Super-Flugzeug bringt Saar-Technik in die USA
Manchmal muss es ganz schnell gehen: Das Merziger Unternehmen Kleemann braucht kurzfristig den Riesenflieger Antonov AN 124. Der Spezialauftrag wird ganz diskret abgewickelt.
Es ist ein kleines Wunder, sie hier zu sehen: kurzfristig auf dem Cargo-Flughafen in Luxemburg-Findel. Normalerweise fliegt sie das ganze Jahr über rund um die Welt, wird gerne in „Notfällen“gebucht, wenn es ganz besonders schnell gehen muss. Wenn alle anderen Transportmittel an ihre Grenzen stoßen, dann kommt sie ins Spiel: Die Antonov. Ein atemberaubender Moment, respekteinflößend. So sieht er also aus, der Gigant der Lüfte, der Goliath im weltweiten Frachtflugverkehr, das Flugzeug mit nahezu unfassbar großen Ausmaßen: Die Antonov AN 124, das größte zivile Frachtflugzeug der Welt.
Je näher man ihr kommt, desto mehr hat man das Gefühl, die Welt aus der Perspektive einer Ameise zu sehen. Allein ihr Seitenleitwerk ist so hoch wie ein siebenstöckiges Gebäude, ihre Spannweite so breit wie ein Häuserblock. Fotofans reisen kreuz und quer durch Europa, für einen der heiß begehrten Momente, wenn sich die Maschine einem Flughafen nähert. Wer sie bucht, nimmt viel Geld in die Hand. Alles, was möglichst schnell um den Globus transportiert werden muss und von der Dimension her nirgendwo sonst hineinpasst, passt immer noch in die Antonov. Ihr „Bauch“bietet so viel Platz, dass man zum Beispiel bis zu 42 Autos gleichzeitig im Laderaum verstauen könnte. Doch dieses Mal geht es um etwas ganz Besonderes: Um einen millionenschweren Eilauftrag und eine besondere Mission. Deren Spur führt ins Saarland. Und hier kommen Spezialisten ins Spiel, die auf ihrem Gebiet zugleich über Diskretion und jede Menge Fachkenntnisse verfügen. Auch sie ruft man gerne, wenn zugleich höchste Präzision und Schnelligkeit gefragt sind. Der technische Geschäftsführer Christoph Schmal (42) und Verkaufsleiter Thomas Armer (57) von der in Merzig ansässigen Kleemann GmbH für Verpackungssysteme und Projektlogistik haben den Sonderauftrag über mehrere Wochen bis in kleinste Details
mit dem Kunden und der Fluggesellschaft Volga-DNEPR und dem Agenten ACS durchgeplant.
Christoph Schmal hat vom ersten Tag an direkten Kontakt zur Airline gepflegt. Anhand des Querschnitts der Antonov – inklusive Angaben des Schwerpunkts – wurden Ladepläne erstellt und mehrfach geändert. Jede Kiste bekommt, je nach Gewicht, einen bestimmten Platz zugewiesen, damit sich während des langen Fluges keinesfalls der Schwerpunkt der Maschine verschieben kann. Die Antonov ist auch als einziges Flugzeug dazu in der Lage, Kisten mit einer Höhe von vier Metern zu laden. Armer kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen, 35 Jahre gehört er schon zum Team der Verpackungsspezialisten von Kleemann. „Wir hatten schon Kunden, die Waren inklusive Stahlkonstruktionen mit einem Gesamtgewicht von 50 bis 60 Tonnen mit unseren Verpackungen ins Ausland transportiert haben“, erzählt Armer. Doch selbst er und Geschäftsführer Christoph Schmal stehen bei der Ankunft auf dem Cargo-Flughafen Findel erstmal fasziniert vor dem
Riesenflieger, bevor es hoch konzentriert an die mehrstündige Verladearbeit geht. Die Antonov-Crew mit ihren Technikern und Ladespezialisten stehen ebenfalls bereit. Gespräche mit der Crew sind nicht möglich. Jeder hat seine Aufgabe, es geht um höchste Präzision, Millimeterarbeit und Zeitgewinn. Jede Verzögerung würde den Flugplan beeinträchtigen und die Kosten noch weiter erhöhen. Mehrere Schwertransporter haben zuvor die wertvolle Fracht, verteilt auf über ein Dutzend unterschiedlich große Kisten, vom Saarland aus direkt an den Flieger gebracht. Auch das war minutiöses Timing.
