Saarbruecker Zeitung

Wie Trump den Kessel am Kochen hält

Bei seiner Rückkehr auf die öffentlich­e Bühne lässt sich der Ex-Präsident als Held feiern. An seinem Nachfolger Joe Biden lässt er kein gutes Haar.

- VON FRANK HERRMANN

Zum Standardre­pertoire Donald Trumps gehört der Satz, dass er die Spannung erhalten wolle, statt zu früh zu verraten, wie etwas ausgehen wird. Trump, der Unberechen­bare: Am Sonntagabe­nd, zum Abschluss der Jahrestagu­ng konservati­ver Aktivisten, stand eine Fortsetzun­g der Staffel auf dem Programm. In vier Jahren, prophezeit­e der Wahlverlie­rer, werde ein republikan­ischer Präsident im Triumphzug ins Weiße Haus zurückkehr­en. „Und ich frage mich, wer das sein könnte. Wer, wer, wer wird das wohl sein?“

Er ließ alles offen, schloss nichts aus, bestätigte nichts – und hielt den Kessel am Kochen. Mit der Andeutung, in die jeder hineinlese­n kann, was er möchte, beendete Trump eine Rede, die er mit scharfen Angriffen auf seinen Amtsnachfo­lger begann. Und der gebetsmühl­enartig wiederholt­en Behauptung, dass er das Votum am 3. November nur verloren habe, weil Betrug im Spiel gewesen sei. „Wer weiß, vielleicht entscheide ich, dass ich sie zum dritten Mal schlagen werde“, sagte Trump, meinte seine demokratis­chen Widersache­r, sprach von Wahlsiegen 2016 und 2020 und stellte vage in Aussicht, 2024 noch einmal anzutreten.

Knapp sechs Wochen nach seinem Auszug auf dem Weißen Haus hat der Ex-Präsident erstmals wieder eine öffentlich­e Bühne betreten. CPAC, die Conservati­ve Political Action Conference, so viel war vorher klar, würde zum Heimspiel für ihn werden. Zwar spiegelt der Kongress nicht unbedingt wider, wie die Republikan­ische Partei in ihrer Gesamtheit tickt. Moderate Politiker kommen dort praktisch nicht mehr zu Wort. Über die Stimmung auf dem rechtskons­ervativen Flügel allerdings lässt er ziemlich verlässlic­he Schlüsse zu. Das Fazit: Dort gilt Trump noch immer als Held, als Anführer, als der Rebell, der es dem Establishm­ent gezeigt hat und die Arrivierte­n noch einmal das Fürchten lehren wird. Falls es dafür noch eines Beweises bedurfte hätte, dann hat ihn eine Meinungsum­frage unter den Konferenzt­eilnehmern erbracht. Müssten die Konservati­ven heute einen Präsidents­chaftskand­idaten küren, würden 55 Prozent dem Milliardär aus New York den Vorzug geben. An zweiter Stelle folgte Ron de Santis, Gouverneur Floridas und bekennende­r Trumpianer. Alle anderen wären chancenlos.

So vage Trump mit Blick auf 2024 blieb, so eindeutig definierte er seine Rolle für die nächsten zwei Jahre. Er werde aktiv daran mitwirken, sagte er, dass die Republikan­er bei den Kongresswa­hlen 2022 mit „robusten, schlauen“Bewerbern ins Rennen

gehen. Mit anderen Worten, er beanspruch­t die Rolle des Königsmach­ers. Nur wer seinen Segen hat, soll sich bei den zuvor anstehende­n Primaries durchsetze­n können. Abgeordnet­e und Senatoren, die es wagten, für seine Amtsentheb­ung zu stimmen, sollen dagegen für ihre Illoyalitä­t büßen, indem die Parteibasi­s sie durchfalle­n lässt – „Setzt ihnen allen den Stuhl vor die Tür!“

Seine Unterstütz­ung zu haben sei das größte Plus in der Politik, zitierte Trump einen von ihm geschätzte­n

Wahlforsch­er. Gerüchte, nach denen er eine eigene Partei gründen wolle, erklärte er für Falschmeld­ungen, in seinen Worten bewusst gestreut von den „Fake-News“-Medien. Eine Abspaltung komme nicht infrage, stellte er klar, schließlic­h gebe er bei den Republikan­ern unangefoch­ten den Ton an.

Der Rest der Rede: eine Mischung aus Wehklagen über eine angeblich manipulier­te Wahl und wilden Attacken gegen Joe Biden. Letztere gipfelten in dem Satz, die ersten

Amtswochen des Mannes seien katastroph­aler gewesen als alles, was sich ein neuer US-Präsident je geleistet habe. Unter Biden heiße es wieder „Amerika zuletzt“, während bei ihm die Devise „Amerika zuerst“gegolten habe. Der Sturm auf das Kapitol? Kam bei Donald Trump nicht vor. Keine Reue, kein Bedauern, auch keine Erklärungs­versuche, nur ein schwarzes Loch. Mit keiner Silbe ging er darauf ein, was das Parlament seines Landes am 6. Januar an Gewaltorgi­en erlebte.

„Wer weiß, vielleicht entscheide ich, dass ich sie zum dritten Mal schlagen werde.“

Donald Trump Ex-US-Präsident

 ?? FOTO: JOHN RAOUX/AP/DPA ?? Bei seinem ersten öffentlich­en Auftritt seit seinem Ausscheide­n aus dem Amt reitet Donald Trump in Orlando heftige Attacken gegen die Demokraten und schließt die Neugründun­g einer eigenen Partei aus.
FOTO: JOHN RAOUX/AP/DPA Bei seinem ersten öffentlich­en Auftritt seit seinem Ausscheide­n aus dem Amt reitet Donald Trump in Orlando heftige Attacken gegen die Demokraten und schließt die Neugründun­g einer eigenen Partei aus.

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