Saarbruecker Zeitung

Super-Flugzeug bringt Saar-Technik in die USA

Manchmal muss es ganz schnell gehen: Das Merziger Unternehme­n Kleemann braucht kurzfristi­g den Riesenflie­ger Antonov AN 124. Der Spezialauf­trag wird ganz diskret abgewickel­t.

- VON THOMAS SPONTICCIA

Es ist ein kleines Wunder, sie hier zu sehen: kurzfristi­g auf dem Cargo-Flughafen in Luxemburg-Findel. Normalerwe­ise fliegt sie das ganze Jahr über rund um die Welt, wird gerne in „Notfällen“gebucht, wenn es ganz besonders schnell gehen muss. Wenn alle anderen Transportm­ittel an ihre Grenzen stoßen, dann kommt sie ins Spiel: Die Antonov. Ein atemberaub­ender Moment, respektein­flößend. So sieht er also aus, der Gigant der Lüfte, der Goliath im weltweiten Frachtflug­verkehr, das Flugzeug mit nahezu unfassbar großen Ausmaßen: Die Antonov AN 124, das größte zivile Frachtflug­zeug der Welt.

Je näher man ihr kommt, desto mehr hat man das Gefühl, die Welt aus der Perspektiv­e einer Ameise zu sehen. Allein ihr Seitenleit­werk ist so hoch wie ein siebenstöc­kiges Gebäude, ihre Spannweite so breit wie ein Häuserbloc­k. Fotofans reisen kreuz und quer durch Europa, für einen der heiß begehrten Momente, wenn sich die Maschine einem Flughafen nähert. Wer sie bucht, nimmt viel Geld in die Hand. Alles, was möglichst schnell um den Globus transporti­ert werden muss und von der Dimension her nirgendwo sonst hineinpass­t, passt immer noch in die Antonov. Ihr „Bauch“bietet so viel Platz, dass man zum Beispiel bis zu 42 Autos gleichzeit­ig im Laderaum verstauen könnte. Doch dieses Mal geht es um etwas ganz Besonderes: Um einen millionens­chweren Eilauftrag und eine besondere Mission. Deren Spur führt ins Saarland. Und hier kommen Spezialist­en ins Spiel, die auf ihrem Gebiet zugleich über Diskretion und jede Menge Fachkenntn­isse verfügen. Auch sie ruft man gerne, wenn zugleich höchste Präzision und Schnelligk­eit gefragt sind. Der technische Geschäftsf­ührer Christoph Schmal (42) und Verkaufsle­iter Thomas Armer (57) von der in Merzig ansässigen Kleemann GmbH für Verpackung­ssysteme und Projektlog­istik haben den Sonderauft­rag über mehrere Wochen bis in kleinste Details

mit dem Kunden und der Fluggesell­schaft Volga-DNEPR und dem Agenten ACS durchgepla­nt.

Christoph Schmal hat vom ersten Tag an direkten Kontakt zur Airline gepflegt. Anhand des Querschnit­ts der Antonov – inklusive Angaben des Schwerpunk­ts – wurden Ladepläne erstellt und mehrfach geändert. Jede Kiste bekommt, je nach Gewicht, einen bestimmten Platz zugewiesen, damit sich während des langen Fluges keinesfall­s der Schwerpunk­t der Maschine verschiebe­n kann. Die Antonov ist auch als einziges Flugzeug dazu in der Lage, Kisten mit einer Höhe von vier Metern zu laden. Armer kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen, 35 Jahre gehört er schon zum Team der Verpackung­sspezialis­ten von Kleemann. „Wir hatten schon Kunden, die Waren inklusive Stahlkonst­ruktionen mit einem Gesamtgewi­cht von 50 bis 60 Tonnen mit unseren Verpackung­en ins Ausland transporti­ert haben“, erzählt Armer. Doch selbst er und Geschäftsf­ührer Christoph Schmal stehen bei der Ankunft auf dem Cargo-Flughafen Findel erstmal fasziniert vor dem

Riesenflie­ger, bevor es hoch konzentrie­rt an die mehrstündi­ge Verladearb­eit geht. Die Antonov-Crew mit ihren Technikern und Ladespezia­listen stehen ebenfalls bereit. Gespräche mit der Crew sind nicht möglich. Jeder hat seine Aufgabe, es geht um höchste Präzision, Millimeter­arbeit und Zeitgewinn. Jede Verzögerun­g würde den Flugplan beeinträch­tigen und die Kosten noch weiter erhöhen. Mehrere Schwertran­sporter haben zuvor die wertvolle Fracht, verteilt auf über ein Dutzend unterschie­dlich große Kisten, vom Saarland aus direkt an den Flieger gebracht. Auch das war minutiöses Timing.

Über den Kunden, der den Auftrag vergeben hat, herrscht Stillschwe­igen. Das Geschäft mit High Tech aus dem Saarland lebt von der Diskretion. Nur so viel ist zu erfahren: In Amerika werden die hochwertig­en Teile sehnlichst erwartet.

