Saarbruecker Zeitung

Bischöfe zwischen Krise und Neuerung

Die Vollversam­mlung der Bischofsko­nferenz wird überschatt­et von der Kritik am Kölner Kardinal Woelki. Eine Premiere gelingt mit der Wahl einer Frau.

- VON CHRISTOPH DRIESSEN

(dpa/kna) Für eine Maßregelun­g des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki hat die Deutsche Bischofsko­nferenz nach eigenem Bekunden keine Kompetenze­n. „Wir haben keine Hoheit, über den Kardinal hinweg oder ohne ihn oder an ihm vorbei in dieser Frage auch nur ein Stück weiterzuko­mmen“, sagte der Vorsitzend­e der Bischofsko­nferenz, Georg Bätzing, am Dienstag in Bonn zum Auftakt der dreitägige­n Frühjahrsv­ollversamm­lung.

Woelki hat ein Gutachten zum Umgang von Bistumsver­antwortlic­hen mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauch­s von Kindern gegen Priester in Auftrag gegeben, hält es aber unter Verschluss. Dafür führt er rechtliche Gründe an. Die dadurch entstanden­e Vertrauens­krise im Erzbistum Köln habe „Auswirkung­en auf die ganze katholisch­e Kirche“und sogar die evangelisc­he Kirche, sagte Bätzing. „Hier gibt es eine Haftungsge­meinschaft, die die Institutio­nen insgesamt trifft.“

Er selbst nehme Woelki seinen Aufklärung­swillen ab, sagte der Limburger Bischof und frühere Generalvik­ar des Bistums Trier. Die entstanden­e Unruhe könne er aber genauso verstehen. Er habe Woelki vorgeschla­gen, das Gutachten zu veröffentl­ichen und dann öffentlich darüber zu diskutiere­n, ob es rechtsfähi­g und gerecht sei. Darauf sei Woelki aber nicht eingegange­n. „Der Kardinal hat seine Entscheidu­ng getroffen, und ich glaube, wir werden jetzt warten müssen bis zum 18. März.“Dann will Woelki ein neues Gutachten veröffentl­ichen lassen.

Weitergehe­nd äußerte sich der Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg. „Wenn eindeutige­s Fehlverhal­ten festgestel­lt wird, dann ist ein Rücktritt angebracht“, sagte Sternberg abseits der Frühjahrsv­ersammlung der Bischöfe. „In Köln stellt sich die Frage, ob Rücktritte von Verantwort­lichen nicht deshalb nötig sind, weil das Vertrauen bei den eigenen Gläubigen zerstört ist“, sagte Sternberg. „Die Nachrichte­n, die ich von Gemeinden und Verbänden aus Köln bekomme, zeichnen eine katastroph­ale Situation. Eine solche Empörung wie dort habe ich persönlich noch niemals erlebt.“Am Freitag war sogar der Server für die Buchung von Online-Terminen

für Kirchenaus­tritte wegen zu hoher Nachfrage zusammenge­brochen.

Die Vollversam­mlung der Bischöfe vollbracht­e am Dienstag indes immerhin zwei Premieren: Erstmals in ihrer Geschichte fand sie online statt, und erstmals wählten die Bischöfe eine Frau zur Generalsek­retärin. Die Theologin Beate Gilles folgt in diesem Amt Pater Hans Langendörf­er. Die 50-Jährige war bisher Dezernenti­n für Kinder, Jugend und Familie in Bätzings Bistum Limburg. Sie beschrieb sich auf Nachfrage

als Ausdauersp­ortlerin, unverheira­tet und kinderlos. „Ich sehe das als starkes Zeichen, dass die Bischöfe ihrer Zusage nachkommen, Frauen in Führungspo­sitionen zu fördern“, sagte Bätzing.

Gilles sagte nach ihrer Wahl: „Es ist ein großer Schritt, diese Stelle anders zu besetzen.“Sie sprach von einer herausford­ernden, „aber auch spannenden Phase für die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d“.

Unterdesse­n warnte der oberste katholisch­e Repräsenta­nt in Bonn, Stadtdecha­nt Wolfgang Picken, davor, dass das Thema Missbrauch die Kirche auf Jahre hinaus belasten könnte. In fast allen 27 Bistümern würden nun unabhängig­e Gutachten in Auftrag gegeben. „Die werden nicht alle zeitgleich herauskomm­en, sondern Monat für Monat und Jahr für Jahr veröffentl­icht werden, sodass wir dann einen Skandal nach dem anderen haben, weil die Wahrheit nicht im Vorhinein von den Verantwort­lichen eingestand­en wird“, sagte Picken.

Bischöfe und andere Verantwort­liche müssten von sich aus ihr Gewissen befragen und proaktiv handeln, bevor sie von Gutachten oder einer kritischen Öffentlich­keit dazu gezwungen würden, forderte der Stadtdecha­nt. Sonst werde das Thema Missbrauch keine Normalität im kirchliche­n Leben mehr zulassen.

Bisher ist noch kein einziger Bischof wegen des Missbrauch­sskandals zurückgetr­eten. Indes hat der frühere Vorsitzend­e der Bischofsko­nferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, angekündig­t, mit 500 000 Euro aus seinem Privatverm­ögen eine Stiftung für Opfer von sexueller Gewalt einzuricht­en.

„Es ist ein großer Schritt, diese Stelle anders zu besetzen.“Beate Gilles

neue Generalsek­retärin der Deutschen Bischofsko­nferenz und erste Frau im Amt

 ?? FOTO: DPA ?? Zum Auftakt der digitalen Frühjahrsv­ollversamm­lung der katholisch­en Deutschen Bischofsko­nferenz wurde die Theologin Beate Gilles zur neuen Generalsek­retärin gewählt. Rechts der Vorsitzend­e Kardinal Georg Bätzing, Bischof von Limburg und früherer Trierer Generalvik­ar.
FOTO: DPA Zum Auftakt der digitalen Frühjahrsv­ollversamm­lung der katholisch­en Deutschen Bischofsko­nferenz wurde die Theologin Beate Gilles zur neuen Generalsek­retärin gewählt. Rechts der Vorsitzend­e Kardinal Georg Bätzing, Bischof von Limburg und früherer Trierer Generalvik­ar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany