Streitfall Anton-von-Werner: AfD eilt Museum zur Hilfe
Der Saarbrücker Stadtrat segnete das Kunst-Projekt ab, doch später „liked“der Kulturdezernent den Angriff auf das Historische Museum Saar auf Facebook – warum?
Seine Verteidigungs-Kavallerie kann man sich nicht immer aussuchen, wenn öffentlich gestritten wird. Freilich war im aktuellen Fall diese Art von politischer Lagerbildung und Polarisierung absehbar: Die AfD ist dem Direktor des Historischen Museums Saar im Streit um die aktuelle Ausstellung „Monumente des Krieges“zur Seite geeilt. Das Projekt macht den im Kaiserreich für Saarbrücken und nationalistische Propagandazwecke entstandenen Gemälde-Zyklus Anton von Werners zum Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) erstmals nach Kriegsende wieder öffentlich.
Das ist nach Auffassung der grünen Heinrich-Böll-Stiftung gänzlich inakzeptabel und unnötig, denn, so die polemisch anmutende Argumentation in Kürze, man überhöhe diese undemokratische Kunst und feiere einen „Reaktionär“und „Frauenhasser“, dessen Werke deutschnationalen Kräften noch in den 1950er Jahren zu Kulturkämpfen dienten. Zudem verbreite das Museum durch die Ausstellung frankreichfeindliches Gedankengut. Fazit: Deshalb seien weder der auf Staatskosten erfolgte Ankauf noch die Restaurierung der Bilder gerechtfertigt. All das schrieb der Stiftungs-Geschäftsführer Erich Später in einem Beitrag – und löste damit Widerspruch aus (die SZ berichtete ausführlich).
Auf diesen groben Klotz setzt die AfD nun einen eben solchen Keil. „Hasserfüllt“sei die Attacke der Böll-Stiftung, heißt es in einer Pressemitteilung. Mit viel Pathos verteidigt der Saarbrücker AfD-Stadtrats-Vorsitzende Bernd Georg Krämer die Kunstfreiheit. Er prangert die „Bilderstürmerei, Tilgung von Namen, Denkmalstürze und Denunziationen“als „Charakteristika von Diktaturen“an – und meint damit die grüne Position. „Wehret den Anfängen“, lautet sein Schluss-Appell.
Derweil verweist das Historische Museum Saar auf sein demokratisch legitimiertes Vorgehen in der Sache von Werner. Am 28. April 2020 entschied nämlich der Saarbrücker Stadtrat über den Casus. Warum? Durch vertragliche Vereinbarungen war die Landeshauptstadt immer noch eine Miteigentümerin des Rathauszyklus, den sie in den 1990er Jahren unentgeltlich an zwei Privatleute
übertragen hatte. Die Auflage: Der Zyklus sei zu restaurieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Was aus vielerlei Gründen so nie geschah. Fakt ist jedoch, dass diese einstigen Vereinbarungen genau das vorsahen, was das Historische Museum Saar nun nach endlosem Zuwarten und Zaudern zu Wege bringt: die Präsentation. Voraussetzung dafür – denn davon hingen Fördermittel der Kulturstiftung der Länder ab – war der Erwerb der Bilder durch das Historische Museum.
Dass es sich dabei um den „größten Ankauf“seit Bestehen der Einrichtung handelt, wie Museumschef Simon Matzerath stolz verkündete, stieß beim Geschäftsführer der Böll-Stiftung Erich Später auf höchste Missbilligung. Steuergeldverschwendung für fragwürdiges Zeugs!? Doch die Matzerath-Aussage klingt bombastischer, als sie ist. „Im Historischen Museum wurde bis dato nichts über 2500 Euro angekauft“, so Matzerath, der den Preis des Zyklus nicht nennen will, ihn lediglich mit „weit unter 100 000 Euro“angibt. Die Kulturstiftung gab 16 667 Euro dazu, zur Restaurierung zweier Werke nochmal 50 000 Euro. Zum wiederholten Mal betont der Museums-Chef, dass er die Von-Werner-Bilder nicht etwa als Kunstgegenstände zeigen, sondern als Quellen befragen will: „Wir werden ihre Aussagekraft aus heutigem Blickwinkel kritisch einordnen“.
Davon wusste Saarbrückens Kulturdezernent, der Grüne Thomas Brück, nach eigenem Bekunden nichts, als er am 6. März den Später-Beitrag auf seinem Facebook-Account mit einem „like“versah. „Das habe ich als Privatmann getan“, sagt Brück der SZ und räumt ein, noch „keine eigenen Recherchen“zu von Werner angestrengt zu haben. Er habe den Text Späters als überfällige Anregung zur Debatte gewertet und als tauglich dafür befunden. Denn dass der Stadtrat im April 2020 überhaupt nicht politisch diskutierte, sondern die Übertragung des Zyklus als formalen Akt abwickelte, „das hat mich doch sehr gewundert“.
Kurios ist, dass die Attacke das Historische Museum zu einem Zeitpunkt trifft, da es überregional erstmals eine ungewöhnlich umfangreiche Wahrnehmung erfährt. Zwar erfolgte noch keine Ausstellungsbesprechung, denn erst am 19. März ist Eröffnung. Aber online veröffentlichte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“bereits die bildanalytische Abhandlung zum von-Werner-Zyklus „Eiserner Kanzler in Gold“. Ohne dass der Autor das Projekt an sich als fragwürdig erachtet hätte.