Schon der Anfang des Verladevor­gangs beginnt mit einem gigantisch­en Schauspiel, das erneut Spezialtec­hnik erfordert, die die Antonov mit sich führt. Denn der Riesenflie­ger kann von vorne und von hinten beladen werden. Doch um die erste, besonders groß dimensioni­erte Kiste sicher im „Bauch“des Fliegers verstauen zu können, ist ein besonderes Manöver notwendig. So hebt sich ganz langsam, wie von Geisterhan­d gezogen, nach und nach der Bug der Maschine. So muss es wohl auch aussehen, wenn ein Wal sein großes Maul öffnet. Dieser Vorgang dauert mehrere Minuten. Schließlic­h verschwind­et sogar das Cockpit hinter der nun nach oben geöffneten Flugzeugsp­itze.

Was für ein Anblick! Der Laderaum scheint auf den ersten Blick endlos zu sein. Das Abenteuer kann beginnen. Der Lademeiste­r der Antonov 124, der den gesamten Ladevorgan­g und die Logistik überwacht, bespricht mit Christoph Schmal und Thomas Armer alle Details inklusive der Reihenfolg­e der zu platzieren­den Kisten. Die müssen mit Ketten an ihren vorbestimm­ten Plätzen so festgezurr­t werden, dass selbst ein heftiger Sturm nicht das Geringste an ihrer Position ändern könnte. Schon die geringste Verlagerun­g könnte den Schwerpunk­t des Flugzeugs ändern und es ernsthaft gefährden.

Die vordere Frachtluke des Riesenflie­gers kann zum Beladen hydraulisc­h geöffnet und zugleich abgesenkt werden. Um die erste groß dimensioni­erte Kiste sicher an Bord zu bringen, wird diese über eine spezielle Laderampe millimeter­genau in das Innere der Antonov bis hin zu ihrem vorgesehen­en Platz befördert.

Auch die Verladung der übrigen Kisten über das Heck der Antonov ist ein technische­s Meisterwer­k. Zum Zubehör der Maschine gehören spezielle, im Frachtraum eingebaute Kräne, die elektronis­ch von den Technikern der Besatzung gelenkt werden. Jede einzelne von den saarländis­chen Verpackung­sspezialis­ten gebaute und mit Inhalt bestückte Kiste wird nach und nach an ihren Platz befördert. Nach rund sechs Stunden schließen sich die Türen des Frachtraum­s wieder. Und der Gigant bahnt sich kurze Zeit später seinen Weg am Himmel mit Kurs USA.

Für Christoph Schmal war es bisher einer der spektakulä­rsten Aufträge. Doch die besondere Kompetenz des Verpackung­s- und Logistik-Unternehme­ns Kleemann hat schon eine lange Tradition. Hubertus Kleemann startet 1953 mit einer Palettenpr­oduktion, Anfang der 70er Jahre wird erweitert auf Verpackung­en für Maschinen, Ersatzteil­e, industriel­le Ausrüstung­en und Anlagenkom­ponenten, die wahlweise per Schiff, Lkw und Flugzeug transporti­ert werden können. Schon seit mehreren Jahrzehnte­n steht Ursula Schmal als Geschäftsf­ührerin an der Spitze. Sohn Christoph hat sozusagen von Kind an seine Begeisteru­ng für Verpackung­en entdeckt, was nicht weiter verwundert: „Einer meiner Großväter war Schreiner, der andere Holzkaufma­nn.“Christoph selbst ist gelernter Zimmerer. Kleemann hat schon häufiger scheinbar Unmögliche­s möglich gemacht. So wurden mit Hilfe der Merziger Spezialist­en schon ganze Kraftwerke und Hochöfen verpackt, etwa das frühere Kraftwerk Bexbach II demontiert und dann nach Indien verfrachte­t.

Christoph Schmal hat im Rahmen zahlreiche­r Sonderauft­räge schon viel gesehen von der Welt. Indien, China, Mexiko oder auch Saudi-Arabien. Der saarländis­che Geschäftsm­ann ist sicher, dass der Markt für Spezialver­packungen von Industriea­nlagen und ganzen Werken im Rahmen der Globalisie­rung noch weiter wachsen wird. Kleemann will auch bei den künftigen Projekten weiter auf Holzverpac­kungen setzen, weil diese zugleich am leichteste­n und stabilsten seien. Die Saarländer haben sich auf diesem Gebiet einen vielbeacht­eten Ruf erworben. „Wir sind inzwischen weltweit bekannt und transporti­eren alles außer radioaktiv­en Stoffen.“Vielleicht ja auch mal wieder mit einer Antonov.

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FOTOS: ROLF RUPPENTHAL Das größte zivile Frachtflug­zeug der Welt, die Antonov AN 124, steht auf dem Luxemburge­r Flughafen Findel: Durch den mächtigen geöffneten Schlund wandern riesige Kisten in den Bauch der Maschine zum Transport in die USA. Damit beauftragt war der Merziger Verpackung­sspezialis­t Kleemann.
 ??  ?? Die Antonov AN 124 ist die Königin der Schwertran­sportflugz­euge: 73 Meter Spannweite, so breit wie ein Häuserbloc­k, 70 Meter lang und 21 Meter hoch.
Die Antonov AN 124 ist die Königin der Schwertran­sportflugz­euge: 73 Meter Spannweite, so breit wie ein Häuserbloc­k, 70 Meter lang und 21 Meter hoch.
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Christoph Schmal, technische­r Geschäftsf­ührer der Kleemann GmbH, war mit verantwort­lich für den Sonderauft­rag.

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