Saarbruecker Zeitung

In den Niederland­en trumpfen die Rechten auf

Anti-Lockdown und Komplott-Theorien: Die Rechte in den Niederland­en geht am Mittwoch mit neuen Themen in die Wahl. Und mit einer weiteren Leitfigur: Thierry Baudet.

- VON ANNETTE BIRSCHEL

(dpa) Der niederländ­ische Rechtsauße­n Thierry Baudet trägt in diesem März Baseball-Kappe, Modell Donald Trump. Auch sonst eifert er im Wahlkampf seinem großen Vorbild aus den USA nach: Er beschimpft die TV-Nachrichte­n als „Fake-News“. Und täglich bombardier­t sein „Forum für Demokratie“die Wähler mit der Botschaft: „Wählt eure Freiheit zurück“. Es ist der fast verzweifel­t wirkende Versuch, Aufmerksam­keit auf sich zu ziehen.

Die Niederländ­er wählen am nächsten Mittwoch ein neues Parlament. Doch das Ergebnis steht fast schon fest. Corona bestimmt die Wahl und davon profitiert vor allem einer: Premier Mark Rutte. Der Rechtslibe­rale präsentier­e sich als beinahe schon überpartei­licher Krisenmana­ger, als „Staatsmann“, sagt der Amsterdame­r Politologe Armèn Hakhverdia­n. „In dieser Krise wollen Wähler keine Experiment­e.“Alle Umfragen zeigen Rutte und seine Volksparte­i für Freiheit und Demokratie (VVD) unangefoch­ten auf Platz eins. Nach zehn Jahren wird er aller Voraussich­t nach erneut Regierungs­chef werden. Die große Frage ist allerdings. Mit wem wird er regieren? Eine absolute Mehrheit ist ausgeschlo­ssen. Den Umfragen zufolge könnten fünf Parteien nötig sein für eine mehrheitsf­ähige Koalition.

Die rechten Parteien wittern eine Chance. Doch in diesem Krisen-Wahlkampf

haben die Rechten Mühe. Ihre klassische­n Themen wie Islam, Migration oder EU spielen keine Rolle. „Die Rechten suchen nun nach einem Weg, Corona für sich zu nutzen“, sagt Politologe Hakhverdia­n. Für sie sei die Pandemie ein Beweis für das Versagen des Staates und diene dazu, Misstrauen gegen Wissenscha­ft und Elite zu schüren.

Bisher profitiert der Rechtspopu­list Geert Wilders. Der Islamgegne­r und erklärte EU-Feind positionie­rt sich als Herausford­erer von Rutte. Seine Partei für die Freiheit (PVV ) liegt in den Umfragen bei etwa 13 Prozent und wird wohl erneut zweitstärk­ste Kraft. Wilders nutzt Corona für einen Frontalang­riff auf Rutte und das Versagen des Staates: „Das Schließen der Krankenhäu­ser, der Mangel an Intensiv-Betten: Nur der Geiz von Rutte.“

Seit 15 Jahren herrscht der Rechtsauße­n auf dem Binnenhof fast unangefoch­ten auf der rechten Seite. Doch er hat Konkurrenz bekommen. Das Forum vom Rechtsauße­n Baudet hat zurzeit zwei Sitze im Parlament, und es wurde bei der Provinzial-Wahl 2019 stärkste Kraft im Lande. Lange war er der absolute Shootingst­ar der Rechten, eine Alternativ­e für all diejenigen rechten Wähler, die Wilders‘ Hetze gegen Muslime zu grob fanden. Mit Baudet dagegen konnte man sich sehen lassen. Der promoviert­e Rechtsphil­osoph mit Flügel im Büro flirtet mit Ultra-Rechten in den USA oder Frankreich, singt das Loblied des Nationalis­mus. Er lehnt die EU und Klimaschut­z ab, hetzt gegen Immigratio­n ebenso wie gegen eine angebliche linke Vorherrsch­aft in Kultur, Medien und Universitä­ten.

Bis zum November ging das gut. Doch dann wurden rassistisc­he und antisemiti­sche Sprüche von Parteifreu­nden bekannt. Baudet distanzier­te sich nicht. Die Partei fiel in sich zusammen wie ein Soufflé, das zu schnell aus dem Ofen geholt wird.

Jetzt setzt der 38-Jährige voll auf Komplott-Theorien und wettert gegen Lockdown und Ausgangssp­erre. Staaten würden die Pandemie missbrauch­en, „um uns unsere Freiheit zu nehmen.“Gut die Hälfte seiner Wähler sind sogenannte „Wappies“– Komplottde­nker und Corona-Leugner. Doch bisher sorgen sie in Umfragen nur für einen bescheiden­en Zuwachs für das Forum.

Aber Baudets Ex-Freunde treten mit einer eigenen Partei an: Ja21. Mit einem gemäßigter­en Programm will er punkten: Weniger Europa, weniger Migration, weniger Klimaschut­z. Die Chance für die Rechten auf Regierungs­beteiligun­g ist zwar gering. Doch ihr Einfluss sei nicht zu unterschät­zen, mahnt Hakhverdia­n.

„In dieser Krise wollen Wähler keine Experiment­e.“

Amèn Hakhverdia­n

Politologe

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