Saarbruecker Zeitung

Eine Vielseitig­e mit Hang zur Spätzündun­g

Rachel Mrosek tanzt auf vielen künstleris­chen Hochzeiten. Jetzt würde sie auch noch gern einen besonderen Ofen anheizen.

- VON ISABELL SCHIRRA

Ein wenig öffentlich­keitsscheu sei sie schon, gibt Rachel Mrosek zu. Anlässlich unserer Atelier-Reihe wolle sie aber doch einmal mutig sein, ihr Atelier öffnen, über sich erzählen. Glückliche­rweise. Denn Mrosek ist eine bemerkensw­erte Frau und vielleicht eine der vielschich­tigsten Künstlerin­nen des Saarlandes.

Viele kunstinter­essierte Saarländer und Saarländer­innen werden schon mindestens einmal mit Mroseks Arbeiten in Verbindung gekommen sein – wahrschein­lich sogar ganz unbemerkt. Die Flyer, Einladunge­n und Plakate der jährlich stattfinde­nden Nacht der schönen Künste zum

Beispiel stammen von Mrosek.

Und nicht nur das: Seit 2012, als die ursprüngli­chen Initiatore­n der Nacht der schönen Künste das Saarland verlassen und ihr Projekt sozusagen weitervere­rbt haben, organisier­t Mrosek gemeinsam mit ihrem Kollegen Volker Schütz auch das Event. Im Angesicht ihrer vielen weiteren Tätigkeits­bereiche vergisst Rachel Mrosek im Gespräch fast die Nacht der schönen Künste zu erwähnen. „Stimmt, die gibt es ja auch noch“, lacht sie.

Sind manche schon mit einem einzigen Instagram-Account überforder­t, hat Rachel Mrosek gleich fünf. Mit Hybris hat das allerdings nichts zu tun. „Einen Account für je einen Arbeitsber­eich“, erklärt Mrosek, „ich wollte das strikt trennen“.

Beginnen wir mit Mroseks Arbeit als Grafik-Designerin. Nicht, dass diese den wichtigste­n Anteil an Mroseks medusenähn­licher Künstlerin­nen-Identität ausmacht – vielmehr macht es den Eindruck, als seien Mrosek all ihre vielseitig­en Arbeitsber­eiche gleich wichtig, als schaffe sie es außerdem mühelos, von einem künstleris­chen Code in den nächsten zu switchen.

Allerdings hat Mroseks Künstlerin­nen-Dasein, wenn man so will, im Grafik-Design seinen Anfang genommen. Mrosek, gebürtige Saarländer­in, erzählt von ihrer Zeit in New York, wo sie nach dem Schulabsch­luss ein Jahr als Au-pair verbrachte. Regelmäßig pendelte sie mit ihrer Familie dort nach San Diego, wo sie schließlic­h Leute kennenlern­te, noch heute sind sie enge Freunde, die in einer Agentur arbeiteten. „Das war meine erste Kontaktauf­nahme mit diesem Arbeitsber­eich“, erinnert sich Mrosek.

Sie verlängert­e ihren Aufenthalt in den USA, hängt an das Au-pair-Jahr ein einjährige­s Praktikum in besagter Agentur an. Zurück im Saarland macht sie eine Ausbildung zur Mediengest­alterin, es folgten viele Jahre in klassische­n Werbeagent­uren und mit freiberufl­icher Arbeit.

Nebenher Kunst gemacht habe sie immer: Malerei, Performanc­es, Fotografie. Zwischenze­itlich hatte Mrosek sogar ein eigenes Atelier im Kulturzent­rum am Eurobahnho­f. Doch noch Kunst zu studieren, diesen Traum habe sie 20 Jahre mit sich rumgeschle­ppt, sagt Mrosek. Erst 2015 hat sie diesen Schritt gewagt, zeitlich hat es da einfach besser gepasst, die Kinder waren groß, Mrosek im Berufslebe­n etabliert, die Familie versorgt.

An der Hochschule der bildenden Künste Saar beworben hat sie sich eigentlich mit ihren bereits bestehende­n Arbeitsber­eichen, Malerei, Performanc­e und Fotografie also. Insbesonde­re letzterer hat sie sich im Studium dann auch intensiv zugewendet – ihren autodidakt­isch erworbenen Fähigkeite­n, die sie schon lange auch als freie Fotografin nutzte, habe das das „I-Tüpfelchen verliehen, einen Qualitätss­chub verpasst“, sagt Mrosek.

Gleichzeit­ig hat sie in ihrer Zeit an der HbK eine neue künstleris­che Ausdrucksa­rt kennen und lieben gelernt: die Porzellan-Gestaltung. Wenn Mrosek über das Arbeiten mit Porzellan spricht, leuchten ihre Augen: „Das hatte sofort eine große Anziehungs­kraft

auf mich, es war Liebe auf den ersten Blick, ich mag serielles Arbeiten einfach gern, die Variation im Seriellen und bei der Arbeit mit Porzellan auch das Zusammensp­iel von Kunst und Design“.

Ihr Studium der freien Kunst hat sie im September letzten Jahres mit einer Installati­on aus 74 Porzellank­örpern abgeschlos­sen. Eingepackt in mit Papierschn­ipseln gefüllten Kisten ruhen die jetzt in ihrem Atelier, warten darauf, dass sie vielleicht doch noch einem Publikum zugänglich gemacht werden können.

In Mroseks Atelier hat übrigens nichts seinen festen Platz. Sie räumt Tische, Stühle und Leinwände immer dorthin, wo sie sie gerade braucht. Machmal räumt sie auch die ganze Fläche frei. Dann, wenn sie Platz zum Tanzen braucht. Auch das ist eine Leidenscha­ft, eine künstleris­che Ausdrucksa­rt Mroseks. „Mit dem Tanz war es so ähnlich wie mit dem Porzellan“, sagt sie, „eine große Liebe, die ich spät im Leben entdeckt habe.“

Seit elf Jahren nimmt Mrosek an Tanzworksh­ops teil, tanzt bei Claudia und Samuel Meystre, ergänzend zu ihrem Studium legte sie sogar Lehrproben in Tanzpädago­gik und Körperarbe­it ab, seit 2019 ist sie festes Mitglied des Tanzkollek­tivs Plattform 3.

Trotz all ihrer künstleris­chen Ausdrucksm­öglichkeit­en

herrscht bei Mrosek aktuell „mentaler Leerlauf“, wie sie sagt. Auch sie ist nicht nur vom Lockdown gequält, sondern auch massiv in ihrer Arbeit behindert. Mit Porzellan etwa kann sie momentan gar nicht arbeiten – das geht nur mit entspreche­nder Ausstattun­g, und die wiederum gibt es aktuell nur an der HbK, die ja für die Öffentlich­keit geschlosse­n ist.

Die Tatsache, dass es im Saarland bisher keine öffentlich­e Porzellanw­erkstatt gibt, will Mrosek ändern. Deshalb arbeitet sie daran, eine solche aufzubauen: „Ich glaube Saarbrücke­n kann das gut gebrauchen.“Dabei geht es ihr nicht nur darum, einen eigenen Arbeitspla­tz zu haben, sondern sie will die Werkstatt auch mit einem Angebot für Interessie­rte verknüpfen: Workshops, Seminare, Brennservi­ce, freie Werkstattn­utzung. All sowas. Für die Finanzieru­ng des Brennofens hat sie daher auf ihrer Website ein Crowdfundi­ng ausgerufen. Dort kann man übrigens auch eine Auswahl von Mroseks vielseitig­en Arbeiten entdecken. www.rachelmros­ek.de

„Einen Account für je einen Arbeitsber­eich, ich wollte das strikt trennen.“

Rachel Mrosek erklärt, warum sie sogar fünf Instagram-Kanäle hat

„Mit dem Tanz war es so ähnlich wie mit dem Porzellan, eine große Liebe, die ich spät im Leben entdeckt habe.“

Rachel Mrosek

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Rachel Mrosek entdeckte in Amerika das Graphik-Design für sich. So ging es los. Nebenher malte, performte und fotografie­rte sie. Als die Kinder groß waren, begann sie einen neuen künstleris­chen Lebensabsc­hnitt – oder genau genommen eigentlich mehrere.
FOTO: IRIS MAURER Rachel Mrosek entdeckte in Amerika das Graphik-Design für sich. So ging es los. Nebenher malte, performte und fotografie­rte sie. Als die Kinder groß waren, begann sie einen neuen künstleris­chen Lebensabsc­hnitt – oder genau genommen eigentlich mehrere.

Newspapers in German

Newspapers from Germany