Statt Festival ein fein klingendes Video aus der Kapelle
Zu Besuch bei den Konzert-Aufnahmen mit dem Stefan Münzer Trio. Für „Jazz im Warndt“-Freunde gibt es online Trost.
Mehr Understatement geht nicht: „Jetzt mal im Ernst: Ich finde das einigermaßen o.k.“, sagt Schlagzeuger Christian Fischer: „Wenn ich mein Spiel dosiere, geht’s. Und ich höre Euch sehr gut.“
Mit „einigermaßen o.k.“meint Fischer die akustischen Bedingungen beim Soundcheck in der Wendalinuskapelle Ludweiler. Man könnte auch sagen: Was man hier zu hören kriegt, klingt erstaunlich gut und unerwartet transparent. Schließlich ist es eine echte Herausforderung, den Sound eines Jazztrios in diesem heimelig kleinen Gemäuer einzufangen, in dem eigentlich nichts dämpft außer den paar
Leuten, die sich gerade darin aufhalten dürfen. Mit kritischen Ohren hört das Trio in die Probeaufnahmen rein. Aber, oh Wunder: Statt Hallfahnen, Scheppern und Wummern ertönt Studiotaugliches.
Thorsten Gand, Leiter des Festivals „Jazz im Warndt“, und der Tonund Videotechniker Oliver Berberich nebst Helfern waren schon seit dem Vortag vor Ort, um den Mitschnitt eines rund 60-minütigen Live-Konzerts des Stefan Münzer Trios vorzubereiten. Wenn schon wiederholt aus bekannten pandemischen Gründen kein Festival stattfinden darf, dann soll wenigstens ein per Stream abrufbares Video den Fans signalisieren: „Hey, wir existieren noch!“
Doch was ursprünglich als Ersatzveranstaltung gedacht war, hat sich in der Wahrnehmung aller Beteiligten längst zu einer vollwertigen, eigenständigen Initiative gemausert. Was vielleicht auch am Charakter des Aufnahmeorts liegt: „Es ist ein optimaler Raum für kleines Publikum“, schwärmt Thorsten Gand, „hier stimmt alles – das Ambiente, der Sound, die geheimnisvolle Atmosphäre.“
Die 1897 erbaute Kapelle, die ohnehin mit dem Festival verknüpft ist, weil hier die Begleitreihe „Jazz meets ...“läuft, bietet intime Bedingungen: Alles rückt kuschelig eng zusammen – unter Einhaltung sämtlicher Hygieneregeln, versteht sich. Damit einigermaßen Betriebstemperatur herrscht, lärmen in den Musizierpausen vier mobile Heizlüfter vor sich hin.
Sie wurden bereitgestellt von der Patengemeinschaft der Kapelle, die zuvor auch ordentlich durchgefegt und alles vorbereitet hat. Beim Flügeltransport, erzählt Gand, der sich gar nicht mehr einkriegt vor lauter Dankbarkeit, habe der Verein ebenfalls mit angepackt: Mit vereinten Kräften wurde ein Flügel in die Kapelle gewuppt; unentgeltlich bereitgestellt von Michael Landt vom Pianohaus Landt in Dillingen, dem Gand für sein Engagement ebenfalls die Füße küssen könnte.
Und für den guten Ton und die Videoaufnahme sorgt Oliver Berberich, der mit seiner Stuttgarter Filmproduktions-Firma „tape in a nutshell“zwar nicht gerade um die Ecke wohnt, aber dennoch seit 2018 zum Festivalteam gehört: Bei „Jazz im Warndt“ist er für den Saalsound verantwortlich und schneidet auch dort die Konzerte in Bild und Ton mit. Der Hintergrund: Berberich ist ein ehemaliger Student von Gand; die beiden hatten sich in Stuttgart kennengelernt, wo der Saarbrücker Gand – neben seinen Tätigkeiten als Schullehrer und Pianist – an einer privaten Hochschule außerdem Konzertmanagement unterrichtet.
Am Vorabend war alles so weit eingerichtet, dass Gand mit seinem
Duopartner, dem Flötisten Claudio Cervone, selbst ein paar Aufnahmen machen konnte. Am Samstagvormittag rückte dann das Stefan Münzer Trio zum Soundcheck an.
Auch für die drei Musiker ist das Ganze mehr als nur ein Alibi oder irgendein Konzert: Tatsächlich sei es, abgesehen von einem privaten Gartenkonzert im Sommer, der erste „Auftritt“seit des CD-Release-Konzerts Mitte Februar vergangen Jahres im Saarbrücker Jazzclub Terminus, berichtet der Pianist und Ensemblechef Stefan Münzer.
Irrwitzigerweise ist das dort live vorgestellte neue Album „Utopia“mit Kompositionen aus der Feder des Bandleaders über ein Jahr später immer noch nicht offiziell auf dem Markt, weil das wegen der allgemeinen Rahmenbedingungen vertriebstechnisch bislang wenig Sinn hatte.
Insofern freuen sich Münzer, Bassist Jan Oestreich und Schlagzeuger Christian Fischer natürlich extrem über die Möglichkeit, endlich mal wieder Präsenz zu zeigen. Alle sind hoch motiviert. Gand: „Ich glaube, man darf nicht immer nur abwarten, sondern muss einfach mal machen. Mir hat es einen richtigen Schub gegeben, die Sache hier vorzubereiten.“Und Stefan Münzer hat sogar eigens zwei neue Stücke geschrieben. Abends, als in der Dämmerung das Kunstlicht eingerichtet ist, kann’s losgehen mit den Aufnahmen. Inklusive Moderation – wie bei einem echten Live-Konzert.
„Es ist ein optimaler Raum für kleines Publikum, hier stimmt alles – das Ambiente, der Sound. . .“
Thorsten Gand
schwärmt von der Wendalinuskapelle
Ab Freitag, 27. März, ist das Konzert-Video unter www.jazzimwarndt.de abrufbar.