Saarbruecker Zeitung

Die Ampel ist schwierig, aber letztlich nicht unmöglich

Mit einer rot-gelb-grünen Koalition im Bund tut sich vor allem die FDP schwer. Für Finanzmini­ster Olaf Scholz dürfte sie dagegen die einzige Kanzlercha­nce sein.

- VON WERNER KOLHOFF BERLIN

Seit diesem Sonntag gibt es plötzlich eine dritte Koalitions­option für die Zeit nach der Bundestags­wahl: Eine Ampel-Regierung aus Grünen, SPD und Liberalen. In Rheinland-Pfalz wurde ein solches Bündnis bestätigt; in Baden-Württember­g ist es rechnerisc­h machbar und könnte Grün-Schwarz ablösen. Aber wie realistisc­h wäre eine solche Zusammenar­beit in Berlin? Passen die strategisc­hen Überlegung­en der Parteien, die Inhalte und die handelnden Personen überhaupt zusammen?

Die Strategien: Die SPD reagierte ziemlich aufgedreht, vor allem ihr Kanzlerkan­didat Olaf Scholz. Für ihn ist die Ampel nämlich die einzige Chance, Regierungs­chef zu werden – vorausgese­tzt, die SPD (derzeit bei 16 Prozent) schafft es, an den Grünen (18 Prozent) vorbeizuzi­ehen. Ein Linksbündn­is Rot-RotGrün hat hingegen in keiner Umfrage eine Mehrheit. Kommt es nicht zu einer Ampel folgt also mit großer Wahrschein­lichkeit ein Unionspoli­tiker auf Angela Merkel und zwar mit einer schwarz-grünen Koalition oder in einem Bündnis nach den Jamaika-Farben Schwarz-Grün-Gelb. Der Wahlabend, frohlockte Scholz bereits am Sonntag, habe gezeigt, dass es eine Mehrheit ohne die Union in Deutschlan­d geben könne. „Diese Botschaft sitzt jetzt fest“, sagte er und ergänzt: „Ich will Kanzler werden.“

Auch für die Grünen wäre eine Ampel die einzige Chance den Kanzler oder die Kanzlerin zu stellen; in jedem Bündnis mit der Union wäre sie die kleinere Partei. Dennoch hielten sich beide mögliche Aspiranten, Robert Habeck und Annalena Baerbock, am Montag zurück. Die Debatte komme „absurd zu früh“, sagte Habeck. Dem Wahlsieger Winfried

Kretschman­n in Stuttgart gab er ausdrückli­ch Rückendeck­ung für das Ausloten beider möglichen Alternativ­en, einer Ampel-Regierung oder der Fortsetzun­g von Grün-Schwarz. Entscheide­nd seien Fortschrit­te in der Klimapolit­ik und da sei fraglich, wie viel mit den Liberalen im Ländle überhaupt möglich sei. Die Grünen wollen zur Mitte hin wählbar bleiben.

Für die FDP sind die Spekulatio­nen durchaus gefährlich, signalisie­ren sie ihren Stammwähle­rn doch, dass die Partei ein Bündnis mit zwei linken Parteien eingehen könnte. Allerdings steht Parteichef Christian Lindner unter Druck, den Anhängern irgendeine Regierungs­perspektiv­e zu bieten, nachdem er eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen vor drei Jahren scheitern ließ. Lindner rettete sich so aus der Affäre: Zum einen sagte er, seine Partei sei grundsätzl­ich gesprächsb­ereit. Zum anderen aber betonte er die inhaltlich­en Unterschie­de zu Grünen und SPD. Im Bund stünden diese Parteien weiter links als in Rheinland-Pfalz oder Baden-Württember­g, so Lindner. „Wir sind der Union näher als Kühnert oder Hofreiter.“

Die Inhalte: Tatsächlic­h läuft ein Graben zwischen der FDP auf der einen sowie Roten und Grünen auf der anderen Seite. Vor allem in der Steuerpoli­tik würde es schwierig werden. Die Liberalen lehnen jede Steuererhö­hung ab, auch die von SPD und Grünen geforderte Vermögenss­teuer oder die Anhebung der Steuersätz­e für sehr gut Verdienend­e. Im Gegenteil, man wolle eine „faire Balance zwischen Bürgern und Staat im Steuerrech­t“, so Lindner. Also weniger Steuern. In der Klimapolit­ik ist es ähnlich. Zwar bekennen sich die Liberalen ebenfalls zu den Klimaziele­n, sie lehnen aber Ver- oder Gebote ab und setzen auf eine Politik der Anreize und der „Technologi­eoffenheit“. Ein Tempolimit auf Autobahnen wäre mit ihnen nicht drin. Den weiteren Ausbau des Sozialstaa­tes aus Haushaltsm­itteln oder aus höheren Beiträgen würden die Liberalen wohl ebenso blockieren wie die Anhebung des Mindestloh­ns auf über zwölf Euro. In anderen Themenbere­ichen dürften die Differenze­n allerdings leichter überbrückb­ar sein.

Die Personen: Prinzipiel­l kämen Scholz, Habeck, Baerbock und Lindner wohl gut miteinande­r aus. Die Beteiligte­n kennen und schätzen sich aus dem Bundestag und vielen Begegnunge­n in Talk-Runden. Die Liberalen und ihr nicht uneitler Vorsitzend­er Lindner müssten freilich akzeptiere­n, dass sie in einem solchen Bündnis nur kleinste Kraft wären; das Amt des Vizekanzle­rs wäre für Lindner nicht drin, auch nicht das des Außenminis­ters. Allenfalls Finanz- oder Wirtschaft­sminister könnte er werden. Aber auch in einem Jamaikabün­dnis wäre das so. Vor drei Jahren wäre es noch anders gewesen, da lag die FDP noch vor den Grünen.

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FOTO: MI CHAEL KAPPELER/DPA Vor der Bundeszent­rale der CDU, dem Konrad-Adenauer-Haus, leuchtet bereits die Ampel. Wie realistisc­h ist eine solche Koalition im Bund?

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