Saar-Staatsanwälte wollen politische Unabhängkeit
Das politisch geführte Justizministerium in Saarbrücken kann den Staatsanwälten sagen, was sie bei ihren Ermittlungen zu tun und zu lassen haben. Das Ministerium will trotz Kritik am Weisungsrecht festhalten. Warum?
Das politisch geführte Justizministerium in Saarbrücken kann den Staatsanwälten sagen, was sie bei ihren Ermittlungen zu tun und zu lassen haben. Das Ministerium will trotz Kritik am Weisungsrecht festhalten.
SAARBRÜCKEN An einem Freitagmittag des Jahres 2011 passierte im saarländischen Justizministerium höchst Ungewöhnliches. Der damalige Staatssekretär Wolfgang Schild (CDU) wies die Staatsanwaltschaft Saarbrücken an, die für den folgenden Montag wegen des Verdachts eines Wirtschaftsvergehens geplante Durchsuchung in einem saarländischen Medienunternehmen vorerst zu stoppen.
Eine Weisung des Justizministeriums an die Staatsanwaltschaft kommt extrem selten vor, seit 2011 im Saarland gar nicht mehr. Aber dass es die Möglichkeit überhaupt gibt, ist den Staatsanwälten ein Dorn im Auge. Der Saarländische Richterbund, der auch die Staatsanwälte organisiert, will bereits den „bösen Anschein“politischer Einflussnahme verhindern und fordert, das Weisungsrecht abzuschaffen. Unterstützung erhält er dabei von der Linksfraktion im Landtag.
Hintergrund sind Gesetzespläne von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) für eine Beschränkung des Weisungsrechts im Bereich der europäischen Zusammenarbeit. Der Europäische Gerichtshof hatte 2019 entschieden, dass deutsche Staatsanwaltschaften keine europäischen Haftbefehle mehr ausstellen dürfen, weil sie aus Sicht der EU-Richter nicht unabhängig genug von politischer Einflussnahme sind.
Die Folge ist, dass Staatsanwälte einen europäischen Haftbefehl erst von einem Gericht prüfen und absegnen lassen müssen. Das mache das Verfahren schwerfälliger und langwieriger, monieren Richter und Staatsanwälte im Saarland. Der Richterbund will das Weisungsrecht nicht nur bei EU-Fällen, sondern generell kippen.
Staatsanwälte sind dienstrechtlich betrachtet – im Gegensatz zu unabhängigen Richtern – Beamte und damit Teil der Exekutive. Im Gesetz steht: „Die Beamten der Staatsanwaltschaft
haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.“
Saar-Justizminister Peter Strobel (CDU) will am Weisungsrecht festhalten. Eine Abschaffung würde nach seiner Ansicht einen rechtsstaatlich kontrollfreien Raum schaffen. „Ministerinnen und Minister wären nicht mehr parlamentarisch verantwortlich für die Arbeit der Staatsanwaltschaft“, so Strobels Ministeriums. Der Richterbund will die parlamentarische Kontrolle der Staatsanwaltschaften auf andere Art und Weise sicherstellen: indem das Justizministerium vors Gericht ziehen kann, wenn die Staatsanwaltschaft aus ihrer Sicht zu Unrecht ein Ermittlungsverfahren eingestellt hat.
Das Justizministerium fürchtet auch, dass bei einem Wegfall des Weisungsrechts bestimmte Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nicht mehr überprüft und korrigiert werden könnten: „Würde eine Staatsanwältin oder ein Staatsanwalt aus evident rechtswidrigen Gründen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verweigern oder Ermittlungen einstellen und wären Opfer nicht bekannt oder stünde ihnen – wie beispielsweise in Fällen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen – kein Klageerzwingungsrecht zu, wäre die Entscheidung der Staatsanwaltschaft endgültig.“
Einem Missbrauch des Weisungsrechts aus politischen Gründen wird nach Ansicht des Justizministers durch den Legalitätsgrundsatz, der die Staatsanwaltschaft bei genügenden Anhaltspunkten für eine Straftat zum Einschreiten zwingt, und das Rechtsstaatsprinzip vorgebeugt. Überdies setze die Ausübung des Weisungsrechts voraus, dass eine staatsanwaltschaftliche Maßnahme „evident rechtswidrig“erscheine.
Die gestoppte Durchsuchungsaktion im Jahr 2011 begründete das Justizministerium denn auch mit Zweifeln an ihrer Rechtmäßigkeit. Die richterliche Durchsuchungsanordnung lag den Angaben zufolge schon mehrere Jahre zurück, sei möglicherweise schon verfallen gewesen. Auf Nachfrage habe die Staatsanwaltschaft auch keine Informationen zum Anlass des Verdachts und zum Stand des Ermittlungsverfahrens erteilen können. Daraufhin forderte der Staatssekretär die Staatsanwaltschaft auf, die Durchsuchung zurückzustellen, bis die Generalstaatsanwaltschaft die Angelegenheit geprüft hat.
Der Saarländische Richterbund, der auch die
Staatsanwälte organisiert, will bereits den „bösen Anschein“politischer Einflussnahme verhindern.