Wie ein Saar-Forscher Schummeln stoppen will
Ein Informatiker der Saar-Uni hat ein PC-Verfahren entwickelt, mit dem sich Prüfungsaufgaben automatisiert variieren lassen.
Wer kann schon von sich sagen, nie gespickt zu haben? Schließlich kann ein verstohlener Blick auf die Aufgabenlösung des Nebensitzers inspirierend wirken. Aber es ist Pandemie und das Abschreiben ohnehin schwerer als sonst – mindestens 1,5 Meter lassen sich mit Rüberlinsen nicht überbrücken. Was aber, wenn die Klausur zu Hause geschrieben wird, ohne eingeschaltete Webcam – wer kontrolliert da, dass nicht abgeschrieben wird?
Ein Informatiker der Saarbrücker Uni hat eine Lösung gefunden und setzt sie auch gleich ein: die personalisierte Klausur. „Normalerweise sehen Uni-Klausuren so aus“, sagt Professor Jens Dittrich, der an der Saar-Uni lehrt und zum Thema Big Data forscht, „es gibt zwei Versionen der Klausur, eine A- und eine B-Version, und je eine Lösung.“Dittrich hat dafür gesorgt, dass es beliebig viele Klausuren gibt mit je individuellen Lösungen. Jeder Student, der eine Klausur schreibt, löst Aufgaben, die nur er in dieser Zusammenstellung hat. Und die Korrektoren bekommen die Lösungen zu den Aufgaben automatisiert mitgeliefert.
Möglich macht das ein PCSkript, das Dittrich geschrieben hat. Ein Skript ist eine Art Ablaufplan von Computer-Befehlen, die ein Rechner auf Wunsch automatisiert ausführt und in Reihenfolge abarbeitet. Bei Dittrich sorgt dieses Skript dafür, dass für jeden Studenten, der sich mit seiner Matrikelnummer zur Teilnahme an der Online-Klausur einwählt, umgehend eine Klausur-Variante im PDF-Format
erstellt wird. Sofern er vom System als Klausur-Teilnehmer erkannt wird.
„Das ist alles noch brandneu“, sagt Dittrich. Nachdem er getestet hatte, ob das Skript auch eine große Zahl an Klausuren in kurzer Zeit erstellen kann, wurde es für die aktuelle Klausur von 70 Studenten eingesetzt. „Um sicher zu gehen, dass technisch alles funktioniert, hatten die Studenten für die Klausurbearbeitung zweieinhalb Stunden statt wie sonst zwei Stunden Zeit“, erklärt Dittrich. Für ihn steht auch noch die Frage im Raum, inwieweit der Korrekturaufwand mit solchen personalisierten Klausuren steigt.
Denn auch wenn das System Aufgaben-Zwischenlösungen automatisiert bereitstellt, prüfen menschliche Korrektoren die Lösungswege und bewerten die Klausur. „In Informatik-Klausuren wird kein Wissen an sich abgefragt. Mir geht es darum, dass Studenten lernen, zu durchschauen und zu kombinieren, nicht zu reproduzieren“, meint Dittrich. „Es geht ums Problemlösen,
um das Wissen, was wo nachgeschlagen werden kann, und vor allem ums Anwenden“.
Weil das Skript Aufgaben flexibel variieren kann, indem es beispielsweise Zahlenwerte ändert, lassen sich damit auch ohne großen Aufwand Aufgaben aus Alt-Klausuren wiederverwenden. „Solche personalisierte Klausuren können auch in anderen Fachbereichen erstellt werden. Das Skript eignet sich zum Beispiel auch für die Geisteswissenschaften“, erklärt Dittrich.
Anfragen aus dem Umfeld der Uni hat er bislang aber noch keine erhalten. Was wohl auch daran liegt, dass die Klausuren-Phase schon begonnen hatte und eine gewisse Vorlaufszeit erforderlich ist. Je freier die Aufgabenstellung, desto schwieriger ist es, per Skript personalisierte Klausuren zu erstellen. Dittrich will sein Skript jedenfalls Uni-Kollegen zugänglich machen.
Schließen personalisierte Klausuren Täuschungsversuche also vollkommen aus? „Nein, theoretisch sind sie möglich“, meint Dittrich und erklärt: „Dafür müsste ein Student aber das System zur Generierung voll nachempfinden können, was in der Kürze der Bearbeitungszeit aber kaum möglich ist.“Vor der nächsten Klausur könne das Skript wiederum leicht abgeändert werden.
So auch für eine Viertsemester-Klausur im Sommersemester: Mit 200 Teilnehmern verspricht sie eine weitere Bewährungsprobe für das automatische Variieren von Klausuren zu werden. „Man kann per Skript aber auch nur fünf Klausuren variieren. Die Funktionsweise ist dieselbe“, sagt Dittrich. Das Skript hat er nebenbei geschrieben: „Das war relativ einfach“, sagt der Informatiker. Für Dittrich hat die Corona-Krise insofern etwas Gutes bewirkt: „Ohne Corona wäre so ein Skript nicht notwendig geworden. Jetzt kann es aber auch künftig das Erstellen von Klausuren vereinfachen und das Abschreiben verhindern.“
„Das ist alles noch brandneu.“
Jens Dittrich Informatiker an der Saar-Uni zum automatischen Variieren von Klausuren