Minneapolis rüstet sich für den Floyd-Prozess
Der Tod von George Floyd löste vor einem Jahr eine Protestwelle gegen Rassismus aus. Vor dem Gerichtsverfahren geht die Frucht vor ausufernder Gewalt um.
(ap) Minneapolis bereitet sich mit scharfen Sicherheitsvorkehrungen auf den Prozess gegen den Beamten vor, der vor fast einem Jahr George Floyd bei einer Polizeikontrolle tötete. Der Tod des schwarzen Mannes löste damals teils gewaltsame Proteste aus, die das ganze Land aufwühlten. Jede Entscheidung der Geschworenen, die hinter einem Schuldspruch wegen Mordes zurückbleibt, könnte die Stadt erneut auf die Probe stellen.
Die Auswahl der Geschworenen beginnt am 8. März, die Eröffnungsplädoyers werden am 29. März erwartet. Floyd starb am 25. März 2020, nachdem der Polizeibeamte Derek Chauvin dem am Boden liegenden Mann minutenlang das Knie auf den Hals gedrückt hatte. Floyd trug dabei Handschellen und sagte mehrfach, er könne nicht atmen. Chauvin wird des Mordes und Totschlags beschuldigt. Der Prozess gegen drei weitere Polizeibeamte, die wie Chauvin bereits aus dem Dienst entlassen wurden, soll im August beginnen. Nach Floyds Tod gingen in Minneapolis Tausende Menschen auf die Straßen. Die meisten demonstrierten friedlich, aber in mehreren Nächten kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. In der Einkaufsstraße Lake Street wurden Geschäfte geplündert und in Brand gesteckt, auch eine Polizeiwache ging in Flammen auf. Die Lage beruhigte sich erst, als die Nationalgarde
eingriff. Bürgermeister Jacob Frey und Gouverneur Tim Walz, beide von der Demokratischen Partei, wurden scharf kritisiert, weil sie die Gewalt nicht schneller stoppten. Nun will die Stadt offenbar auf alles vorbereitet sein. Dennoch sorgen sich die Menschen, was passieren könnte, sollte Chauvin freigesprochen werden. Zu ihnen gehört Elias Usso, der in der Lake Street eine Apotheke betreibt. Sein Geschäft wurde vom Feuer und dem Löschwasser zerstört. Er macht Chauvin persönlich für „den Mord an einem unschuldigen Mann“und die nachfolgende Gewalt verantwortlich, die nach Schätzungen der Stadt einen Schaden in Höhe von 350 Millionen Dollar verursachte.
Bürgermeister Frey hat angekündigt, zum Start des Prozesses würden mehr als 3000 Sicherheitskräfte vor Ort sein. In Minneapolis gehe bis dahin alles seinen gewohnten Gang. Die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Gerichtsgebäude, das Rathaus und das Gefängnis widersprechen allerdings den Äußerungen des Bürgermeisters und deuten auf eine Nervosität der Behörden hin.
Aber auch die Aktivisten sind angespannt. Sie werfen den Behörden vor, in der Innenstadt einen Polizeistaat aufzubauen, der ihre Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit zu beschränken drohe. „Das wird uns nicht davon abhalten zu protestieren“, erklärt Linden Gawboy, ein Aktivist der Organisation Twin Cities Coalition 4 Justice 4 Jamar, die nach der Tötung von Jamar Clark durch einen Polizisten in Minneapolis im Jahr 2015 gegründet wurde. Nicht nur das Gerichtsgebäude wurde verbarrikadiert. Auch das Kapitol in St. Paul, der Hauptstadt des US-Staates Minnesota, wird seit dem vergangenen Sommer von einem Sicherheitszaun geschützt. Im Inneren debattieren die Abgeordneten seit Wochen über Extraausgaben für die Sicherheit während des Prozesses. Gouverneur Walz und andere Politiker haben jedoch erklärt, sie würden es auf jeden Fall schaffen. „Die Emotionen kochen auf allen Seiten hoch, und wir werden vorbereitet sein“, erklärt Walz.
Ihr Geschäft für skandinavische Lebensmittel und Geschenkartikel in der Lake Street will Julie Ingebretsen nicht mit Brettern vernageln, auch wenn sie erwartet, dass andere Inhaber das tun werden. Manche haben die Bretter vor den Fenstern seit dem vergangenen Sommer gar nicht erst abgenommen. „Wir feiern dieses Jahr unser 100. Jubiläum und wir wollen auch noch 100 weitere feiern“, erklärt Ingebretsen. „Wir blicken entschlossen nach vorn.“
„Die Emotionen kochen auf allen Seiten hoch, und wir werden vorbereitet sein.“
Tim Walz
Gouverneur von Minnesota