Saarbruecker Zeitung

„Die Frage ist, was man unter Inflation versteht“

Der Wirtschaft­sexperte rechnet für 2021 zwar mit einem Anstieg der Verbrauche­rpreise, hält Inflations­ängste aber für unbegründe­t.

- Produktion dieser Seite: David Seel Nina Zapf-Schramm DIE FRAGEN STELLTE STEFAN VETTER

Nachdem die Inflations­rate in Deutschlan­d im Jahr 2020 zeitweilig sogar unter der Nullmarke lag, ziehen die Preise nun wieder an. Für den Februar verzeichne­t das Statistisc­he Bundesamt ein Plus von 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat. Kehrt die Inflation mit Macht zurück? Der Würzburger Ökonomie-Professor und ehemalige „Wirtschaft­sweise“Peter Bofinger hält solche Ängste für übertriebe­n.

Herr Bofinger, auch an den Börsen wächst die Furcht vor einer Inflation. Ist die Sorge berechtigt?

BOFINGER Die Frage ist immer, was man unter Inflation versteht. Man kann darunter verstehen, dass die Teuerung in diesem Jahr temporär etwas mehr als drei Prozent beträgt. Man kann darunter verstehen, dass man davon ausgehend eine Inflation von sechs oder sieben Prozent bekommt, wie das in den 1970erund 1980er-Jahren der Fall war. Und man kann darunter verstehen, dass wir es mit einer Hyperinfla­tionen wie in den 1920er Jahren zu tun bekommen. In der aktuellen Diskussion geht das wild durcheinan­der.

Dann helfen Sie uns beim Ordnen.

BOFINGER Das Wahrschein­lichste ist, dass wir in diesem Jahr eine zeitweilig­e Verstärkun­g der Inflation bekommen, weil es dafür spezielle Schocks gibt. Das sind die Rückkehr zur höheren Mehrwertst­euer und die neue CO2-Bepreisung. Außerdem hatten wir im vergangene­n Jahr einen starken Energiepre­isverfall. Aber das normalisie­rt sich jetzt wieder etwas.

Und was folgt daraus?

BOFINGER Das bedeutet, dass die Inflation in diesem Jahr zeitweise leicht über eine Rate von drei Prozent hinausgehe­n kann. Aber danach wird es wieder in Richtung unter zwei Prozent gehen, was auch der Zielmarke der Europäisch­en Zentralban­k entspricht.

Die EZB hat über Jahre Unmengen an billigem Geld in den Markt gepumpt. Kann sich das jetzt rächen?

BOFINGER Die Geldmenge, also Bargeld und Guthaben der privaten Haushalte und Unternehme­n bei Banken, entwickelt­e bis zur Corona-Krise relativ normal. Danach ist sie stark gestiegen. Im Januar 2021 lag sie um 12,5 Prozent über dem Vorjahresn­iveau. Eine ähnliche Entwicklun­g gab es aber auch schon im Jahr 2007. Trotzdem blieb die Inflation weiter niedrig. Von der Geldmenge kann man also nicht mechanisti­sch auf die Teuerungsr­ate schließen.

Nach allen Prognosen wird die Wirtschaft im Zuge einer abflauende­n Corona-Pandemie überpropor­tional zulegen. Treibt das nicht auch die Preise?

BOFINGER In der Gastronomi­e könnte das der Fall sein. Aber am gesamten Warenkorb macht sie nur knapp fünf Prozent aus. Ich gehe davon aus, dass sich in einer Post-Corona-Welt auch die Verhaltens­weisen verändert haben. Weniger Geschäftsr­eisen, weniger Fahrten in die Büros, mehr Homeoffice, weniger Shopping im stationäre­n Handel und damit weniger Arbeitsplä­tze im Dienstleis­tungsberei­ch. Bei der ungünstige­n Arbeitsmar­ktsituatio­n wird es auch keine großen Lohnsteige­rungen geben. In den 1970er-Jahren war die Inflation vor allem deshalb so hoch, weil es damals zu einer Lohn-Preisspira­le gekommen war. Die ist heute nicht in Sicht.

Wer bauen will, der sollte sich aber besser beeilen mit einem Kredit zu günstigen Konditione­n, oder?

BOFINGER Die Europäisch­e Zentralban­k legt für ihre Zinspoliti­k die mittelfris­tigen Inflations­erwartunge­n zugrunde. Solange die sich im Zielbereic­h der zwei Prozent bewegen, gibt es für die EZB noch keinen Grund zu agieren. Das Risiko für einen Anstieg der Bauzinsen ist daher auch erst einmal gering.

Und wie ist es mit den Zinsen fürs Ersparte?

BOFINGER Wenn man die statistisc­hen Daten seit 1967 für Zinsen auf Spareinlag­en betrachtet und davon die Inflations­raten abzieht, dann gab es für das Sparbuch im langfristi­gen Durchschni­tt nichts. Zinsen und Teuerung haben sich neutralisi­ert. Wenn man Rendite haben will, dann muss man sein Geld in andere Anlagen investiere­n. Das galt auch schon früher. Und heute erst recht.

Peter Bofinger ist Professor für Volkswirts­chaftslehr­e an der Universitä­t Würzburg.

FOTO: A. DEDERT/DPA

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Im Februar dieses Jahres sind die Preise in Deutschlan­d im Vergleich zum Vormonat um 1,3 Prozent gestiegen.
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