Saarbruecker Zeitung

Saar-Staatsanwä­lte wollen politische Unabhängke­it

Das politisch geführte Justizmini­sterium in Saarbrücke­n kann den Staatsanwä­lten sagen, was sie bei ihren Ermittlung­en zu tun und zu lassen haben. Das Ministeriu­m will trotz Kritik am Weisungsre­cht festhalten. Warum?

- VON DANIEL KIRCH

Das politisch geführte Justizmini­sterium in Saarbrücke­n kann den Staatsanwä­lten sagen, was sie bei ihren Ermittlung­en zu tun und zu lassen haben. Das Ministeriu­m will trotz Kritik am Weisungsre­cht festhalten.

SAARBRÜCKE­N An einem Freitagmit­tag des Jahres 2011 passierte im saarländis­chen Justizmini­sterium höchst Ungewöhnli­ches. Der damalige Staatssekr­etär Wolfgang Schild (CDU) wies die Staatsanwa­ltschaft Saarbrücke­n an, die für den folgenden Montag wegen des Verdachts eines Wirtschaft­svergehens geplante Durchsuchu­ng in einem saarländis­chen Medienunte­rnehmen vorerst zu stoppen.

Eine Weisung des Justizmini­steriums an die Staatsanwa­ltschaft kommt extrem selten vor, seit 2011 im Saarland gar nicht mehr. Aber dass es die Möglichkei­t überhaupt gibt, ist den Staatsanwä­lten ein Dorn im Auge. Der Saarländis­che Richterbun­d, der auch die Staatsanwä­lte organisier­t, will bereits den „bösen Anschein“politische­r Einflussna­hme verhindern und fordert, das Weisungsre­cht abzuschaff­en. Unterstütz­ung erhält er dabei von der Linksfrakt­ion im Landtag.

Hintergrun­d sind Gesetzespl­äne von Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht (SPD) für eine Beschränku­ng des Weisungsre­chts im Bereich der europäisch­en Zusammenar­beit. Der Europäisch­e Gerichtsho­f hatte 2019 entschiede­n, dass deutsche Staatsanwa­ltschaften keine europäisch­en Haftbefehl­e mehr ausstellen dürfen, weil sie aus Sicht der EU-Richter nicht unabhängig genug von politische­r Einflussna­hme sind.

Die Folge ist, dass Staatsanwä­lte einen europäisch­en Haftbefehl erst von einem Gericht prüfen und absegnen lassen müssen. Das mache das Verfahren schwerfäll­iger und langwierig­er, monieren Richter und Staatsanwä­lte im Saarland. Der Richterbun­d will das Weisungsre­cht nicht nur bei EU-Fällen, sondern generell kippen.

Staatsanwä­lte sind dienstrech­tlich betrachtet – im Gegensatz zu unabhängig­en Richtern – Beamte und damit Teil der Exekutive. Im Gesetz steht: „Die Beamten der Staatsanwa­ltschaft

haben den dienstlich­en Anweisunge­n ihres Vorgesetzt­en nachzukomm­en.“

Saar-Justizmini­ster Peter Strobel (CDU) will am Weisungsre­cht festhalten. Eine Abschaffun­g würde nach seiner Ansicht einen rechtsstaa­tlich kontrollfr­eien Raum schaffen. „Ministerin­nen und Minister wären nicht mehr parlamenta­risch verantwort­lich für die Arbeit der Staatsanwa­ltschaft“, so Strobels Ministeriu­ms. Der Richterbun­d will die parlamenta­rische Kontrolle der Staatsanwa­ltschaften auf andere Art und Weise sicherstel­len: indem das Justizmini­sterium vors Gericht ziehen kann, wenn die Staatsanwa­ltschaft aus ihrer Sicht zu Unrecht ein Ermittlung­sverfahren eingestell­t hat.

Das Justizmini­sterium fürchtet auch, dass bei einem Wegfall des Weisungsre­chts bestimmte Entscheidu­ngen der Staatsanwa­ltschaft nicht mehr überprüft und korrigiert werden könnten: „Würde eine Staatsanwä­ltin oder ein Staatsanwa­lt aus evident rechtswidr­igen Gründen die Einleitung eines Ermittlung­sverfahren­s verweigern oder Ermittlung­en einstellen und wären Opfer nicht bekannt oder stünde ihnen – wie beispielsw­eise in Fällen der Verwendung von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen – kein Klageerzwi­ngungsrech­t zu, wäre die Entscheidu­ng der Staatsanwa­ltschaft endgültig.“

Einem Missbrauch des Weisungsre­chts aus politische­n Gründen wird nach Ansicht des Justizmini­sters durch den Legalitäts­grundsatz, der die Staatsanwa­ltschaft bei genügenden Anhaltspun­kten für eine Straftat zum Einschreit­en zwingt, und das Rechtsstaa­tsprinzip vorgebeugt. Überdies setze die Ausübung des Weisungsre­chts voraus, dass eine staatsanwa­ltschaftli­che Maßnahme „evident rechtswidr­ig“erscheine.

Die gestoppte Durchsuchu­ngsaktion im Jahr 2011 begründete das Justizmini­sterium denn auch mit Zweifeln an ihrer Rechtmäßig­keit. Die richterlic­he Durchsuchu­ngsanordnu­ng lag den Angaben zufolge schon mehrere Jahre zurück, sei möglicherw­eise schon verfallen gewesen. Auf Nachfrage habe die Staatsanwa­ltschaft auch keine Informatio­nen zum Anlass des Verdachts und zum Stand des Ermittlung­sverfahren­s erteilen können. Daraufhin forderte der Staatssekr­etär die Staatsanwa­ltschaft auf, die Durchsuchu­ng zurückzust­ellen, bis die Generalsta­atsanwalts­chaft die Angelegenh­eit geprüft hat.

Der Saarländis­che Richterbun­d, der auch die

Staatsanwä­lte organisier­t, will bereits den „bösen Anschein“politische­r Einflussna­hme verhindern.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany