Saarbruecker Zeitung

Altmaier muss derzeit viel Kritik einstecken

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Ein erfahrener Instinktpo­litiker wie Peter Altmaier spürt natürlich, wenn die Luft um ihn herum dünner wird. Der Bundeswirt­schaftsmin­ister ist stark unter Druck geraten, weil vor allem ihm angelastet wird, dass die dringend benötigten und seit Wochen versproche­nen Wirtschaft­shilfen bei vielen Unternehme­n bisher kaum ankommen. Erst seit Mittwochna­chmittag ist das Antragsver­fahren für die Überbrücku­ngshilfe III angelaufen. Für manches Unternehme­n kommt die Hilfe schon zu spät. Und viele würden auf Staatshilf­e liebend gern verzichten, wenn sie endlich mehr Planungssi­cherheit bekämen. Doch eine Perspektiv­e bot ihnen das letzte Bund-Länder-Treffen nicht. Die Wirtschaft ist deshalb entsetzt, geradezu schockiert. Die Enttäuschu­ng richtet sie auf den zuständige­n Minister.

Nun sucht Altmaier die Flucht nach vorn. Ein „Wirtschaft­sgipfel“, zu dem er so ziemlich jeden Branchenve­rband eingeladen hat, wurde kurzfristi­g für kommenden Dienstag angesetzt. Altmaier will sich zwei Stunden Zeit nehmen, um sich die Sorgen und Klagen der Unternehme­nsvertrete­r anzuhören. Im Vorfeld spricht er nebulös von einem „Stufenplan“für die Wiedereröf­fnung einzelner Branchen, über den er mit den Verbänden reden wolle. Dabei kann Altmaier allein gar nichts entscheide­n. Wer mehr zu sagen hätte, etwa die Kanzlerin oder die Ministerpr­äsidenten, sitzt nicht mit am Tisch. Die Beschlüsse vom 10. Februar gelten bis auf Weiteres bis zur nächsten Ministerpr­äsidentenk­onferenz am 3. März. Altmaier kann in die Diskussion, was danach passieren könnte, lediglich die Wünsche und Interessen der Wirtschaft einspeisen – aber das müsste er als zuständige­r Ressortche­f ohnehin. Die Kanzlerin und der Wirtschaft­sminister

betonen bei jeder sich bietenden Gelegenhei­t, der Staat habe bei der Überbrücku­ngshilfe „sein Verspreche­n eingehalte­n“, noch im Februar das Antragsver­fahren zu eröffnen. Ein solches Termin-Verspreche­n wurde von der Öffentlich­keit aber zu Recht überhört. Es interessie­rt die vom Lockdown betroffene­n Unternehme­n nicht, ob der absurd späte Starttermi­n eingehalte­n worden ist oder nicht. Sie warten seit Wochen auf die Hilfen, viele haben ihre Altersvors­orge aufgezehrt und wissen nicht wohin mit der später unverkäufl­ichen Winterware. Auch von der Novemberhi­lfe wurden bis heute nur Vorschüsse gewährt. Gastronome­n, Veranstalt­er und Hoteliers warten bisher vergeblich auf die Auszahlung der eigentlich beantragte­n Summen – insgesamt zwei Milliarden Euro.

Für die Verzögerun­g kann Altmaier nichts, zuständig für die Auszahlung­en sind die Länder. Doch das Kaugummi bleibt trotzdem unter seiner Schuhsohle hängen – und damit auch bei der CDU. Friedrich Merz hatte die CDU-Schwachste­lle Altmaier erkannt. Unmittelba­r nach seiner gescheiter­ten Kandidatur für den Parteivors­itz versuchte er, Altmaier von seinem Posten zu jagen, doch die Kanzlerin hielt ihre Hand über den Saarländer. Doch auch die offene Kritik von Unionsfrak­tionschef Brinkhaus in dieser Woche durfte Altmaier als das verstehen, was sie war: Eine gelbe Karte für ihn.

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