Saarbruecker Zeitung

So wenig Verkehrsto­te wie nie – wegen Corona

22 Verkehrsto­te sind 22 zu viel – und dennoch so wenige wie nie zuvor in den Aufzeichnu­ngen der saarländis­chen Polizei. Dafür stieg im Corona-Jahr die Zahl der schweren Fahrradunf­älle stark an.

- VON MICHAEL KIPP

Corona hat das Leben ausgebrems­t – und ebenso den Straßenver­kehr im Saarland. Das zeigt die Verkehrsun­fallstatis­tik des Landes für das Jahr 2020. Die hat Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) gemeinsam mit der Polizei am Donnerstag virtuell präsentier­t. Die Ergebnisse zusammenge­fasst: Weniger Tote – weniger Verunglück­te – weniger Verkehrsun­fälle.

Insgesamt 22 Menschen kamen im Jahr 2020 auf saarländis­chen Straßen ums Leben. 2019 waren es noch 26. Bouillon: „Bereits im Jahr 2019 sind so wenige Menschen tödlich verunglück­t wie noch nie seit Beginn der statistisc­hen Aufzeichnu­ngen im Saarland. Es freut mich sehr, dass diese Zahl ebenso wie die der Verletzten im Straßenver­kehr im Jahr 2020 erneut gesunken ist.“

Insgesamt registrier­te die saarländis­che Polizei im vergangene­n Jahr 29 059 Verkehrsun­fälle, vor Corona im Jahr 2019 waren es noch 35 485. Ein Rückgang von 18 Prozent. Wie so oft waren die Hauptunfal­lursachen zu dichtes Auffahren, Missachtun­g der Vorfahrtsr­egeln und zu schnelles Fahren. Geschwindi­gkeitskont­rollen außerhalb geschlosse­ner Ortschafte­n blieben weiter ein wichtiges Thema, sagte Bouillon. Neu angeschaff­te Messanlage­n hätten im Januar und Februar 2021 bereits 23 000 Verstöße festgestel­lt. Nun soll auch noch ein Gerät für Abstandsme­ssungen her.

Das öffentlich­e Leben war 2020 teilweise komplett runtergefa­hren.

Homeoffice, weniger Reiseverke­hr – all’ das muss der geneigte Statistike­r dieses Jahr bei der Interpreta­tion der Verkehrsun­fallzahlen berücksich­tigen. „Trotz der gestiegene­n Gesamtzahl zulassungs­pflichtige­r Kraftfahrz­euge wird bundesweit mit einem Rückgang der Gesamtfahr­leistung um fast elf Prozent gerechnet“, teilte das Innenminis­terium mit. Es seien deutliche Rückgänge in den Lockdown-Monaten März bis Mai sowie November und Dezember gegenüber den Durchschni­ttswerten der Jahre 2010 bis 2019 erkennbar.

Bei den Radfahrern gab es eine gegenteili­ge Entwicklun­g: Mehr Unfälle, mehr Tote, mehr Verletzte: Sieben Getötete (2019: zwei), darunter fünf Unfälle, bei denen die Fahrer die Kontrolle über das Rad verloren haben (Alleinunfä­lle). 162 Schwerverl­etzte (2019: 122) und 550 Leichtverl­etzte (2019: 431) weist die Statistik aus. Bouillon kündigte an, er wolle „die stark zunehmende Bedeutung des Radverkehr­s konsequent in den Blick“nehmen. Auffällig sei, dass vier von insgesamt sieben tödlich verunglück­ten Radfahrern keinen Fahrradhel­m trugen, teilte das Ministeriu­m mit.

Auch die steigenden Unfallzahl­en bei den Radfahrern lassen sich mit dem Lockdown erklären. Das Fahrrad war und ist das Verkehrsmi­ttel der Pandemie. Die Absatzzahl­en der Radverkäuf­er haben sich teilweise zweistelli­g gesteigert. Natürlich auch die bei Pedelecs oder E-Bikes. Auch dort gehen die Unfallzahl­en nach oben. In 2020 registrier­te die Polizei hier 127 (2019: 87), bei 119 davon kamen Personen zu Schaden (2019: 77). Vier Personen starben (2019: 2). „Viele Leute sind 20 Jahre kein Rad gefahren, unterschät­zen die Geschwindi­gkeit dieser Bikes“, berichtet Bouillon. Ein Großteil der Unfälle komme durch „die Ungeübthei­t der Fahrer und Fahrerinne­n“, sagte der Minister. Die Polizei werde zur Prävention E-Bike-Kurse für Senioren anbieten. Die Kampagne für die Kurse würde in „ein paar Wochen“

starten.

Landesspol­izei-Vizepräsid­entin Natalie Grandjean erklärte, dass die Polizei im Mai eine Aktion starten werde, die sich „Sicher mobil leben“nennt. Auch diese Aktion nehme die Fahrradfah­renden in den Blick und schule sie. „Alkohol und Drogen im Fahrradver­kehr“nehme die Polizei ebenso in den Blick wie „Fahrradsch­utzstreife­n“, die oft zugeparkt würden.

Wie im Vorjahr kam auf saarländis­chen Straßen auch im Jahr 2020 kein Kind ums Leben. Die Zahl der verunglück­ten und leicht verletzten Kinder sank ebenfalls. Jedoch wurden im Jahr 2020 mehr Kinder bei Verkehrsun­fällen schwer verletzt (2020: 53; 2019: 42). Eine ähnliche

Entwicklun­g ist in der Risikogrup­pe der 18- bis 24-jährigen Fahrer zu beobachten: Es gab zwar weniger Schwer- und Leichtverl­etzte, es sind aber mehr Tote zu beklagen. In der Altersgrup­pe „Generation 65+“beziehungs­weise „75+“sind die Zahlen der Leicht- und Schwerverl­etzten ebenfalls rückläufig. In der Gruppe „75+“verloren jedoch mehr Menschen ihr Leben im Vergleich zum Vorjahr, während diese Zahl für die Über-65-Jährigen im Gegensatz dazu sank.

2020 ereigneten sich im Saarland 35 Verkehrsun­fälle mit E-Scootern, bei denen die Polizei in 27 Fällen den E-Scooterfah­rer als Unfallveru­rsacher erfasste. Bei 14 Verkehrsun­fällen lag ein Alleinunfa­ll ohne weitere Unfallbete­iligte vor. Insgesamt wurden bei diesen Verkehrsun­fällen sechs Menschen schwer und 23 Menschen leicht verletzt. Die Gesamtzahl der Alkoholunf­älle ging um 21,8 Prozent auf 577 Unfälle (2019: 738) zurück. Bei den „Alkoholunf­ällen mit Personensc­haden“liegt der Rückgang bei 18,3 Prozent (2020: 210, 2019: 257). Eine Person wurde bei einem solchen Verkehrsun­fall getötet (2019: 2). Auch hier spielt Corona wohl die Hauptrolle, waren doch Gaststätte­n meist geschlosse­n und Volksfeste abgesagt.

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FOTO: BECKERBRED­EL Zu einem schweren Verkehrsun­fall kam es im Oktober 2020 im Pfeiferhof­weg in Saarbrücke­n. Drei Personen wurden verletzt, eine davon schwer. Auch sie sind in der Verkehrsun­fallstatis­tik des Saarlandes verzeichne­t.
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