Die Wut der Abgehängten
Auf der „Einbahnstraße in Richtung Freiheit.“Englands Premier Boris Johnson hat mit dem Hinweis auf die erfolgreiche Impfkampagne den Ausstieg aus dem Lockdown verkündet. Viele der durch die Pandemie und den Brexit gebeutelten Insulaner dürfte das freuen. Viele, aber längst nicht alle.
Die „Sleaford Mods“erheben im Namen der Abgehängten Einspruch. Machen mal wieder ihrem Ärger Luft – mit viel Bass (Andrew Fearn) und knallharter Slam Poetry. Dargeboten im markanten Midlands-Dialekt von Sänger Jason Williamson. Auf ihrem aktuellen Album „Spare Ribs“gehen sie mit dem Krisenmanagement der englischen Regierung ins Gericht, prangern explizit die Unfähigkeit des Premiers Johnson („idiot“) an. Der Song „Mork’N’Mindy“(mit Gastsängerin Billy Nomates) mit seinem eingängigen Refrain „You go too high too low / It doesn’t make a difference I know“bringt es auf den Punkt: Jegliches Streben ist vergeudete Liebesmüh’. Im Video „performt“das Duo in Jogginghosen zwischen Umzugskartons in einer heruntergekommenenWohnung.
Tristesse, Stillstand und Isolation sind garantiert. Von den Herrschenden verordnet, Hauptsache die Wirtschaft brummt, so das Narrativ.
Bereits seit 2007 klagt das aus dem nach Fisch stinkenden (Sänger Williamsion) Kleinstädtchen Sleaford stammende Elektropunk-Duo die britischen Zustände an. Und erfreut sich auch hierzulande einer stetig wachsenden Hörerschaft und eines breiten Medienechos. Von den Fans als „die authentische Stimme der wahren britischen Seele“gefeiert, waren sie bereits mit ihrem letzten Album „Eton Alive“ in den englischen Top Ten. Auf „Spare Ribs“gibt es in gewohnter Manier vierzig Minuten mächtig auf die Ohren: Fearn hat die bollernden Beats fein justiert für seinen wortgewandt pöbelnden und fluchenden Kollegen. Rassismus oder Misogynie Fehlanzeige. Vielmehr treibt sie die Sorge um eine Explosion der eingesperrten ärmeren Bevölkerung um. Und damit haben sie nicht unrecht, wie mit so vielem auf diesem Soundtrack der Krise, der es gewaltig in sich hat.