Saarbruecker Zeitung

Viele offene Fragen beim Thema Tierwohl

Immer mehr Menschen sind der Meinung, dass sich die Situation in deutschen Ställen verbessern muss. Doch die Finanzieru­ng erweist sich als komplizier­t.

- VON SASCHA MEYER

BERLIN (dpa) Für das Kilogramm Fleisch im Supermarkt könnten es 40 Cent mehr werden. Doch insgesamt sollen Milliarden her, um deutlich mehr Tierschutz in deutschen Ställen durchzuset­zen und die Bauern nicht allein auf den Kosten sitzen zu lassen. Die komplizier­te Frage ist nur: Wie kann eine Finanzieru­ng dafür aussehen? Laut einer am Dienstag vorgelegte­n Studie für das Bundesagra­rministeri­um sind Preisaufsc­hläge für die Verbrauche­r prinzipiel­l rechtlich möglich. Doch eine strikte Zweckbindu­ng von Einnahmen nur zugunsten deutscher Tierhalter wäre problemati­sch, wie die beauftragt­e Kanzlei deutlich machte. Und bis zur Bundestags­wahl im Herbst wird die Zeit knapp.

Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) will über die nächsten Schritte nun parteiüber­greifend im Bundestag und mit den Ländern sprechen. „Für mich geht es nicht um das Ob, wir reden über das Wie.“Der Umbau des Systems sei Voraussetz­ung für gesellscha­ftliche Akzeptanz und die Zukunft der Tierhaltun­g in Deutschlan­d. Mehr Tierwohl gebe es aber nicht zum Nulltarif. Und beim Umsetzen müsse es für die Landwirte mit Investitio­nen in Ställe und höheren laufenden Kosten auch ökonomisch zusammenge­hen. „Sonst exportiere­n wir Tierwohlfr­agen ins Ausland, und mit den Produkten importiere­n wir wieder die alten Probleme.“

In die lange schwelende Debatte ist Bewegung gekommen, seit eine Expertenko­mmission um den früheren Agrarminis­ter Jochen Borchert (CDU) vor einem Jahr ein Konzept vorgelegt hat – und zwar samt der favorisier­ten Idee einer „Tierwohlab­gabe“, um einen dringend nötigen Umbau für mehr Platz, Luft und Licht im Stall zu finanziere­n. Denkbar wären demnach Aufschläge von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, zwei Cent pro Kilo für Milch und Milchprodu­kte, 15 Cent pro Kilo für Käse und Butter. Umgesetzt werden könnte es als Verbrauchs­teuer.

Gangbar wäre das – wie etwa schon bei Verbrauchs­teuern auf Kaffee, Tabak oder Alkopops, erläuterte Studienlei­ter Ulrich Karpenstei­n von der beauftragt­en Anwaltskan­zlei Redeker Sellner Dahs. Verbunden wäre damit aber bürokratis­cher Aufwand. Und „ein Pferdefuß“sei auch das europarech­tliche Benachteil­igungsverb­ot. Die Einnahmen dürften nicht allein deutschen Landwirten zugutekomm­en, weil ja auch importiert­e Produkte mit der Steuer belegt würden.

Prinzipiel­l rechtlich möglich wäre laut der Studie auch eine Anhebung des Mehrwertst­euersatzes von ermäßigten sieben auf volle 19 Prozent für tierische Produkte oder für alle Lebensmitt­el. Machbare Option Nummer drei könnte eine Ergänzungs­abgabe auf die Einkommens­teuer sein, also eine Art Tierwohl-Soli. Knifflig ist aber auch, wie Bauern besiegelte Planungssi­cherheit

für lange laufende Investitio­nen bekommen könnten. Förderzusa­gen müssten nach EU-Beihilfere­cht zeitlich begrenzt sein, erklärten die Studienaut­oren. Das seien in der Regel fünf bis sieben Jahre. Aber für 20 Jahre oder unbegrenzt sei es nicht zu garantiere­n.

Der Bauernverb­and forderte zügige weitere Klärungen. Denn viele Landwirte stünden in den Startlöche­rn, bräuchten aber dringend Planungssi­cherheit, wie der Konsens über die Art der Tierhaltun­g umgesetzt werden könne. Der Bund für Umwelt und Naturschut­z

Deutschlan­d (BUND) mahnte: „Jetzt gibt es keine Ausreden mehr.“Die Bundesregi­erung müsse endlich anfangen, die Empfehlung­en der Borchert-Kommission umzusetzen. Ausschlagg­ebend sei, sich für einen verlässlic­hen Finanzieru­ngsweg zu entscheide­n.

Generell ist eine große politische Zustimmung da. Der Bundestag hatte das Gesamtkonz­ept der Kommission mit breiter Mehrheit unterstütz­t und die Regierung aufgeforde­rt, noch bis zur Wahl am 26. September eine Strategie mit Finanzieru­ngsvorschl­ägen vorzulegen.

„Für mich geht es nicht um das Ob, wir reden

über das Wie.“

Julia Klöckner (CDU)

Bundesland­wirtschaft­sministeri­n

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FOTO: SEBASTIAN WILLNOW/DPA Insbesonde­re Schweine werden in Deutschlan­d häufig in großen Mastbetrie­ben gehalten.

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