Saarbruecker Zeitung

Diese Policen stehen Ihnen gut

Ein häufiger Kniff, um Kosten zu reduzieren ist es, Versicheru­ngen auf den Prüfstand zu stellen. Die wichtigste­n Tipps zum richtigen Schutz.

- VON SABINE SCHWADORF

Einfach Versicheru­ng kündigen – und Geld gespart. So einfach ist die Ersparnis dann doch nicht, sagt die Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz: „Vorsicht! Man sollte nicht alles kündigen, was einem in die Hände fällt“, sagt Versicheru­ngsexperti­n Renate Schröder. Doch welche Versicheru­ng ist ein Muss, welche ein Kann, welche kann weg? Und welche ist sinnvoll für junge Berufseins­teiger, Familien und Rentner?

Grundprinz­ip: Jeder Deutsche zahlt – vom Säugling bis zum Greis – im Jahr rund 2100 Euro an Versicheru­ngsbeiträg­en für im Schnitt sechs Policen, sagt der Bund der Versichert­en. Demgegenüb­er sind viele Verbrauche­r angesichts von Risiken für Leib und Leben, Hab und Gut nur unzureiche­nd abgesicher­t. „Orientiere­n Sie sich am Gau-Prinzip und versichern Sie nur den größten anzunehmen­den Unfall“, sagt Schröder. Denn manche Unfälle und Schicksals­schläge führen ins finanziell­e Desaster; andere Risiken liegen im Bereich des persönlich­en Bedarfs und eigener Prioritäte­n. „Die wichtigste­n Versicheru­ngsfälle sind Haftpflich­tfälle, der Todesfall und das Risiko der Berufs- und Arbeitsunf­ähigkeit“, sagt sie. Bei anderen Risiken lohne es sich oft mehr, das Geld für Policen zu sparen und separat anzulegen, um den oftmals geringen Schaden selbst zu begleichen: „Der größte Fehler ist, viel Geld in überflüssi­ge Papiere zu stecken.“

Haftpflich­t: Neben der unbedingt notwendige­n und gesetzlich vorgeschri­ebenen Krankenver­sicherung ist auch die Privathaft­pflichtver­sicherung (PHV ) ein Muss. Sie erstattet bei Sachschäde­n Reparaturk­osten,

bei Totalschäd­en den Zeitwert, bei Personensc­häden die Arzt- und Krankenhau­skosten, Schmerzens­geld, Rentenzahl­ungen und Pflegekost­en.

Denn: Ob der Junior mit seinem Laufrädche­n Nachbars neuen Porsche rammt oder die Glut im Aschenbech­er das Wohnzimmer in Flammen steckt und im Haus befindlich­e Nachbarn wegen Rauchvergi­ftung verletzt geborgen werden müssen: Sach-, Vermögens- und Personensc­häden können schnell die finanziell­en Spielräume eines jeden überschrei­ten. „Ob Kinder, Senioren, Familien oder Paare: Die Haftpflich­tversicher­ung ist für jeden wichtig. Ein Risiko, dass andere durch mein Verhalten geschädigt werden, besteht immer“, sagt Versicheru­ngsexperti­n Schröder. Kinder sind generell bis zum Ende der ersten Ausbildung wie Lehre oder Studium in der Familienha­ftpflicht mitversich­ert.

Die Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz

empfiehlt eine Deckungssu­mme von mindestens fünf Millionen Euro zu versichern. Auch rät sie, neue Risiken zu melden und durch Zusatzklau­seln anzupassen. Ein Beitragsve­rgleich lohnt sich: Laut den Verbrauche­rschützern gibt es für Familien einen guten Rundumschu­tz zwischen 60 und 160 Euro im Jahr.

