Eine Vielseitige mit Hang zur Spätzündung
Rachel Mrosek tanzt auf vielen künstlerischen Hochzeiten. Jetzt würde sie auch noch gern einen besonderen Ofen anheizen.
Ein wenig öffentlichkeitsscheu sei sie schon, gibt Rachel Mrosek zu. Anlässlich unserer Atelier-Reihe wolle sie aber doch einmal mutig sein, ihr Atelier öffnen, über sich erzählen. Glücklicherweise. Denn Mrosek ist eine bemerkenswerte Frau und vielleicht eine der vielschichtigsten Künstlerinnen des Saarlandes.
Viele kunstinteressierte Saarländer und Saarländerinnen werden schon mindestens einmal mit Mroseks Arbeiten in Verbindung gekommen sein – wahrscheinlich sogar ganz unbemerkt. Die Flyer, Einladungen und Plakate der jährlich stattfindenden Nacht der schönen Künste zum
Beispiel stammen von Mrosek.
Und nicht nur das: Seit 2012, als die ursprünglichen Initiatoren der Nacht der schönen Künste das Saarland verlassen und ihr Projekt sozusagen weitervererbt haben, organisiert Mrosek gemeinsam mit ihrem Kollegen Volker Schütz auch das Event. Im Angesicht ihrer vielen weiteren Tätigkeitsbereiche vergisst Rachel Mrosek im Gespräch fast die Nacht der schönen Künste zu erwähnen. „Stimmt, die gibt es ja auch noch“, lacht sie.
Sind manche schon mit einem einzigen Instagram-Account überfordert, hat Rachel Mrosek gleich fünf. Mit Hybris hat das allerdings nichts zu tun. „Einen Account für je einen Arbeitsbereich“, erklärt Mrosek, „ich wollte das strikt trennen“.
Beginnen wir mit Mroseks Arbeit als Grafik-Designerin. Nicht, dass diese den wichtigsten Anteil an Mroseks medusenähnlicher Künstlerinnen-Identität ausmacht – vielmehr macht es den Eindruck, als seien Mrosek all ihre vielseitigen Arbeitsbereiche gleich wichtig, als schaffe sie es außerdem mühelos, von einem künstlerischen Code in den nächsten zu switchen.
Allerdings hat Mroseks Künstlerinnen-Dasein, wenn man so will, im Grafik-Design seinen Anfang genommen. Mrosek, gebürtige Saarländerin, erzählt von ihrer Zeit in New York, wo sie nach dem Schulabschluss ein Jahr als Au-pair verbrachte. Regelmäßig pendelte sie mit ihrer Familie dort nach San Diego, wo sie schließlich Leute kennenlernte, noch heute sind sie enge Freunde, die in einer Agentur arbeiteten. „Das war meine erste Kontaktaufnahme mit diesem Arbeitsbereich“, erinnert sich Mrosek.
Sie verlängerte ihren Aufenthalt in den USA, hängt an das Au-pair-Jahr ein einjähriges Praktikum in besagter Agentur an. Zurück im Saarland macht sie eine Ausbildung zur Mediengestalterin, es folgten viele Jahre in klassischen Werbeagenturen und mit freiberuflicher Arbeit.
Nebenher Kunst gemacht habe sie immer: Malerei, Performances, Fotografie. Zwischenzeitlich hatte Mrosek sogar ein eigenes Atelier im Kulturzentrum am Eurobahnhof. Doch noch Kunst zu studieren, diesen Traum habe sie 20 Jahre mit sich rumgeschleppt, sagt Mrosek. Erst 2015 hat sie diesen Schritt gewagt, zeitlich hat es da einfach besser gepasst, die Kinder waren groß, Mrosek im Berufsleben etabliert, die Familie versorgt.
An der Hochschule der bildenden Künste Saar beworben hat sie sich eigentlich mit ihren bereits bestehenden Arbeitsbereichen, Malerei, Performance und Fotografie also. Insbesondere letzterer hat sie sich im Studium dann auch intensiv zugewendet – ihren autodidaktisch erworbenen Fähigkeiten, die sie schon lange auch als freie Fotografin nutzte, habe das das „I-Tüpfelchen verliehen, einen Qualitätsschub verpasst“, sagt Mrosek.
Gleichzeitig hat sie in ihrer Zeit an der HbK eine neue künstlerische Ausdrucksart kennen und lieben gelernt: die Porzellan-Gestaltung. Wenn Mrosek über das Arbeiten mit Porzellan spricht, leuchten ihre Augen: „Das hatte sofort eine große Anziehungskraft
auf mich, es war Liebe auf den ersten Blick, ich mag serielles Arbeiten einfach gern, die Variation im Seriellen und bei der Arbeit mit Porzellan auch das Zusammenspiel von Kunst und Design“.
Ihr Studium der freien Kunst hat sie im September letzten Jahres mit einer Installation aus 74 Porzellankörpern abgeschlossen. Eingepackt in mit Papierschnipseln gefüllten Kisten ruhen die jetzt in ihrem Atelier, warten darauf, dass sie vielleicht doch noch einem Publikum zugänglich gemacht werden können.
In Mroseks Atelier hat übrigens nichts seinen festen Platz. Sie räumt Tische, Stühle und Leinwände immer dorthin, wo sie sie gerade braucht. Machmal räumt sie auch die ganze Fläche frei. Dann, wenn sie Platz zum Tanzen braucht. Auch das ist eine Leidenschaft, eine künstlerische Ausdrucksart Mroseks. „Mit dem Tanz war es so ähnlich wie mit dem Porzellan“, sagt sie, „eine große Liebe, die ich spät im Leben entdeckt habe.“
Seit elf Jahren nimmt Mrosek an Tanzworkshops teil, tanzt bei Claudia und Samuel Meystre, ergänzend zu ihrem Studium legte sie sogar Lehrproben in Tanzpädagogik und Körperarbeit ab, seit 2019 ist sie festes Mitglied des Tanzkollektivs Plattform 3.
Trotz all ihrer künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten
herrscht bei Mrosek aktuell „mentaler Leerlauf“, wie sie sagt. Auch sie ist nicht nur vom Lockdown gequält, sondern auch massiv in ihrer Arbeit behindert. Mit Porzellan etwa kann sie momentan gar nicht arbeiten – das geht nur mit entsprechender Ausstattung, und die wiederum gibt es aktuell nur an der HbK, die ja für die Öffentlichkeit geschlossen ist.
Die Tatsache, dass es im Saarland bisher keine öffentliche Porzellanwerkstatt gibt, will Mrosek ändern. Deshalb arbeitet sie daran, eine solche aufzubauen: „Ich glaube Saarbrücken kann das gut gebrauchen.“Dabei geht es ihr nicht nur darum, einen eigenen Arbeitsplatz zu haben, sondern sie will die Werkstatt auch mit einem Angebot für Interessierte verknüpfen: Workshops, Seminare, Brennservice, freie Werkstattnutzung. All sowas. Für die Finanzierung des Brennofens hat sie daher auf ihrer Website ein Crowdfunding ausgerufen. Dort kann man übrigens auch eine Auswahl von Mroseks vielseitigen Arbeiten entdecken. www.rachelmrosek.de
„Einen Account für je einen Arbeitsbereich, ich wollte das strikt trennen.“
Rachel Mrosek erklärt, warum sie sogar fünf Instagram-Kanäle hat
„Mit dem Tanz war es so ähnlich wie mit dem Porzellan, eine große Liebe, die ich spät im Leben entdeckt habe.“
Rachel Mrosek