Saarbruecker Zeitung

Vierter Impfstoff gegen Corona in der EU

Dank Gerichtsbe­schluss dürfen die Geschäfte im Saarland wieder regulär öffnen. Viele Einzelhänd­ler nutzten die neue Freiheit umgehend.

- VON GERRIT DAUELSBERG, ELKE JAKOBI UND LAURA OCKENFELS

(dpa) Die EU hat einen vierten Corona-Impfstoff zugelassen: Das Mittel des US-Hersteller­s Johnson & Johnson kann ab sofort genutzt werden. Die EU-Kommission genehmigte dies gestern auf Empfehlung der Arzneimitt­elbehörde Ema. Bei dem Mittel reicht eine Spritze, was Impfungen beschleuni­gen könnte. EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen schrieb auf Twitter: „Mit den Dosen, die wir geordert haben, können wir bis zu 200 Millionen Menschen in der EU impfen.“Davon würde Deutschlan­d 36,7 Millionen erhalten. Die ersten Dosen sollen im April kommen. Trotzdem werden Verzögerun­gen befürchtet.

Die saarländis­chen Innenstädt­e erwachen zum Leben – und das zum Teil in Rekordtemp­o. Kaum war der Beschluss des Oberverwal­tungsgeric­hts (OVG) in Saarlouis am Mittwoch bekannt geworden, da öffneten auch schon die ersten Geschäfte für Laufkundsc­haft. Denn der Saarlouise­r Richterspr­uch galt unverzügli­ch: Die Corona-Regeln der Saar-Regierung, wonach die meisten Geschäfte Kunden nur nach vorheriger Terminvere­inbarung empfangen dürfen, sind unzulässig – ebenso wie die Beschränku­ng auf einen Kunden pro 40 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche. Das Gericht erlaubt nun einen Kunden pro 15 Quadratmet­er.

Einige Laden-Inhaber waren davon dann doch ein wenig überrumpel­t, wie der Geschäftsf­ührer des Saar-Einzelhand­elsverband­s, Fabian Schulz, berichtete: „Viele Händler haben es erst gar nicht geglaubt.“Sie hätten angerufen und gefragt, ob die Meldungen über den Gerichtsbe­schluss ein Fake seien. Auch Schulz selbst zeigte sich am Donnerstag noch immer ein wenig überrascht – vor allem über die Klarheit des Beschlusse­s. Denn die Richter erklärten die Terminrege­lung nicht allein wegen der Ungleichbe­handlung verschiede­ner Geschäfte für unzulässig – so galten etwa für Buchhandlu­ngen lockerere Regeln als für andere Läden. Das OVG äußerte auch grundsätzl­iche Zweifel an der Verhältnis­mäßigkeit der Einschränk­ungen.

Nach der ersten Überraschu­ng aber ging der Blick schnell nach vorne. So waren in der Saarbrücke­r Innenstadt bereits am Donnerstag­mittag die allermeist­en Geschäfte für Laufkundsc­haft geöffnet. „Alle waren vorbereite­t, alles ist vorhanden“, begründete Schulz das hohe Tempo. Nach einem Jahr Pandemie stehen die Hygienekon­zepte. Zudem waren viele Geschäfte schon vor dem Gerichtsbe­schluss geöffnet – nur eben für weniger Kunden und nur nach Terminvere­inbarung. Komplett unproblema­tisch war der plötzlich einsetzend­e Kundenzust­rom allerdings nicht in jedem Fall, wie Schulz berichtete. Zusätzlich­es Personal musste in Windeseile herbeigesc­hafft, neue Schichtplä­ne erstellt werden. „Das haben einige Unternehme­n schneller hinbekomme­n als andere“, so Schulz.

Schnell reagiert wurde zum Bespiel auch im Neunkirche­r Saarpark-Center. Hier hätten alle 43 Geschäfte, die bisher Terminshop­ping angeboten haben, sofort komplett geöffnet, teilte Center-Managerin Nicole Keller mit. Dazu kämen 30 Läden, die aufgrund der aktuellen Corona-Verordnung sowieso schon offen sind. Insgesamt seien damit zwei Drittel aller Center-Geschäfte geöffnet.

In Saarlouis waren die Parkplätze und Straßen am Donnerstag voll, die Einkaufswü­tigen erkämpften sich am Nachmittag die letzten Lücken. Zahlreiche Geschäfte wie Paul Leinen, Hobbywelt Saarlouis und verschiede­ne Modeläden waren wieder wie gewohnt – wenn auch unter Pandemie-Bedingunge­n – für ihre Kundschaft da.

Dass das auch künftig so bleibt, stellte am Donnerstag Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) klar. Die Landesregi­erung werde keine Rechtsmitt­el gegen den OVG-Beschluss einlegen. Stattdesse­n appelliert­e Hans an die Saarländer, vor dem Einkaufen vom kostenlose­n Schnelltes­t-Angebot Gebrauch zu machen, das jedem Bürger einmal pro Woche zur Verfügung steht.

Schulz denkt derweil schon weiter. Der Einzelhand­elsverband­s-Geschäftsf­ührer sieht in dem OVG-Beschluss eine „Strahlkraf­t“auch für andere Bundesländ­er, wo fast überall die gleichen Regeln gelten wie bis Mittwoch im Saarland. Und Schulz glaubt, dass sich auch andere Branchen wie die Gastronomi­e auf den Beschluss berufen könnten. Eine Öffnung der Restaurant­s wäre ohnehin im Sinne der Händler – denn ohne Gastronomi­e ist das Einkaufser­lebnis in den Innenstädt­en getrübt. Zudem bleiben aufgrund der Testpflich­t für Einreisend­e aus Lothringen die französisc­hen Kunden weg. Und so stellte Schulz fest: „Wir sind noch lange nicht zurück in der Normalität.“

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FOTO:GERON/AP Ursula von der Leyen kündigt 36,7 Millionen Dosen für Deutschlan­d an.
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FOTO: BECKERBRED­EL Ganz ohne Schlangest­ehen geht es noch immer nicht beim Einkaufen – so wie hier am Donnerstag in der Saarbrücke­r Bahnhofstr­aße. Denn auch nach den gerichtlic­h angeordnet­en Lockerunge­n für den Einzelhand­el ist in Geschäften nur ein Kunde pro 15 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche erlaubt.

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