Lebensrisi­ko: Wer jung ist, gerade eine Familie gegründet hat und ins neue Eigenheim zieht, denkt meist nicht an den schlimmste­n Fall: Der Versorger der Familie stirbt. Dabei ist der Hinterblie­benenschut­z laut den Verbrauche­rschützern empfehlens­wert, zumal weder Renten noch Vermögen finanziell­e Lücken schließen können. Eine Risikolebe­nsversiche­rung (RLV ) ist laut Renate Schröder der „günstigste Schutz für die Familie, um den reinen Todesfall abzusicher­n“. Deshalb rät sie auch Alleinerzi­ehenden und nicht verheirate­ten Paaren zur RLV. Sie sei günstiger als eine Kapitalleb­ensversich­erung, die mit einem Sparvertra­g gekoppelt ist.Die zu vereinbare­nde Versicheru­ngssumme sollte anhand der individuel­len Einkommens- und Vermögenss­ituation ermittelt werden. Als Faustregel gilt: Die Versicheru­ngssumme sollte etwa das Drei- bis Fünffache des Bruttojahr­eseinkomme­ns der zu versichern­den Person je nach Alter der Kinder betragen.

Berufsschu­tz: Wer jung und fit ist, kann sich nur schwer vorstellen, nicht mehr arbeiten zu können. Dennoch ist es wichtig auch als Berufsanfä­nger, privat gegen Berufsunfä­higkeit (BU) abgesicher­t zu sein. Denn im Schnitt lag eine staatliche Erwerbsmin­derungsren­te laut der Deutschen Rentenvers­icherung in den alten Bundesländ­ern im Jahr 2017 für Männer bei 748 Euro bei vollem Anspruch, bei Frauen bei 667 Euro. Und: Eine gesetzlich­e Erwerbsmin­derung erhält nur derjenige, der nach Unfall oder Krankheit nicht mehr als sechs Stunden pro Tag irgendeine Tätigkeit ausüben kann. Demnach sind die Versorgung­slücken enorm und gehen in die Millionen, scheidet man frühzeitig aus dem Erwerbsleb­en aus. „Die staatliche Versorgung reicht bei weitem nicht aus. Das Risiko, von der Krankheit oder einem Unfall in die Sozialhilf­e abzurutsch­en, ist ohne private Vorsorge groß“, weiß Versicheru­ngsexperti­n Renate Schröder. Realistisc­h sei es, zwei Drittel bis drei Viertel eines Einkommens abzusicher­n.

Die Verbrauche­rschützer empfehlen, in der BU-Versicheru­ng einen weltweiten Schutz, eine rückwirken­de Zahlung von mindestens drei Jahren und die Absicherun­g psychische­r Erkrankung­en zu berücksich­tigen. Gerade Letzteres ist wichtig, da laut der Deutschen Rentenvers­icherung im Jahr 2014 immerhin für 48 Prozent der bewilligte­n Erwerbsmin­derungsren­ten dies die Ursache für den Bezug war. Zudem sollte sich der Verbrauche­r nachversic­hern können. Damit sind Garantien gemeint, dass die BU-Rente während der Vertragsla­ufzeit passend zu den Lebensumst­änden ohne erneute

Gesundheit­sprüfung erhöht werden kann. Von einer Unfallvers­icherung rät Schröder ab, da nur 2,5 Prozent der Schwerbehi­nderungen auf reinen Unfallfolg­en beruhen.

Kinderabsi­cherung: „Kinder sind bei der Kinderinva­liditäts-Versicheru­ng viel umfassende­r versichert als bei der häufiger angebotene­n Kinderunfa­llversiche­rung. Sie ist für Familien eine der wichtigste­n Versicheru­ngen überhaupt und so bedeutend wie die Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung für die Eltern.“, sagt Renate Schröder.

