New Yorker Gouverneur zunehmend unter Druck
Zu Beginn der Pandemie wurde der 63-Jährige als „America‘s Governor“gefeiert, nun häufen sich die Vorwürfe, nach denen er Frauen sexuell belästigt haben soll.
Immer mehr Frauen erheben schwere Belästigungsvorwürfe gegen New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo – und jetzt mehren sich die Rücktrittsforderungen gegen ihn. Selbst Parteifreunde lassen Cuomo fallen, doch der will bleiben.
Er sei nun mal kein Mitglied dieses Clubs, sagte Andrew Cuomo, nachdem ihm die Mehrheit seiner Parteifreunde im Parlament New Yorks den Rücktritt nahegelegt hatte. Es war der Versuch, sich in der Rolle des Machers zu inszenieren, angefeindet in den eigenen Reihen, populär bei Leuten, die sich nicht täglich mit Politik beschäftigen. Nicht die Politik habe ihn gewählt, sondern das Volk, betonte Cuomo, der seit zehn Jahren Gouverneur seines Bundesstaats ist. Ein Mann, dem die letzten Verbündeten von der Fahne gehen, bläst mit populistischen Untertönen zur Gegenoffensive.
Vor einem Jahr war er „America‘s Governor“, so etwas wie der Fels in der Brandung, als die Anfangsphase der Epidemie vor allem eines bedeutete: akute Verunsicherung. Die täglichen Pressekonferenzen, auf denen er die Corona-Lage analysierte, ohne sie zu beschönigen, aber auch ohne zu übertreiben, wurden für Millionen von Amerikanern zum Pflichtprogramm. Kurz vor der Präsidentschaftswahl im November erschien ein Buch, in dem er, wie schon der Untertitel ankündigte, „Führungslehren aus der Covid-19-Pandemie“zog. Fast hatte es den Anschein, als wollte er sich selbst fürs Weiße Haus empfehlen. Heute verlangen 59 Abgeordnete seines Staates, allesamt Demokraten,
dass er seinen Hut nimmt. Begonnen hat es mit einem Vertuschungsmanöver, das ein New Yorker Boulevardblatt aufdeckte. Um die Statistik zu schönen, ließ der Gouverneur die Zahl der Bewohner von Altersheimen, die an den Folgen einer Corona-Infektion starben, um 50 Prozent niedriger angeben, als sie tatsächlich war. Den Skandal glaubte er so gut wie überstanden zu haben, da machten Berichte von Frauen die Runde, die sich von ihm im Laufe der Jahre sexuell belästigt fühlten.
Eine ehemalige Mitarbeiterin namens Lindsey Boylan schilderte, Cuomo habe sich ihr in den Weg gestellt und ihr einen Kuss aufgezwungen, um ihr später eine Partie Strip-Poker vorzuschlagen. Eine andere, namentlich nicht Genannte gab zu Protokoll, er habe ihr in seiner Residenz ungefragt unter die Bluse gefasst. Charlotte Bennett, 25 Jahre alt, erzählte von anzüglichen Fragen über ihr Liebesleben.
Mittlerweile sind es sechs Frauen, die sich zu Wort gemeldet haben. Aus dem Helden der Pandemie ist in der öffentlichen Wahrnehmung ein lüsterner Tyrann geworden. Anders als Harvey Weinstein, der Filmproduzent, dessen Taten die MeToo-Lawine ins Rollen brachten, hat er keine der Frauen zum Sex gezwungen. Das Handlungsmuster, schreibt Rebecca Traister in der Zeitschrift New York sei indes das gleiche. „Vielleicht ist Cuomo ein Paradebespiel dafür, dass es bei sexueller Belästigung gar nicht um Sex geht, sondern allein um Macht.“
Nun scheint der 63-Jährige vor dem Scherbenhaufen seiner Karriere zu stehen. Eigentlich wollte der Sohn eines Gouverneurs, der es auf drei Amtszeiten brachte, seinen Vater übertrumpfen und 2022 zum vierten Mal für den Posten kandidieren. Dass es ihm gelingt, darf bezweifelt werden. Etliche seiner Parteifreunde wollen sogar erreichen, dass er die Gouverneursvilla in Albany verlässt, bevor seine dritte Amtszeit beendet ist. Auch die beiden Senatoren, die New York in Washington vertreten, reihten sich vorigen Freitag in die Protestbewegung ein. Cuomo habe das Vertrauen der Bevölkerung verloren, schrieben Chuck Schumer und Kirsten Gillibrand in einem Statement. Im Dezember 2017 gehörte Gillibrand zu denen, die im Zuge von Belästigungsvorwürfen den Rücktritt des Senators Al Franken erzwangen, eines Demokraten aus Minnesota. So ist es nur folgerichtig, dass sie jetzt auch auf Cuomos Abgang drängt.