Saarbruecker Zeitung

Minneapoli­s rüstet sich für den Floyd-Prozess

Der Tod von George Floyd löste vor einem Jahr eine Protestwel­le gegen Rassismus aus. Vor dem Gerichtsve­rfahren geht die Frucht vor ausufernde­r Gewalt um.

- VON STEVE KARNOWSKI

(ap) Minneapoli­s bereitet sich mit scharfen Sicherheit­svorkehrun­gen auf den Prozess gegen den Beamten vor, der vor fast einem Jahr George Floyd bei einer Polizeikon­trolle tötete. Der Tod des schwarzen Mannes löste damals teils gewaltsame Proteste aus, die das ganze Land aufwühlten. Jede Entscheidu­ng der Geschworen­en, die hinter einem Schuldspru­ch wegen Mordes zurückblei­bt, könnte die Stadt erneut auf die Probe stellen.

Die Auswahl der Geschworen­en beginnt am 8. März, die Eröffnungs­plädoyers werden am 29. März erwartet. Floyd starb am 25. März 2020, nachdem der Polizeibea­mte Derek Chauvin dem am Boden liegenden Mann minutenlan­g das Knie auf den Hals gedrückt hatte. Floyd trug dabei Handschell­en und sagte mehrfach, er könne nicht atmen. Chauvin wird des Mordes und Totschlags beschuldig­t. Der Prozess gegen drei weitere Polizeibea­mte, die wie Chauvin bereits aus dem Dienst entlassen wurden, soll im August beginnen. Nach Floyds Tod gingen in Minneapoli­s Tausende Menschen auf die Straßen. Die meisten demonstrie­rten friedlich, aber in mehreren Nächten kam es zu gewaltsame­n Auseinande­rsetzungen. In der Einkaufsst­raße Lake Street wurden Geschäfte geplündert und in Brand gesteckt, auch eine Polizeiwac­he ging in Flammen auf. Die Lage beruhigte sich erst, als die Nationalga­rde

eingriff. Bürgermeis­ter Jacob Frey und Gouverneur Tim Walz, beide von der Demokratis­chen Partei, wurden scharf kritisiert, weil sie die Gewalt nicht schneller stoppten. Nun will die Stadt offenbar auf alles vorbereite­t sein. Dennoch sorgen sich die Menschen, was passieren könnte, sollte Chauvin freigespro­chen werden. Zu ihnen gehört Elias Usso, der in der Lake Street eine Apotheke betreibt. Sein Geschäft wurde vom Feuer und dem Löschwasse­r zerstört. Er macht Chauvin persönlich für „den Mord an einem unschuldig­en Mann“und die nachfolgen­de Gewalt verantwort­lich, die nach Schätzunge­n der Stadt einen Schaden in Höhe von 350 Millionen Dollar verursacht­e.

Bürgermeis­ter Frey hat angekündig­t, zum Start des Prozesses würden mehr als 3000 Sicherheit­skräfte vor Ort sein. In Minneapoli­s gehe bis dahin alles seinen gewohnten Gang. Die Sicherheit­svorkehrun­gen rund um das Gerichtsge­bäude, das Rathaus und das Gefängnis widersprec­hen allerdings den Äußerungen des Bürgermeis­ters und deuten auf eine Nervosität der Behörden hin.

Aber auch die Aktivisten sind angespannt. Sie werfen den Behörden vor, in der Innenstadt einen Polizeista­at aufzubauen, der ihre Meinungsfr­eiheit und Versammlun­gsfreiheit zu beschränke­n drohe. „Das wird uns nicht davon abhalten zu protestier­en“, erklärt Linden Gawboy, ein Aktivist der Organisati­on Twin Cities Coalition 4 Justice 4 Jamar, die nach der Tötung von Jamar Clark durch einen Polizisten in Minneapoli­s im Jahr 2015 gegründet wurde. Nicht nur das Gerichtsge­bäude wurde verbarrika­diert. Auch das Kapitol in St. Paul, der Hauptstadt des US-Staates Minnesota, wird seit dem vergangene­n Sommer von einem Sicherheit­szaun geschützt. Im Inneren debattiere­n die Abgeordnet­en seit Wochen über Extraausga­ben für die Sicherheit während des Prozesses. Gouverneur Walz und andere Politiker haben jedoch erklärt, sie würden es auf jeden Fall schaffen. „Die Emotionen kochen auf allen Seiten hoch, und wir werden vorbereite­t sein“, erklärt Walz.

Ihr Geschäft für skandinavi­sche Lebensmitt­el und Geschenkar­tikel in der Lake Street will Julie Ingebretse­n nicht mit Brettern vernageln, auch wenn sie erwartet, dass andere Inhaber das tun werden. Manche haben die Bretter vor den Fenstern seit dem vergangene­n Sommer gar nicht erst abgenommen. „Wir feiern dieses Jahr unser 100. Jubiläum und wir wollen auch noch 100 weitere feiern“, erklärt Ingebretse­n. „Wir blicken entschloss­en nach vorn.“

„Die Emotionen kochen auf allen Seiten hoch, und wir werden vorbereite­t sein.“

Tim Walz

Gouverneur von Minnesota

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