhandel. Zuvor war stets von einem Ende des Lockdowns ab einem Inzidenzwert von 50 gesprochen worden. Das sei „völlig unverständlich“, kritisiert Herges. „So verspielt die Regierung das Vertrauen von Gesellschaft und Wirtschaft, die die Maßnahmen bisher mitgetragen haben.“
Bei der Handwerkskammer des Saarlandes (HWK) sieht man die aktuellen Beschlüsse zwiegespalten: „Dass die Politik Friseuren ab März eine Öffnungsperspektive gibt, ist gut und richtig“, sagt HWK-Präsident Bernd Wegner. „Gleichwohl ist für uns nicht ersichtlich, wieso zum selben Termin nicht auch Kosmetiker und Fußpfleger öffnen dürfen.“Diese hätten ebenfalls wirksame Hygienekonzepte eingeführt, sagt Wegner. „Hier muss die Politik jetzt nachjustieren und für die Wirtschaft allgemein, transparente und schlüssige Wiederöffnungsszenarien aufzeigen.“
„Tief enttäuscht“zeigt sich der saarländische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, dessen Branche in den Beschlüssen der Bund-Länder-Konferenz gar nicht erst erwähnt wurde. „Wir hätten uns wenigstens ein paar Worte gewünscht, dass man alles dafür tut, damit wir bald wieder öffnen können“, sagt Dehoga-Hauptgeschäftsführer Frank Hohrath. „Entgegen aller vorherigen Aussagen wurde uns keine Perspektive gegeben.“Auch er hätte sich eine einheitliche Regelung erhofft. „Ich freue mich für die Friseure, aber so richtig zu erklären ist das nicht“, sagt Hohrath. Dabei gebe es noch immer keine Belege dafür, dass Gaststätten und Restaurants Infektionstreiber seien. „Im Sommer hatte man doch genug Zeit. Wo sind denn nun die Studien?“
Mit dem neuen Inzidenz-Zielwert von 35 – so er denn für Hotels- und Gaststätten überhaupt gelte – sei nun „die Büchse der Pandora geöffnet“worden, sagt der Dehoga-Hauptgeschäftsführer. „Jetzt muss die Politik auch liefern und darlegen, was genau getan wird, um diesen Wert zu erreichen.“
Zwar habe sich die Situation der saarländischen Gastwirte etwas entspannt, weil November- und Dezemberhilfen nach langem Vorlauf nun zügig flössen. „Die Damen und Herren, die beim Landeswirtschaftsministerium für die Auszahlung verantwortlich sind, machen da wirklich einen guten Job“, lobt Hohrath. Auch dass die Überbrückungshilfe III kürzlich erhöht wurde, sei positiv zu bewerten. „Wenn wir die 35 aber erst im Mai oder Juni erreichen, wird das für das Gastgewerbe nicht reichen.“
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat inzwischen auf die wachsende Kritik reagiert. Er will am kommenden Dienstag mit über 40 Verbänden über die Wirtschaftslage, die Beschlüsse von Bund und Ländern, die Corona-Hilfen und Öffnungsperspektiven sprechen.