Flammender Appell der Turner an die Landespolitik
Saarländischer Turnerbund verweist auf deutliche Mitglieder-Rückgänge beim Kinderturnen. Auch der Präventions- und Rehabilitationssport liege brach.
SAARBRÜCKEN Der Appell von Johannes Kopkow, dem neuen Sportvorstand des Landessportverbandes für das Saarland (LSVS), hätte eindeutiger nicht sein können. „Wir haben schon zu viel Zeit verloren“, hate Kopkow vor einer Woche gesagt und eine klare Öffnungs-Perspektive für den Amateur- und Breitensport im Saarland, insbesondere für die Kinder und Jugendlichen, gefordert.
Kurz vor dem mit Spannung erwarteten Bund-Länder-Treffen an diesem Mittwoch hat Kopkow deutliche und lautstarke Unterstützung erhalten. Der Saarländische Turnerbund, zweitgrößter Fachverband im LSVS mit 333 Vereinen und etwa 70 000 Mitgliedern, hat in einem offenen Brief an Ministerpräsident Tobias Hans, Gesundheitsministerin Monika Bachmann und Sportminister Klaus Bouillon (alle CDU) die Rückkehr in den Vereinssport gefordert – und dies mit besorgniserregenden Fakten untermauert.
Mit Blick auf das sportartenübergreifende Kinderturnen (kein anderer Verband arbeitet so intensiv mit Kindern zusammen) meldet der STB bei der Bestandserhebung 2021 einen Rückgang von 17 Prozent der Mitglieder im Altersbereich 0 bis 6 Jahre. „Dies ist weniger auf Austritte
zurückzuführen, sondern insbesondere auf die fehlenden Neueintritte. Somit besteht die Gefahr, dass eine ganze Generation von Kindern den Weg in den Vereinssport nicht findet“, schreiben STB-Präsident Jürgen Leiner und Geschäftsführer Karsten Kreis an die Landespolitiker.
Auch der Saarländische Fußball-Verband hat sich in gemeinsamen Erklärungen mit dem DFB sowie den Präsidenten der Regional
und Landesverbände für eine schnelle Öffnung ausgesprochen – immer unter der Wahrung der Hygienekonzepte, die schon im vergangenen Jahr erfolgreich angewendet worden waren. Auch hier zielt der Schwerpunkt insbesondere auf Kinder und Jugendliche ab, der STB verweist in seinem Brief zusätzlich vor allem auf den Präventions- und Rehabilitationssport: „Ihm werden unwiederbringlich Mitglieder und somit Patienten verloren gehen. Das Erhalten (Prävention) und das Wiederbringen (Rehabilitation) von physiologischen Fähigkeiten wird verzögert oder auch verhindert – ebenso in Bezug auf die psychosozialen Ressourcen. Denn die Pflege von sozialen Kontakten, wie sie die Menschen in unseren Vereinen erleben, wirkt sich neben der regelmäßigen Bewegung positiv auf das psychische Wohlbefinden aus.“
Wie in vielen Vereinen und Sportarten im Land versuchen auch die Turner, ihre Vereinsmitglieder mit Online-Angeboten bei der Stange zu halten. „Insbesondere ältere
Menschen sind auf diesem Weg aber nicht zu erreichen“, erklärt STB-Präsident Leiner: „Und wie lange sind unsere Multiplikatoren des Sports motiviert und bereit, sich weiterhin so engagiert einzubringen?“
Der STB warnt, dass der bereits lange Lockdown alarmierende Folgen für die Gesundheit haben werde. „Von daher ist es unbedingt notwendig, den Schutz vor Corona und die gesunderhaltende Wirkung von Bewegung miteinander abzuwägen“, erklärt Leiner und verweist auf eine Ankündigung von Bayerns Sportminister Joachim Herrmann am 19. Februar, für die Sportausübung Lösungen durch eine Arbeitsgruppe aus Gesundheitsministerium, Landessportverband und weiteren Vertretern des organisierten Sports erarbeiten zu lassen. „Dies wünschen wir uns auch für das Saarland“, schreibt der STB an Hans, Bachmann und Bouillon.
Der Verband beendet das Schreiben – wie LSVS-Vorstand Kopkow – mit einem flammenden Appell, in den Diskussionen endlich Berücksichtigung zu finden. „Wir wissen, dass Ihnen die gesellschaftlichen Leistungen des organisierten Sports bestens bekannt sind. Unsere Vereine können aber nur dann ihrer Rolle im Kinder- und Jugendbereich und als sozialer Kitt der Gesellschaft nachkommen, wenn sie baldmöglich eine Öffnungs-Perspektive erhalten. Unsere Kernkompetenz ist nämlich nicht die Freizeitbeschäftigung, sondern die Förderung des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens aller Menschen, was in der jetzigen Krise wichtiger ist denn je.“
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