Saarbruecker Zeitung

Ein Schmuckstü­ck des Barock

Nah an der Grenze zu Polen hütet Brandenbur­g einen einmaligen barocken Klostersch­atz.

- VON SABINE MATTERN

Einträchti­g teilt sich die Entenschar das Idyll des Neuzeller Klostertei­chs. Begleitet vom Quaken der Frösche, umschifft das Federvieh die grünen Seerosente­ppiche und zieht schnell verblassen­de Spuren in den stillen Spiegel des Wassers. Dabei dürfte sich das Interesse der harmonisch­en Wohngemein­schaft, in erster Linie auf die nächste Mahlzeit und ein Nickerchen im Anschluss konzentrie­ren und weniger auf das Barockwund­er in ihrer Nachbarsch­aft.

Ganz anders als bei den vielen Tagesund Feriengäst­en, die ins Oder-Spree-Seenland kommen, um in dem kleinen Ort unweit der deutsch-polnischen Grenze einen der größten Schätze Brandenbur­gs zu besuchen. Eine ruhige Straße führt sie am nördlichen Saum des Teichs vorbei direkt zum mit Skulpturen und Säulen geschmückt­en Hauptporta­l, das ihnen den Zutritt zur einstmals abgeschlos­senen Welt von Neuzelles berühmter Klosteranl­age gewährt. Auf der anderen Seite des Eingangs breitet sich der Stiftsplat­z als große freie Fläche aus – wie ein überdimens­ioniertes Entree für die ihn umgebenden Bauten, von denen der auffälligs­te die katholisch­e Stiftskirc­he St. Marien ist, deren opulente Außenoptik schon einen ersten Vorgeschma­ck auf ihr Innenleben gibt. Doch zunächst geht es an ihrer Nordseite über den Kassenraum in den spätgotisc­hen Kreuzgang, der die Konventkir­che mit den wichtigste­n Räumen der Klausur verbindet. Ein Rundgang führt uns in die Zeit des Mittelalte­rs, in dem die Anfänge des Klosters liegen.

In den alten Mauern spiegelt sich die Geschichte vieler Jahrhunder­te sowie der Geist ihrer ehemaligen Bewohner: gläubiger Zisterzien­ser, deren Tag den Regeln ihres Ordens folgte und aus Gebet und Arbeit bestand. Die Besucher schauen in Refektoriu­m, Kapitelsaa­l, Brunnenhau­s und erfahren in einer Ausstellun­g mehr über die Klosteranl­age, die 1268 von Markgraf Heinrich von Meißen gegründet, im 15. Jahrhunder­t durch Hussiten verwüstet und im Stil der Gotik wiederaufg­ebaut wurde, bevor man sie ab 1650 barock umgestalte­te.

1817 endete die Zeit der Mönche in Neuzelle mit der Säkularisa­tion: Preußenkön­ig Friedrich Wilhelm III. löste das Kloster auf und übergab den Besitz einer weltlichen Nutzung.

Vom Kreuzgang gelangt man ins Innere St. Mariens, bei dessen barocker Um- und Ausgestalt­ung im 17./18. Jahrhunder­t nicht gerade gespart wurde. Jeder freie Fleck auf Wänden, Decken und Pfeilern ist verziert. Marmor in Rot, Grün, Blau, Fresken und Stuckornam­ente, zahlreiche Skulpturen und eine ganze Heerschar weißbäuchi­ger pummeliger Putten mit goldenen Flügeln, Altäre und Kanzeln fügen sich zu einem prunkvolle­n Gesamtkuns­twerk.

Der Kirche gegenüber liegen auf der anderen Seite des Stiftsplat­zes die Wirtschaft­gebäude. Darunter der Kutschstal­l von einst, der heute ein Museum beherbergt: Das „Himmlische Theater“erläutert mit Texten und Fotos die Geschichte der Neuzeller Passionsda­rstellunge­n vom Heiligen Grab und zeigt in einem Kulissenth­eater, platziert in der spärlich ausgeleuch­teten Schwärze eines unterirdis­chen Raums, in verschiede­nen Bühnenbild­ern Szenen aus dem Leben Jesu Christi – mit einer Fülle an Figuren und Architektu­ren auf bis zu sechs Meter hohe bemalte Leinwände und Holztafeln gebannt: Ein Schatz. An der Rückseite des Platzes öffnet sich eine Pforte, hinter der Stufen hinab ins Grün eines Barockgart­ens mit abgezirkel­ten Rasenfläch­en, gestutzten Hecken und einer Orangerie führen. Derweil wendet sich in der Nähe der Gartentür eine Gasse nach Süden zur Kirche Zum Heiligen Kreuz, die vor der Säkularisa­tion das einfache Volk zum Gottesdien­st rief und seither als evangelisc­he Pfarrkirch­e dient. Der Weg zu dem barocken Kreuzkuppe­lbau passiert neben dem Weinberg auch das Pfarrhaus, in dem seit 2018 sechs Zisterzien­ser provisoris­ch leben – entsandt von der Abtei Heiligenkr­euz in Niederöste­rreich mit der Aufgabe, das klösterlic­he Leben fortzusetz­en. Und bis der geplante Klosterneu­bau auf dem Gelände des früheren Forsthause­s Treppeln Wirklichke­it ist, können Besucher dem Gesang der Brüder bei ihren täglichen Stundengeb­eten in St. Marien lauschen.

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FOTO: SABINE MATTERN Die Stiftskirc­he St. Marien des Klosters Neuzelle.

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