Wäldern geht es so schlecht wie nie
Der neue Bericht zum Waldzustand 2020 zeichnet ein düsteres Bild: Dürre, Stürme und Schädlinge setzen den Bäumen massiv zu.
(dpa) 2020 ist es den Bäumen in Deutschland so schlecht ergangen wie noch nie seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1984. Das geht aus dem am Mittwoch vorgestellten Bericht zum Zustand der Wälder hervor. Vor allem ältere Bäume über 60 Jahre seien vom Absterben bedroht.
Der Befund ist eindeutig: Um den Wald in Deutschland steht es schlecht. Der neue Bericht über den Zustand der Wälder im vergangenen Jahr, den Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) am Mittwoch vorstellte, enthält den negativsten Befund seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1984. „Wer im Wald unterwegs ist, der sieht massive Schäden: kahle Flächen, trockene Bäume, übermäßig viel Schadholz, also Kalamitätsholz“, sagte Klöckner in Berlin. Vor allem die vergangenen drei Dürrejahre hätten den Wäldern massiv zugesetzt. Hitze, Sturmschäden und Schädlingsbefall – vor allem durch Borkenkäfer – haben die Sterberate der Bäume deutlich erhöht, wie aus dem Bericht hervorgeht. Besonders alte Bäume über 60 Jahre sind demnach vom Absterben bedroht. Nicole Wellbrock, die Leiterin des Arbeitsbereichs Bodenschutz und Waldzustand am Thünen-Institut für Waldökosysteme, sieht Anzeichen für langfristige Veränderungen. „Das ist kein Kurztrend, kein Ausreißerjahr, sondern etwas, das wir mit großer Besorgnis sehen“, sagte die Waldforscherin bei der Präsentation des Berichts.
Dabei lässt sich der Zustand der Bäume besonders an der Krone ablesen. „Der Kronenzustand ist wie ein Fieberthermometer“, sagte Klöcker – und das zeigt, um im Bild zu bleiben, starkes Fieber der Bäume an. So nimmt durch den Verlust von Nadeln und Blättern die Verlichtung der Kronen immer mehr zu. Laut dem Bericht trugen 2020 vier von fünf Bäumen lichte Kronen. Aufgeschlüsselt nach Baumarten betraf das vor allem Fichten (79 Prozent), Eichen und Kiefern (jeweils 80) und Buchen (89).
Wie sehr der Wald leidet, lässt sich auch an Schadflächen und der Schadholzmenge bemessen. 277 000 Hektar – eine Fläche etwas größer als das Saarland – müssen wiederbewaldet werden, wie der Bericht aufzeigt. Dabei sollte laut der Waldforscherin Wellbrock verstärkt auf Mischwälder und weniger auf hitzeanfällige Fichten gesetzt werden. Man wolle „aktiv, nachhaltig, zertifiziert, standortangepasst, mit einer starken Resilienz wiederbewalden“, beteuerte Klöckner. Die Schadholzmenge beläuft sich auf 171 Millionen Kubikmeter, wie aus dem Waldbericht hervorgeht.
Um auf die massiven Waldschäden
zu reagieren, stellt die Bundesregierung insgesamt 1,5 Milliarden Euro bereit, die auf zwei Förderprogramme verteilt sind: 800 Millionen
Euro wurden bereits 2019 in einem Bund-Länder-Paket auf den Weg gebracht. Die weiteren 700 Millionen Euro stellt allein der Bund bereit, wobei 500 Millionen in Form einer sogenannten „Nachhaltigkeitsprämie“ vergeben werden. Um Anspruch auf die Förderung geltend zu machen, müssen Waldbesitzer und Forstwirte eine über zehn Jahre gültige Zertifizierung ihrer Waldflächen aufweisen und Mischwälder mit standortgerechten Baumarten aufbauen.
Dabei ist eine kontroverse Debatte über die Verteilung der Fördermittel entfacht. So forderten die Grünen eine zielgenauere Mittelvergabe für klimastabilen Waldumbau. „Der Bund verteilt sage und schreibe 1,5 Milliarden Euro an Waldhilfen nach dem Gießkannenprinzip als Flächenprämie ohne sie an ökologische Kriterien zu binden“, sagte Harald Ebner, der waldpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, unserer Redaktion. Es braucht klare Vorgaben für mehr
Vielfalt, Naturnähe und eine schonende Bewirtschaftung.
Deutliche Kritik kam auch von Naturschutzorganisationen. Laut dem BUND-Vorsitzenden Olaf Bandt müsse Klöckner dafür sorgen, dass nur jene Waldbesitzer eine Unterstützung erhalten, die ihre Wälder besonders ökologisch verträglich bewirtschaften. Dagegen begrüßte die Organisation PEFC Deutschland, die nachhaltige Waldbewirtschaftung durch ein unabhängiges Zertifizierungssystem sicherstellt, die Förderung. „Gerade durch die notwendige Voraussetzung, dass die Waldflächen zertifiziert sein müssen, wird eine Behandlung der Wälder nach allgemein anerkannten ökologischen Kriterien sichergestellt“, sagte PEFC-Vorsitzender Andreas W. Bitter.