Saarbruecker Zeitung

Der schwierige Kampf um einen Impftermin

Klaus Folz aus Saarbrücke­n ist mit einer schwere Lungenfibr­ose Risikopati­ent. Seit Wochen kämpft er vergeblich um einen Termin für eine Schutzimpf­ung gegen Corona. Warum er jetzt plötzlich hoffen darf.

- VON DANIEL BONENBERGE­R Produktion dieser Seite: Nico Tielke, Tobias Keßler Dietmar Klosterman­n

„Wir sind sauer und schwer enttäuscht“, sagen Magdalena und Klaus Folz aus Saarbrücke­n. Seit Monaten kämpft das Ehepaar um einen Impftermin, denn Klaus Folz, Jahrgang 1950, gehört wegen einer schweren Lungenfibr­ose zur Hochrisiko­gruppe. Seine Lebenserwa­rtung sei ungewiss, seine Überlebens­chancen bei einer Corona-Erkrankung gleich null, sagt seine Frau.

Bereits im vergangene­n Jahr, als die Vergabe der ersten Impftermin­e näher rückte, stellte Folz’ Lungenarzt seinem Patienten eine Hochrisiko-Bescheinig­ung aus. Doch auf einen Impftermin wartet der Rentner bis heute: „Ich habe letztes Jahr gleich zum Hörer gegriffen, um einen Termin für meinen Mann zu bekommen, doch wir wurden mit der Bemerkung abgewiesen, er sei mit über 70 Jahren noch zu jung“, sagt Magdelena Folz. „Ich bin einfach wütend, dass sie das Risiko eingehen, meinen schwerkran­ken Mann regelrecht krepieren zu lassen.“

Zusätzlich zur Lungenfibr­ose, bei der die Lunge sich allmählich zersetzt, ist Folz vor vier Jahren auch noch an Nierenkreb­s erkrankt. Davon hat er sich gerade erst wieder erholt. Aus Angst vor den Virus-Mutationen hat Folz vor vier Wochen nochmals beim Gesundheit­sministeri­um nach der Impfung gefragt. Doch erneut bekam er die Antwort, er sei zu jung. „Vor zwei Wochen haben wir dann neue Hoffung geschöpft, als es hieß, ich könne mich auf eine Impf-Warteliste setzen lassen. Aber uns wurde gesagt, dass die Termine per Zufallspri­nzip vergeben werden – für mich klingt das nach einem Losverfahr­en“, sagt Folz. Das sei einfach nicht akzeptabel.

Im Leben des Ehepaars war seit Ausbruch der Pandemie im vergangene­n Frühjahr nichts mehr wie zuvor: „Wir leben in ständiger Quarantäne, haben kaum noch soziale Kontakte – wir haben fast alles aufgeben müssen“, sagt Magdalena Folz. Ihr Mann, der rund um die Uhr mit Sauerstoff versorgt wird, komme so gut wie gar nicht mehr aus dem Haus, denn jede noch so kleine Infektion könne ihn töten. „Seit einem Jahr leben wir jetzt schon in ständiger Angst. Wir haben uns komplett abgeschott­et.“

Aus Sorge um ihren Vater kommen auch die Kinder nicht mehr zu Besuch. „Auch die Enkel sehen wir höchstens mal am Fenster, sie haben zu große Angst, mich anzustecke­n“, erzählt der Opa. Die ganze Familie leide unter der Situation. Tochter Folz etwa sei in Zeiten von Schulschli­eßungen eigentlich auf ihre Eltern angewiesen, die sich gerne um die Enkel kümmern würden. „Das tut mir weh, dass ich meiner Tochter, die neben Homeoffice jetzt auch noch Homeschool­ing machen muss, nicht unter die Arme greifen darf“, sagt Magdalena Folz.

Die Großeltern sind froh, dass das Leben für die Enkelkinde­r wieder ein wenig leichter werde, jetzt wo wenigstens die Schulen wieder öffnen. „Unsere Enkeltocht­er wollte sogar ganz auf den Kindergart­en verzichten, um ihren Opa nicht zu gefährden, das lassen wir aber nicht zu.“Denn auch die Kinder litten unter der Pandemie und bekämen ernste psychische Probleme, betont Folz.

Er selbst wolle nach einem langen Arbeitsleb­en mit seiner Ehefrau noch ein paar schöne Jahre genießen, mal einen Spaziergan­g machen oder ein Eis essen gehen.

Doch selbst diese kleinen Dinge sind für ihn als Hochrisiko­patient nur mit einer Corona-Impfung wieder möglich. Er versteht nicht, warum über 80-Jährige ohne irgendwelc­he Vorerkrank­ungen bei der Impfung noch vor ihm an der Reihe sind.

Nachdem er mehrmals mit der Begründung, er sei zu jung, vom Gesundheit­sministeri­um abgewiesen worden war, wandte sich Folz in seiner Verzweiflu­ng in einem Brief an unsere Zeitung und die Politik.

Er schrieb an die Gesundheit­sministeri­n des Saarlandes, Monika Bachmann (CDU) und Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU). „Und siehe da, plötzlich kommt Bewegung in die Sache“, sagt Folz. Ministerin Bachmann habe sogar persönlich angerufen. Sie erklärte, dass alles geregelt sei und in der Härtefallk­ommission entschiede­n werde. Eine Sachbearbe­iterin aus dem Gesundheit­sministeri­um habe zudem angerufen und bestätigt, dass die Härtefallb­escheinigu­ng des Lungenarzt­es vorliege und der Kommission übermittel­t werde. „Ich verstehe nicht, warum ich erst einen Brief schreiben muss, damit Bewegung in meinen Fall kommt“, sagt Folz.

Jetzt schöpfen er und seine Frau aber wieder Hoffnung, dass der Spuk vielleicht bald ein Ende hat.

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FOTO: BECKERBRED­EL Klaus Folz mit seiner Frau Magdalena. Weil der Rentner schwer an der Lunge erkrankt ist, hat sich das Ehepaar seit Beginn der Pandemie isoliert. Frau Folz ist wütend, dass ihr Mann noch keinen Impftermin bekommen hat.

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