Furcht vor Corona-Welle durch Touristen
Seit die Balearen nicht mehr als Risikogebiet gelten, müssen deutsche Urlauber nicht mehr bei ihrer Rückkehr in Quarantäne. Aber nicht alle Spanier sind glücklich mit der Aussicht auf mehr Touristen. Im Gegenteil.
(dpa) Nach der Aufhebung der Reisewarnung für Mallorca werden in Deutschland bereits beschwingt die Koffer gepackt, real oder zumindest in Gedanken. Die Buchungen steigen sprunghaft an. Auf der coronageplagten spanischen Urlaubsinsel wecken die guten News nach monatelanger Tristesse plötzlich wieder Freude und Zuversicht. „Das ist eine fantastische Nachricht“, zitierte die „Mallorca Zeitung“den Fremdenführer Adán André Alomar. Sonne, Strand und Sangria für die einen, Konjunkturantrieb und klingelnde Kassen für die anderen – eine typische Win-Win-Situation? Von wegen. Unzählige Menschen in Spanien schäumen vor Wut.
Bis zum 9. April dürfen die Einheimischen nach einem jüngsten
Beschluss der Zentralregierung ihre Region nur in seltenen Ausnahmefällen verlassen. Verwandtenbesuch oder Urlaub außerhalb der eigenen „Autonomen Gemeinschaft“etwa sind strikt untersagt. Deutsche und Bürger anderer Länder werden derweil nahezu hindernisfrei ins Land gelassen. Meist reicht ein PCR-Test.
Geschimpft wird daher dieser Tage überall. In Cafés, in den Medien, im Fernsehen, im Netz. Und auch in der Politik. Vor allem in der Comunidad Autónoma Madrid ist der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez zum Buhmann geworden. Die konservative Regionalregierung, die Corona mit eher laxen Regeln bekämpft, schimpft besonders laut: „Es ist unverständlich, dass sich ein Madrilene in Spanien nicht frei bewegen darf und ein Franzose, ein Deutscher oder Belgier einreisen kann“, kritisierte der Gesundheitsminister der Region, Enrique Ruiz Escudero.
„Spanien wird zu Ostern ein Bunker für die Spanier und eine Oase für die Touristen aus dem Ausland sein“, titelte am Wochenende die Zeitung „ABC“. Das Blatt „Última Hora“sprach von „Willkür“, und sogar die „Mallorca Zeitung“stellte fest: „Osterferien auf Mallorca: für Deutsche Ja, für Spanier Nein“. Im Netz ist die Entrüstung nicht minder groß. Es gibt Hunderte von Klagen.
Dabei geht es nicht nur um Frust, Neid und Unverständnis. Nachdem die Zahl der Infektionsfälle zuletzt im Zuge von teils sehr strengen Einschränkungen rapide gesenkt wurde, haben viele Angst, dass die Touristen aus Ländern mit deutlich höheren Werten – und dazu gehört auch Deutschland – eine neue Corona-Welle verursachen könnten. Zu gut sind noch die Bilder des Sommers 2020 in Erinnerung, als nach monatelangem Lockdown mit „Hausarrest“und Grenzschließungen
wieder Tourismus erlaubt wurde und angetrunkene Urlauber aus Deutschland und Großbritannien am Ballermann ohne Corona-Schutz wild Party feierten, aus nächster Nähe mit Fremden flirteten und Straßenhändler umarmten.
Dabei wissen die Menschen auf den Mittelmeer-Inseln besser als jeder andere Spanier, dass man ohne die Touristen nicht überleben kann. Der Anteil der Reisebranche am Regionaleinkommen beträgt hier 35 Prozent, für ganz Spanien sind es „nur“zwölf Prozent. Im Zuge der Pandemie und der Einschränkungen der Reisefreiheit wuchsen Arbeitslosigkeit und Armut auf den Balearen drastisch – mehr als irgendwo sonst in Spanien.
Viele sind hier trotzdem dagegen, Tourismus zuzulassen. „Das ist die beste Art und Weise, wieder zum Risikogebiet zu werden“, zitierte die „Mallorca Zeitung“den bekannten Insel-Cartoonisten Pau. „Für eine allenfalls mittelmäßige Saison“setze man „noch mehr Leben aufs Spiel“.
„Es ist unverständlich, dass sich ein Madrilene in Spanien nicht frei bewegen darf und ein Franzose, ein Deutscher oder Belgier einreisen kann.“
Enrique Ruíz Escudero
Gesundheitsminister der Region Madrid