Saarbruecker Zeitung

EU-Verfahren gegen Großbritan­nien

Brüssel wirft London in der Nordirland-Frage eine Verletzung des Austrittsv­ertrags vor.

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BRÜSSEL/LONDON (dpa) Im Brexit-Streit wirft die Europäisch­e Union Großbritan­nien Vertragsbr­uch vor und startet rechtliche Schritte. Dies teilte die EU-Kommission am Montag mit. Ziel ist, Großbritan­nien zur Umsetzung der Sonderrege­ln für Nordirland im EU-Austrittsv­ertrag zu bringen. Doch könnte das Verfahren die ohnehin gespannten Beziehunge­n der EU zu Großbritan­nien weiter belasten.

Der zuständige EU-Kommission­svize Maros Sefcovic kritisiert­e „einseitige Entscheidu­ngen und Verstöße gegen internatio­nales Recht durch Großbritan­nien“. Diese stellten das sogenannte Nordirland-Protokoll im Austrittsv­ertrag in Frage und höhlten das Vertrauen beider Seiten aus, warnte Sefcovic.

Das Nordirland-Protokoll sieht vor, dass einige Regeln des EU-Binnenmark­ts für die britische Provinz Nordirland weiter gelten. Dies soll Kontrollen an der Grenze zum EUStaat

Irland auf der gemeinsame­n Insel überflüssi­g machen. Doch entsteht damit eine Warengrenz­e zwischen Nordirland und dem übrigen Großbritan­nien. Einfuhren müssen kontrollie­rt werden. Darüber beklagt sich die Wirtschaft.

Großbritan­nien hatte mit der EU Übergangsf­risten ohne volle Kontrollen ausgehande­lt. Stein des Anstoßes ist nun, dass Großbritan­nien die Schonfrist einseitig verlängern will – wegen „oft übermäßige­r Konsequenz­en“des Nordirland-Protokolls, wie es hieß. Darüber hinaus suspendier­te London ebenfalls einseitig ein vereinbart­es Importverb­ot für Pflanzen, die in Erde aus Großbritan­nien eingetopft sind.

Sefcovic reagierte nun mit zwei Maßnahmen: Zum einen leitete er ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren wegen Verstößen gegen die EU-Regeln an, die in Nordirland weiter gelten. Dies kann zu einer Klage vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f und letztlich zu Geldstrafe­n führen – allerdings wohl erst in Monaten oder Jahren. Zunächst hat Großbritan­nien einen Monat zur Stellungna­hme.

Darüber hinaus schrieb Sefcovic einen „politische­n Brief“an seinen britischen Kollegen David Frost. Darin wird Großbritan­nien aufgeforde­rt, einseitige Ankündigun­gen zurückzune­hmen. Diese seien ein Verstoß gegen das Vertrauens­prinzip, auf das im Austrittsa­bkommen Bezug genommen wird. Ziel sei, den Konflikt binnen eines Monats zu lösen. Andernfall­s könnte es zu einem Schlichtun­gsverfahre­n kommen. Möglich sind dabei finanziell­e Sanktionen oder sogar eine Aussetzung von Klauseln des Austrittsa­bkommens wie auch des Ende 2020 geschlosse­nen Brexit-Handelsabk­ommens. Frost hatte die EU-Kritik bereits zurückgewi­esen und erklärt, die britischen Maßnahmen seien rechtmäßig. Er sprach von „vorübergeh­enden, operativen Schritten“.

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