„Die Frage ist, was man unter Inflation versteht“
Der Wirtschaftsexperte rechnet für 2021 zwar mit einem Anstieg der Verbraucherpreise, hält Inflationsängste aber für unbegründet.
Nachdem die Inflationsrate in Deutschland im Jahr 2020 zeitweilig sogar unter der Nullmarke lag, ziehen die Preise nun wieder an. Für den Februar verzeichnet das Statistische Bundesamt ein Plus von 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Kehrt die Inflation mit Macht zurück? Der Würzburger Ökonomie-Professor und ehemalige „Wirtschaftsweise“Peter Bofinger hält solche Ängste für übertrieben.
Herr Bofinger, auch an den Börsen wächst die Furcht vor einer Inflation. Ist die Sorge berechtigt?
BOFINGER Die Frage ist immer, was man unter Inflation versteht. Man kann darunter verstehen, dass die Teuerung in diesem Jahr temporär etwas mehr als drei Prozent beträgt. Man kann darunter verstehen, dass man davon ausgehend eine Inflation von sechs oder sieben Prozent bekommt, wie das in den 1970erund 1980er-Jahren der Fall war. Und man kann darunter verstehen, dass wir es mit einer Hyperinflationen wie in den 1920er Jahren zu tun bekommen. In der aktuellen Diskussion geht das wild durcheinander.
Dann helfen Sie uns beim Ordnen.
BOFINGER Das Wahrscheinlichste ist, dass wir in diesem Jahr eine zeitweilige Verstärkung der Inflation bekommen, weil es dafür spezielle Schocks gibt. Das sind die Rückkehr zur höheren Mehrwertsteuer und die neue CO2-Bepreisung. Außerdem hatten wir im vergangenen Jahr einen starken Energiepreisverfall. Aber das normalisiert sich jetzt wieder etwas.
Und was folgt daraus?
BOFINGER Das bedeutet, dass die Inflation in diesem Jahr zeitweise leicht über eine Rate von drei Prozent hinausgehen kann. Aber danach wird es wieder in Richtung unter zwei Prozent gehen, was auch der Zielmarke der Europäischen Zentralbank entspricht.
Die EZB hat über Jahre Unmengen an billigem Geld in den Markt gepumpt. Kann sich das jetzt rächen?
BOFINGER Die Geldmenge, also Bargeld und Guthaben der privaten Haushalte und Unternehmen bei Banken, entwickelte bis zur Corona-Krise relativ normal. Danach ist sie stark gestiegen. Im Januar 2021 lag sie um 12,5 Prozent über dem Vorjahresniveau. Eine ähnliche Entwicklung gab es aber auch schon im Jahr 2007. Trotzdem blieb die Inflation weiter niedrig. Von der Geldmenge kann man also nicht mechanistisch auf die Teuerungsrate schließen.
Nach allen Prognosen wird die Wirtschaft im Zuge einer abflauenden Corona-Pandemie überproportional zulegen. Treibt das nicht auch die Preise?
BOFINGER In der Gastronomie könnte das der Fall sein. Aber am gesamten Warenkorb macht sie nur knapp fünf Prozent aus. Ich gehe davon aus, dass sich in einer Post-Corona-Welt auch die Verhaltensweisen verändert haben. Weniger Geschäftsreisen, weniger Fahrten in die Büros, mehr Homeoffice, weniger Shopping im stationären Handel und damit weniger Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich. Bei der ungünstigen Arbeitsmarktsituation wird es auch keine großen Lohnsteigerungen geben. In den 1970er-Jahren war die Inflation vor allem deshalb so hoch, weil es damals zu einer Lohn-Preisspirale gekommen war. Die ist heute nicht in Sicht.
Wer bauen will, der sollte sich aber besser beeilen mit einem Kredit zu günstigen Konditionen, oder?
BOFINGER Die Europäische Zentralbank legt für ihre Zinspolitik die mittelfristigen Inflationserwartungen zugrunde. Solange die sich im Zielbereich der zwei Prozent bewegen, gibt es für die EZB noch keinen Grund zu agieren. Das Risiko für einen Anstieg der Bauzinsen ist daher auch erst einmal gering.
Und wie ist es mit den Zinsen fürs Ersparte?
BOFINGER Wenn man die statistischen Daten seit 1967 für Zinsen auf Spareinlagen betrachtet und davon die Inflationsraten abzieht, dann gab es für das Sparbuch im langfristigen Durchschnitt nichts. Zinsen und Teuerung haben sich neutralisiert. Wenn man Rendite haben will, dann muss man sein Geld in andere Anlagen investieren. Das galt auch schon früher. Und heute erst recht.
Peter Bofinger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg.
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