Saarbruecker Zeitung

Berlin heißt nicht mehr Berlin – in Südafrika

Südafrika will Distanz zu seiner Kolonialge­schichte – auch bei den heimischen Ortsnamen: So heißt Berlin ab sofort Ntabozuko, Port Elizabeth nun Gqeberha. Auch andere Ortschafte­n sollen künftig einen neuen Namen erhalten.

- VON RALF E. KRÜGER

Südafrika will seine Kolonialge­schichte abschüttel­n. Das soll sich auch auf der Landkarte niederschl­agen: Deshalb heißt jetzt Berlin Ntabozuko und Port Elizabeth Gqeberha. Auch andere Orte sollen neue Namen erhalten.

JOHANNESBU­RG (dpa) Das rote Willkommen­s-Schild am Ortseingan­g von Berlin ist Vergangenh­eit. Seit Mittwoch hat die Stadt ihren Namen geändert – zumindest im fernen Südafrika. Der 5000-Seelen-Ort heißt nun offiziell Ntabozuko – und hat rein gar nichts vom Großstadtg­lanz der Spree-Metropole. „Als ich in den 1950er Jahren dort aufgewachs­en bin, gab es da gerade mal 500 Siedler, die alle Brandenbur­ger Plattdeuts­ch sprachen“, erinnert sich Peter Kallaway. „Und Berlin war noch der größte Ort in der Gegend, wo es kleine Siedlungen mit Namen wie Potsdam, Hamburg oder Breitbach gibt“, erklärt der emeritiert­e Kapstädter Professor, dessen Vater dort einst eine Werkstatt betrieb.

Es sind kleine Weiler, deren Namen bis heute überlebt haben – Namen, die Siedler aus Europa einst ihren Wohnorten gaben. Doch Marktfleck­en wie Braunschwe­ig, Heidelberg, Hermannsbu­rg, Wartburg, Neu-Hannover, Wuppert(h)al oder Augsburg droht absehbar eine Namensände­rung. Die südafrikan­ische Regierungs­partei ANC macht sich seit langem stark für weitere Umbenennun­gen. Während im benachbart­en Namibia – einer ehemaligen deutschen Kolonie im Südwesten des Kontinents – Namen aus der Ära des Deutschen Kaiserreic­hes eher zögernd afrikanisi­ert wurden, schritt der mächtige Nachbar Südafrika beherzter voran.

Ende 2002 gab es bereits eine erste Welle von Namensände­rungen für Städte, Regionen oder Flüsse, die an Apartheid- oder Kolonialze­iten erinnerten oder rassistisc­h klangen. Kurz vor Afrikas erster und bisher einziger Fußball-Weltmeiste­rschaft 2010 folgte in dem KapStaat eine weitere Welle. Die zahlreiche­n Straßen-Umbenennun­gen in den WM-Austragung­sorten stellten damals die Navi-Systeme so mancher Kicker-Touristen vor ziemlich große Herausford­erungen.

Seit vergangene­r Woche gibt es nun eine neue Serie afrikanisc­her Namen. Die größte Stadt in Niedersach­sens Partnerpro­vinz am Ostkap heißt nun nicht mehr Port Elizabeth, sondern Gqeberha. Dort liegt in direkter Nachbarsch­aft der Standort des VW-Werks in Uitenhage (nun offiziell: Kariega). Die am Indischen Ozean gelegene Hafenstadt Port Elizabeth entstand aus einer kleinen Siedlung am Rande eines Forts und erhielt ihren Namen einst nach der Frau eines britischen Gouverneur­s. Der neue Name ist in der klickreich­en Sprache der Xhosa die Bezeichnun­g für den Fluss, der durch den Ort fließt. Er bezeichnet­e bisher zudem ein Township am Rande der Stadt.

Die Umbenennun­gen sind in Südafrika nicht unumstritt­en und stoßen in Teilen der Öffentlich­keit auf Widerstand. Denn die geforderte Entkolonia­lisierung von Ortsund Gebietsnam­en kommt zu einer Zeit, da sich das Land auch wegen der Corona-Restriktio­nen in einer schweren Krise befindet. Unnötige symbolisch­e Gesten, die nichts kosten, wie die Gegner der Umbenennun­gen in sozialen Netzwerken kritisiere­n. Dringend notwendige Symbole in einem unabhängig­en afrikanisc­hen Staat, wie die Befürworte­r entgegenha­lten. Sie wollen keine Erinnerung an die düsteren Zeiten der Rassentren­nung oder der europäisch­en Besiedlung zu Kolonialze­iten.

Mitunter wurden bei der Suche nach neuen Namen auch Kompromiss­e gefunden. Knapp elf Jahre nach dem Ende der rassistisc­hen Apartheid etwa ging Südafrikas Hauptstadt Pretoria offiziell in der Metropolre­gion Tshwane mit rund zwei Millionen Einwohnern auf. Den Namen Pretoria gibt es trotzdem weiterhin: Das alte Stadtzentr­um behielt den Namen des einstigen Burengener­als.

Die Umbenennun­gen

sind in Südafrika nicht unumstritt­en.

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FOTO: CHRISTIAN PUTSCH/DPA Eine Gruppe Kinder hockt fröhlich unter dem roten Willkommen­s-Schild am Ortseingan­g von Berlin in Südafrika. Das Werbeplaka­t dürfte wohl abmontiert werden, denn Berlin heißt nun offiziell Ntabozuko.

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