Lebenslügen an der Theke
Schauspieler Daniel Brühl führt im Berlinale-Film „Nebenan“erstmals Regie. Im Film geht es um eine Eckkneipe, Sülze und erstickende Geheimnisse.
wird der von Peter Kurth („Babylon Berlin“), mit beiger Hose und schlecht sitzendem Hemd. „Kann ich ein Autogramm haben?“, fragt Bruno trocken. Als Daniel auf einer Serviette unterschreibt, wischt sich Bruno damit den Mund ab. In den nächsten anderthalb Stunden wird er nicht nur Daniels Arbeit demontieren („Naja, Sie machen das auch nicht gut“), sondern auch dessen Leben. Mehr sei an der Stelle nicht verraten – aber man ahnt bald, was noch kommen wird.
Die Idee zum Film stammt von
Brühl, das Drehbuch von Schriftsteller Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“). Die zwei haben sich schon vor einiger Zeit kennengelernt. Herausgekommen ist nun ein interessantes Kammerspiel, das sich mit wichtigen Themen auseinandersetzt. Es geht um handfeste Lebenslügen, um noch immer schwelende Konflikte zwischen Ost- und West-Deutschen, um das Rollenverständnis von Mann und Frau.
Brühl zeigt als Regisseur ein Gefühl für Erzählrhythmus, für die
Wichtigkeit von Pausen und genaue Schauspielführung. Ziemlich authentisch wirkt zum Beispiel auch die Kneipenwirtin, gespielt von Rike Eckermann. Brühl verzichtet auf Extravaganzen – das ist optisch manchmal eher solide, aber manche Szenen sind richtig gut.
Etwa solche Momente, die wie nebenbei die Hohlheit des Schauspielers Daniel entlarven. Etwa wenn er vorgibt, er „liebe“die Kneipe – und dann stellt sich heraus, dass er weder die bekannte Sülze noch den Namen der Wirtin kennt.
Szenen wie diese reflektieren den Alltag der Stadt Berlin, erzählen von Verdrängung, Gentrifizierung, vom Neben- statt Miteinander vieler Menschen. Kehlmanns manchmal schwergewichtige Gedanken bekommen eine schöne Leichtigkeit.
Man möchte Daniel Brühl gerne fragen, wie er das selbst so hält in seinem Kiez, wie viel er in diesem Film von sich selbst preisgibt. Auch er lebt in Berlin, hat sogar eine Tapas-Bar im Stadtteil Kreuzberg eröffnet und gehört zu den erfolgreichsten Schauspielern des Landes. Doch während der digitalen Berlinale sind keine Interviews geplant.
Brühls Regiedebüt ist nun im Rennen um den Goldenen Bären. Insgesamt 15 Produktionen laufen im Wettbewerb. Wann man viele der Filme im Kino sehen wird, ist unklar. Noch sind Kinos in Deutschland wegen der Pandemie geschlossen.