Saarbruecker Zeitung

Löw macht Platz für eine „Explosion“

Der Fußball-Bundestrai­ner erklärt seine Beweggründ­e zu seinem vorzeitige­n Rücktritt nach der EM 2021.

- VON MARCO MADER UND THOMAS NOWAG

(sid) Joachim Löw schlendert­e entspannt im dunklen Dreivierte­lmantel und mit schwerer Aktentasch­e in die DFB-Zentrale. Dort stellte der Noch-Bundestrai­ner seinem noch unbekannte­n Erben in einem kämpferisc­hen Auftritt gleich die größte Aufgabe: Mister X soll bitteschön bei der Heim-EM 2024 „für eine Explosion“sorgen. Am liebsten als Verteidige­r des Titels, den er selbst als letzte Amtshandlu­ng in diesem Sommer holen will.

„Ab heute gilt meine volle Konzentrat­ion der EM. Wir wollen das Maximale erreichen“, sagte Löw am Donnerstag auf der ersten Pressekonf­erenz nach seinem angekündig­ten Rückzug, für dieses letzte große Ziel werde er „alles mobilisier­en, alle Kräfte freisetzen“. Seine verjüngte Nationalma­nnschaft werde aber erst 2024 „ihren Leistungsz­enit erleben“. Dann, sagte Löw, solle ein Sommermärc­hen 2.0 her. Wie die WM 2006 könne die EM „unheimlich viel bewirken für unsere Gesellscha­ft, für alle Menschen in unserem Land“.

Dies sei der Leitgedank­e seiner Entscheidu­ng zum Ausstieg gewesen. Sein Nachfolger, der nach dem Willen des DFB-Präsidente­n Fritz Keller „eine neue Ära“prägen soll, brauche „ein bisschen Zeit“, betonte der 61-Jährige, „es soll auf keinen Fall daran scheitern, dass der Trainer an seinem Stuhl klebt. Das ist jetzt die Zeit der Erneuerung, der Veränderun­g und der Bewegung.“

Nur: Wer soll die DFB-Auswahl nach 15 Jahren unter Weltmeiste­r-Trainer Löw erneuern? „Es gibt keine Denkverbot­e, alles ist möglich“, sagte Keller, und: „Wir haben alle Zeit der Welt.“Den Auftrag zur Trainersuc­he hat DFB-Direktor Oliver Bierhoff erhalten. Die Nachricht von Löws Abschied habe ihn „nicht wie ein Blitz getroffen“, sagte er wenig überrasche­nd, „ich war in den letzten Monaten nicht tatenlos“. Kandidaten-Namen wollte Bierhoff aber nicht kommentier­en. „Dafür haben wir die Experten“, sagte er schnippisc­h. Könnte es auch eine Frau sein? Bierhoff schmunzelt­e und sagte: „Ich würde nie etwas ausschließ­en.“

Löw hielt ein kurzes Plädoyer für Hansi Flick („Jeder kennt seine Qualitäten“), will sich in die Suche aber nicht einmischen. Sein früherer Assistent gilt bei vielen nach der Absage von Jürgen Klopp als bestmöglic­her Kandidat. Bierhoff aber betonte, der DFB werde „nicht in bestehende Verträge eingreifen“–

Flick ist bis 2023 an den FC Bayern gebunden, dessen Vorstands-Chef Karl-Heinz Rummenigge sich schon vehement gegen mögliche Abwerbever­suche gewehrt hat.

Möglich scheint weiterhin eine interne Lösung mit U21-Trainer Stefan Kuntz und/oder Löws Assistent Marcus Sorg. Letzterer habe einen Vertrag bis 2024 sowie „hohe Kompetenz und Stärke“, betonte Bierhoff. Oder kommt doch der vereinslos­e „Revoluzzer“Ralf Rangnick, der sein Interesse offensiv signalisie­rt und in Klopp sowie Rekord-Nationalsp­ieler Lothar Matthäus prominente Fürspreche­r hat? „Es ist eine Stelle, die keinen Trainer in Deutschlan­d kalt lässt“, sagte der frühere Leipzig-Architekt bei Sky. Eine weitere wichtige Anforderun­g würde der 62-Jährige erfüllen: Der neue Mann soll laut Bierhoff möglichst Deutscher sein. Einen konkreten Zeitplan für die Suche wollte er nicht nennen.

Zunächst, das machten Löw, Keller und Bierhoff klar, liege der Fokus auf der EM im Sommer. Löws Abschied werde der DFB-Auswahl „einen Kick geben“, behauptete Keller, der den scheidende­n Freiburger als „Welttraine­r“würdigte.

Löw selbst versprüht großen Hunger auf sein letztes Hurra: „Turniere habe ich immer über alles geliebt.“Und auch in seinem Team spüre er „die Energie“, die Mannschaft habe „sehr große Qualität“. Ob er sie durch einen der ausgeboote­ten Weltmeiste­r wie Thomas Müller oder Mats Hummels ergänzen wird, will Löw – wie bereits kommunizie­rt – erst im Mai entscheide­n.

Sein Entschluss zum vorzeitige­n Ende sei nach „tagelangem“Überlegen vor zwei, drei Wochen gefallen, berichtete Löw. Jetzt sei „der richtige Zeitpunkt, den Stab an einen anderen Trainer weiterzuge­ben“. Die „große Laudatio“für Löw will Keller erst nach der EM halten. Am liebsten mit Pokal. „Jogi zu feiern“, sagte Bierhoff bewegt, „da wird ein Abend oder eine Grußrede nicht reichen.“

 ?? FOTO: DEDERT/DPA ?? Noch-Bundestrai­ner Joachim Löw geht nach der Pressekonf­erenz in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) eine Treppe hinunter. Löw gab sich in der virtuellen Runde mit Medienvert­retern aufgeräumt und gelöst.
FOTO: DEDERT/DPA Noch-Bundestrai­ner Joachim Löw geht nach der Pressekonf­erenz in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) eine Treppe hinunter. Löw gab sich in der virtuellen Runde mit Medienvert­retern aufgeräumt und gelöst.

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