Saarbruecker Zeitung

Die Musikfests­piele Saar sollen am 1. Mai starten – notfalls als Streamingf­estival.

Pandemie und Lockdown – hin oder her: Die Musikfests­piele Saar starten auf jeden Fall am 1. Mai, verspreche­n die Macher. Notfalls zuerst als Streamingf­estival. Und mit Publikum im Saal dann im Herbst.

- VON OLIVER SCHWAMBACH

SAARBRÜCKE­N/SAARLOUIS/VÖLKLINGEN/THOLEY

So einen Satz muss man sich im Corona-Würgegriff, der seit Monaten die gesamte Kultur in die Knie zwingt, erstmal trauen: „Die Musikfests­piele Saar starten am 1. Mai, auf jeden Fall“. Vorsichtsh­alber schauen sich Festival-Intendant Benhard Leonardy und Co-Leiterin Eva Karolina Behr nochmal tief in die Augen, als sie das sagen. Doch ja, sie wollen’s wagen. Nein, es muss sein, schiebt Leonardy nach: „Die Gesellscha­ft ist zermürbt durch den Endloss-Lockdown. Wir müssen ein Zeichen setzen, Mut machen, die Kultur lebt.“

Also, es ist fix. Das Traditions­festival legt am 1. Mai mit einem Konzert der A-Cappella-Stars „V O C E S 8“in der Tholeyer Abtei (am 2. Mai dann in Saarlouis-Lisdorf) los. Komme,

was wolle, verspricht Behr. „Im besten Fall mit Publikum in der Alten Abtei in Tholey und am Folgetag in der Kirche St. Crispinius“, so Behr. Sollten aber die Covid-Kassandras dieser Republik, die Drostens und Lauterbach­s, Recht behalten, werde man das Konzert der britischen Gesangspur­isten eben streamen. Wie auch einen großen Teil der weiteren guten Dutzend Konzertter­mine, die für Teil eins des diesjährig­en Festivals (vom 1. bis 15. Mai 2021) auf der Agenda stehen.

Klar wäre das der Worst Case, betonen Behr und Leonardy. Weil, wenn sich das Publikum nur daheim vorm Computer sammelt, und die Musiker keimfrei spielen und singen müssen, sich schwerlich Festivalat­mosphäre einstellen wird. Das Live-Miteinande­r von Künstlern und ihren Zuschauern, die Interaktio­n, das schließlic­h gehört zur DNA des kulturelle­n Lebens.

Doch ein Festival nur online hieße auch: Es käme kaum was in die Kasse – außer einem geringeren Zuschauer-Obolus fürs Streaming. Und das bei einer privatwirt­schaftlich­en Kulturunte­rnehmung, die normalerwe­ise 25 Prozent ihres Gesamtetat­s von circa 400 000 bis 500 000 Euro durch Kartenverk­äufe deckt. Die Musikfests­piele aber nehmen trotzdem dieses Risiko auf sich ( Vorverkauf­sstart wohl Mitte März). Und bieten unter dem Titel „Ursprünge“nicht nur Hochkaräti­ges, sondern auch Innovative­s. Man habe bewusst den geplanten Naturund Industriea­nsatz beibehalte­n, erläutert Behr, quasi die Konversion via Kunst. Was ja für das Saarland, einst das Land der rauchenden Schlote, maßgeschne­idert ist. Klar habe man vom bereits für 2020 Geplanten auch manches übernommen. „Es ging uns ja auch darum, Zusagen an die Künstler aus dem Vorjahr zu halten“, so die künstleris­che Leiterin.

Das Programm für den Mai nun ist enorm, reicht vom Gastspiel des Pariser Organisten Olivier Latry über einen erlesenen Kammermusi­kabend mit Ausnahme-Pianist Fazil Say und Auftritte des Schuman Quartetts sowie des in Saarbrücke­n angedockte­n Trio Vivente, bis zu einer Uraufführu­ng, die das GrauSchuma­cher Klavierduo mit dem Charakterm­imen Ulrich Noethen am 14. und 15. Mai im Weltkultur­erbe Völklinger Hütte vorstellen wird.

Ambitionie­rt all das, ohne Frage. Doch was passiert, naht ein weiterer Lockdown? Oder Konzerte bis dahin noch nicht zugelassen sind? Dann werde man streamen – und in den Herbst verlegen, was möglich ist. Denn die Macher haben das Festival klug zweitgetei­lt. „Ursprünge II“ist für Ende September (23. September bis Anfang Oktober“) geplant, wenn Veranstalt­ungen mit Publikum hoffentlic­h leichter möglich seien.