Über den Kunden, der den Auftrag vergeben hat, herrscht Stillschweigen. Das Geschäft mit High Tech aus dem Saarland lebt von der Diskretion. Nur so viel ist zu erfahren: In Amerika werden die hochwertigen Teile sehnlichst erwartet.
Schon der Anfang des Verladevorgangs beginnt mit einem gigantischen Schauspiel, das erneut Spezialtechnik erfordert, die die Antonov mit sich führt. Denn der Riesenflieger kann von vorne und von hinten beladen werden. Doch um die erste, besonders groß dimensionierte Kiste sicher im „Bauch“des Fliegers verstauen zu können, ist ein besonderes Manöver notwendig. So hebt sich ganz langsam, wie von Geisterhand gezogen, nach und nach der Bug der Maschine. So muss es wohl auch aussehen, wenn ein Wal sein großes Maul öffnet. Dieser Vorgang dauert mehrere Minuten. Schließlich verschwindet sogar das Cockpit hinter der nun nach oben geöffneten Flugzeugspitze.
Was für ein Anblick! Der Laderaum scheint auf den ersten Blick endlos zu sein. Das Abenteuer kann beginnen. Der Lademeister der Antonov 124, der den gesamten Ladevorgang und die Logistik überwacht, bespricht mit Christoph Schmal und Thomas Armer alle Details inklusive der Reihenfolge der zu platzierenden Kisten. Die müssen mit Ketten an ihren vorbestimmten Plätzen so festgezurrt werden, dass selbst ein heftiger Sturm nicht das Geringste an ihrer Position ändern könnte. Schon die geringste Verlagerung könnte den Schwerpunkt des Flugzeugs ändern und es ernsthaft gefährden.
Die vordere Frachtluke des Riesenfliegers kann zum Beladen hydraulisch geöffnet und zugleich abgesenkt werden. Um die erste groß dimensionierte Kiste sicher an Bord zu bringen, wird diese über eine spezielle Laderampe millimetergenau in das Innere der Antonov bis hin zu ihrem vorgesehenen Platz befördert.
Auch die Verladung der übrigen Kisten über das Heck der Antonov ist ein technisches Meisterwerk. Zum Zubehör der Maschine gehören spezielle, im Frachtraum eingebaute Kräne, die elektronisch von den Technikern der Besatzung gelenkt werden. Jede einzelne von den saarländischen Verpackungsspezialisten gebaute und mit Inhalt bestückte Kiste wird nach und nach an ihren Platz befördert. Nach rund sechs Stunden schließen sich die Türen des Frachtraums wieder. Und der Gigant bahnt sich kurze Zeit später seinen Weg am Himmel mit Kurs USA.
Für Christoph Schmal war es bisher einer der spektakulärsten Aufträge. Doch die besondere Kompetenz des Verpackungs- und Logistik-Unternehmens Kleemann hat schon eine lange Tradition. Hubertus Kleemann startet 1953 mit einer Palettenproduktion, Anfang der 70er Jahre wird erweitert auf Verpackungen für Maschinen, Ersatzteile, industrielle Ausrüstungen und Anlagenkomponenten, die wahlweise per Schiff, Lkw und Flugzeug transportiert werden können. Schon seit mehreren Jahrzehnten steht Ursula Schmal als Geschäftsführerin an der Spitze. Sohn Christoph hat sozusagen von Kind an seine Begeisterung für Verpackungen entdeckt, was nicht weiter verwundert: „Einer meiner Großväter war Schreiner, der andere Holzkaufmann.“Christoph selbst ist gelernter Zimmerer. Kleemann hat schon häufiger scheinbar Unmögliches möglich gemacht. So wurden mit Hilfe der Merziger Spezialisten schon ganze Kraftwerke und Hochöfen verpackt, etwa das frühere Kraftwerk Bexbach II demontiert und dann nach Indien verfrachtet.
Christoph Schmal hat im Rahmen zahlreicher Sonderaufträge schon viel gesehen von der Welt. Indien, China, Mexiko oder auch Saudi-Arabien. Der saarländische Geschäftsmann ist sicher, dass der Markt für Spezialverpackungen von Industrieanlagen und ganzen Werken im Rahmen der Globalisierung noch weiter wachsen wird. Kleemann will auch bei den künftigen Projekten weiter auf Holzverpackungen setzen, weil diese zugleich am leichtesten und stabilsten seien. Die Saarländer haben sich auf diesem Gebiet einen vielbeachteten Ruf erworben. „Wir sind inzwischen weltweit bekannt und transportieren alles außer radioaktiven Stoffen.“Vielleicht ja auch mal wieder mit einer Antonov.