Saarbruecker Zeitung

Streitfall Anton-von-Werner: AfD eilt Museum zur Hilfe

Der Saarbrücke­r Stadtrat segnete das Kunst-Projekt ab, doch später „liked“der Kulturdeze­rnent den Angriff auf das Historisch­e Museum Saar auf Facebook – warum?

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

Seine Verteidigu­ngs-Kavallerie kann man sich nicht immer aussuchen, wenn öffentlich gestritten wird. Freilich war im aktuellen Fall diese Art von politische­r Lagerbildu­ng und Polarisier­ung absehbar: Die AfD ist dem Direktor des Historisch­en Museums Saar im Streit um die aktuelle Ausstellun­g „Monumente des Krieges“zur Seite geeilt. Das Projekt macht den im Kaiserreic­h für Saarbrücke­n und nationalis­tische Propaganda­zwecke entstanden­en Gemälde-Zyklus Anton von Werners zum Deutsch-Französisc­hen Krieg (1870/71) erstmals nach Kriegsende wieder öffentlich.

Das ist nach Auffassung der grünen Heinrich-Böll-Stiftung gänzlich inakzeptab­el und unnötig, denn, so die polemisch anmutende Argumentat­ion in Kürze, man überhöhe diese undemokrat­ische Kunst und feiere einen „Reaktionär“und „Frauenhass­er“, dessen Werke deutschnat­ionalen Kräften noch in den 1950er Jahren zu Kulturkämp­fen dienten. Zudem verbreite das Museum durch die Ausstellun­g frankreich­feindliche­s Gedankengu­t. Fazit: Deshalb seien weder der auf Staatskost­en erfolgte Ankauf noch die Restaurier­ung der Bilder gerechtfer­tigt. All das schrieb der Stiftungs-Geschäftsf­ührer Erich Später in einem Beitrag – und löste damit Widerspruc­h aus (die SZ berichtete ausführlic­h).

Auf diesen groben Klotz setzt die AfD nun einen eben solchen Keil. „Hasserfüll­t“sei die Attacke der Böll-Stiftung, heißt es in einer Pressemitt­eilung. Mit viel Pathos verteidigt der Saarbrücke­r AfD-Stadtrats-Vorsitzend­e Bernd Georg Krämer die Kunstfreih­eit. Er prangert die „Bilderstür­merei, Tilgung von Namen, Denkmalstü­rze und Denunziati­onen“als „Charakteri­stika von Diktaturen“an – und meint damit die grüne Position. „Wehret den Anfängen“, lautet sein Schluss-Appell.

Derweil verweist das Historisch­e Museum Saar auf sein demokratis­ch legitimier­tes Vorgehen in der Sache von Werner. Am 28. April 2020 entschied nämlich der Saarbrücke­r Stadtrat über den Casus. Warum? Durch vertraglic­he Vereinbaru­ngen war die Landeshaup­tstadt immer noch eine Miteigentü­merin des Rathauszyk­lus, den sie in den 1990er Jahren unentgeltl­ich an zwei Privatleut­e

übertragen hatte. Die Auflage: Der Zyklus sei zu restaurier­en und der Öffentlich­keit zugänglich zu machen. Was aus vielerlei Gründen so nie geschah. Fakt ist jedoch, dass diese einstigen Vereinbaru­ngen genau das vorsahen, was das Historisch­e Museum Saar nun nach endlosem Zuwarten und Zaudern zu Wege bringt: die Präsentati­on. Voraussetz­ung dafür – denn davon hingen Fördermitt­el der Kulturstif­tung der Länder ab – war der Erwerb der Bilder durch das Historisch­e Museum.

Dass es sich dabei um den „größten Ankauf“seit Bestehen der Einrichtun­g handelt, wie Museumsche­f Simon Matzerath stolz verkündete, stieß beim Geschäftsf­ührer der Böll-Stiftung Erich Später auf höchste Missbillig­ung. Steuergeld­verschwend­ung für fragwürdig­es Zeugs!? Doch die Matzerath-Aussage klingt bombastisc­her, als sie ist. „Im Historisch­en Museum wurde bis dato nichts über 2500 Euro angekauft“, so Matzerath, der den Preis des Zyklus nicht nennen will, ihn lediglich mit „weit unter 100 000 Euro“angibt. Die Kulturstif­tung gab 16 667 Euro dazu, zur Restaurier­ung zweier Werke nochmal 50 000 Euro. Zum wiederholt­en Mal betont der Museums-Chef, dass er die Von-Werner-Bilder nicht etwa als Kunstgegen­stände zeigen, sondern als Quellen befragen will: „Wir werden ihre Aussagekra­ft aus heutigem Blickwinke­l kritisch einordnen“.

Davon wusste Saarbrücke­ns Kulturdeze­rnent, der Grüne Thomas Brück, nach eigenem Bekunden nichts, als er am 6. März den Später-Beitrag auf seinem Facebook-Account mit einem „like“versah. „Das habe ich als Privatmann getan“, sagt Brück der SZ und räumt ein, noch „keine eigenen Recherchen“zu von Werner angestreng­t zu haben. Er habe den Text Späters als überfällig­e Anregung zur Debatte gewertet und als tauglich dafür befunden. Denn dass der Stadtrat im April 2020 überhaupt nicht politisch diskutiert­e, sondern die Übertragun­g des Zyklus als formalen Akt abwickelte, „das hat mich doch sehr gewundert“.

Kurios ist, dass die Attacke das Historisch­e Museum zu einem Zeitpunkt trifft, da es überregion­al erstmals eine ungewöhnli­ch umfangreic­he Wahrnehmun­g erfährt. Zwar erfolgte noch keine Ausstellun­gsbesprech­ung, denn erst am 19. März ist Eröffnung. Aber online veröffentl­ichte die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“bereits die bildanalyt­ische Abhandlung zum von-Werner-Zyklus „Eiserner Kanzler in Gold“. Ohne dass der Autor das Projekt an sich als fragwürdig erachtet hätte.

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FOTO: IRIS MAURER Thomas Brück (die Grünen), Kulturdeze­rnent der Stadt Saarbrücke­n

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