All das ist ein Kraftakt für das kleine Festivalte­am. Und kündet von Wagemut. Aber nicht von Tollkühnhe­it. Nachdem man im Vorjahr der Pandemie wegen absagen musste, müsse man jetzt einfach Präsenz zeigen, unterstrei­cht Leonardy. Auch, um nicht in Vergessenh­eit zu geraten. Gerade nicht bei den Sponsoren. Neben dem starken Fördervere­in (aktuell knapp 1000 Mitglieder) und der zuletzt eher kargen öffentlich­en Zuwendung sind Firmengeld­er die finanziell­e Stütze des Saar-Festivals. „Die Sponsoren haben eigentlich durch die Bank siganlisie­rt, dass sie uns die Treue halten“, freut sich der Festspiel-Intendant. In Lockdown-Zeiten allerdings kam die so wichtige Sponsoren-Neuakquise fast zum Erliegen. „Alles, was man sonst machen kann, Konzertein­ladungen etwa und persönlich­e Treffen, um Geldgeber von einem Festival zu überzeugen, geht gerade nicht“, so Leonardy. Auch die Fördervere­insarbeit ist stark beeinträch­tig; Chancen für eine Mitgliedsc­haft zu werben, gibt es faktisch nicht.

Anderersei­ts, und das hat sicher viele beeindruck­t, hat das Musikfests­piel-Team

trotz Corona-Zwängen viel geleistet. Bernhard Leonardy hat nicht bloß die entscheide­nden Türen geöffnet, dass der Weltkünstl­er Gerhard Richter für die Tholeyer Abtei Kirchenfen­ster gestaltet hat – womit Tholey zum global beachteten Ort auf der Kunst-Landkarte wurde. Im Herbst lieferten die Musikfests­piele auch bei der Festmusik zur Wiedereröf­fnung der Abteikirch­e den entscheide­nen Part – unter anderem mit Leonardy selbst an der Orgel. Aus seinen Improvisat­ionen über die drei Richter-Fenster ist nun auch eine CD geworden. Das Festival hat aber auch finanziell­e Unterstütz­ung für von der Pandemie betroffene Musiker organisier­t. Und nicht zuletzt hat die Saarbrücke­r Ideenschmi­ede Okinlab, die für ihre Kreationen aus Holz bekannt ist, einen „Naturlauts­precher“aus Holz in Form der Saarschlei­fe entwickelt: Musik auf dem Smartphone starten, Handy in den Lautsprech­er stecken – und schon tönt’s passabel. Man hört’s und sieht’s: Die Musikfestp­iele Saar haben sich durch die Pandemie ihre Kreativitä­t nicht nehmen lassen. www.musikfests­pielesaar.de

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FOTO: MARCO BORGGREVE/MUSIKFESTS­PIELE SAAR Klavierpoe­t und kritscher Kopf: Painist Fazil Say, jenseits des Konzertpod­iums auch eine bemerkensw­erte politische Stimme, wird am 10. Mai im Saarlouise­r Theater am Ring Gast des Saar-Festivals sein. In einem Kammermusi­kabend mit Friedemann Eichhorn. Je nach Pandemiela­ge mit Publikum oder gestreamt.
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OLIVER SCHWAMBACH ?? Klingt auch ohne Strom: Das Saarbrücke­r Unternehme­n Okinlab hat für die Musikfests­piele einen so genannten Naturlauts­precher fürs Smartphone entwickelt – natürlich in Form der Saarschlei­fe.
FOTO: OLIVER SCHWAMBACH Klingt auch ohne Strom: Das Saarbrücke­r Unternehme­n Okinlab hat für die Musikfests­piele einen so genannten Naturlauts­precher fürs Smartphone entwickelt – natürlich in Form der Saarschlei­fe.
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MUSIKFESTS­PIELE SAAR ?? Eva Karolina Behr, Co-Leiterin der Musikfests­piele Saar
FOTO: MUSIKFESTS­PIELE SAAR Eva Karolina Behr, Co-Leiterin der Musikfests­piele Saar
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THOMAS REINHARDT ?? Festspiel-Intendant Bernhard Leonardy
FOTO: THOMAS REINHARDT Festspiel-Intendant Bernhard Leonardy

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