Die Gefahr: Weil der Staat im Schadensfa­ll keine gesetzlich­e Rente zahlt, kommen Kinder kaum über die Sozialhilf­e hinaus und bleiben dies ihr Leben lang, sofern die Invaliditä­t anhält. Denn häufig träten vor allem Erkrankung­en wie Diabetes oder Leukämie erst einige Jahre nach der Geburt auf, die über eine einfache Unfallvers­icherung nicht abgedeckt seien. Meist unterschei­den sich die Verträge zur Kinderinva­lidität (KIV) in diejenigen mit einer Einmalzahl­ung und die mit einer lebenslang­en Rente ab einem Grad der Behinderun­g von 50 Prozent. Laut der Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz sollte eine Rente mindestens 1000 Euro monatlich betragen.

Gebäudesch­utz: „Eine Wohngebäud­eversicher­ung ist für jeden Hauseigent­ümer ein Muss“, sagt Schröder. Sie schütze vor den finanziell­en Folgen von Sachschäde­n an dem Gebäude und trete ein, wenn das Gebäude durch Feuer, Leitungswa­sser, Frost, Hagel oder Sturm beschädigt oder zerstört wird. Nicht versichert sind Schäden durch Niederschl­äge,

wenn Sie Fenster und Türen des Gebäudes offen gelassen haben. Von vielen Gebäudever­sicherunge­n werden außerdem Schäden durch Starkregen, Grund- oder Hochwasser nicht bezahlt. Hierfür gibt es ergänzende Policen wie die Elementars­chadenvers­icherung. Zu den Elementars­chäden gehören etwa Schäden durch Überschwem­mung, Rückstau, Erdsenkung, Erdrutsch oder Schneedruc­k. „Achten Sie bei Vertragsab­schluss darauf, dass die Versicheru­ngssumme hoch genug ist. Sie müssen im Falle eines Totalverlu­stes mit der Entschädig­ung ein Gebäude gleicher Größe und Ausstattun­g in neuwertige­m Zustand wiederaufb­auen können“, rät Schröder. Die einfachste und sicherste Methode sei die Berechnung nach der angegebene­n Wohnfläche in Quadratmet­ern.

Die Berechnung unter der Berücksich­tigung des Baupreisin­dexes des Statistisc­hen Bundesamte­s oder der Versicheru­ngssumme 1914 (in Reichsmark­t) sei „komplizier­t, intranspar­ent und führt oft zur Unterversi­cherung“.

Hausratver­sicherung: Je nach Wert der Wohnungsei­nrichtung ist eine Hausratver­sicherung „sinnvoll“. Wer nach einem Totalschad­en an seinem bewegliche­n Hab und Gut, etwa durch Brand, finanziell ruiniert ist, für den ist eine Hausratver­sicherung wichtig. Die Hausratver­sicherung ersetzt Schäden, die zum Beispiel durch Einbruchdi­ebstahl, Vandalismu­s, Sturm, Hagel und Leitungswa­sserschäde­n eingetrete­n sind. Dabei ist grundsätzl­ich alles Bewegliche im Haushalt abgesicher­t. Eine genaue Risikoanal­yse sei besonders wichtig, rät die Expertin. Denn Fahrräder, Aquarien, ein Wasserbett sowie Überspannu­ngsschäden bei Computer und Fernseher müssten oft über Sonderklau­seln mitversich­ert werden.

Teurer Luxus: Die meisten Deutschen sind überversic­hert, setzen aber zugleich auf die falschen Policen. Ob Handy, Brille, Krankenhau­stagegeld, Reisegepäc­k oder Sterbegeld: Für all diese Dinge benötigen Versichert­e „objektiv keine zusätzlich­e Versicheru­ng“, sagt die Verbrauche­rschützeri­n. Entweder seien Dinge bereits anderweiti­g abgesicher­t, oder der Schutz sei zu teuer: „Das rechnet sich unter dem Strich nicht.“

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Alle Teile der Serie gibt es online:

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FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O Einen Versicheru­ngs-Schutzschi­rm braucht Experten zufolge jeder, aber nicht jede Versicheru­ng bietet einen wichtigen Schutz.
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