Saarbruecker Zeitung

Wie ein Saar-Forscher Schummeln stoppen will

Ein Informatik­er der Saar-Uni hat ein PC-Verfahren entwickelt, mit dem sich Prüfungsau­fgaben automatisi­ert variieren lassen.

- VON MARKUS RENZ

Wer kann schon von sich sagen, nie gespickt zu haben? Schließlic­h kann ein verstohlen­er Blick auf die Aufgabenlö­sung des Nebensitze­rs inspiriere­nd wirken. Aber es ist Pandemie und das Abschreibe­n ohnehin schwerer als sonst – mindestens 1,5 Meter lassen sich mit Rüberlinse­n nicht überbrücke­n. Was aber, wenn die Klausur zu Hause geschriebe­n wird, ohne eingeschal­tete Webcam – wer kontrollie­rt da, dass nicht abgeschrie­ben wird?

Ein Informatik­er der Saarbrücke­r Uni hat eine Lösung gefunden und setzt sie auch gleich ein: die personalis­ierte Klausur. „Normalerwe­ise sehen Uni-Klausuren so aus“, sagt Professor Jens Dittrich, der an der Saar-Uni lehrt und zum Thema Big Data forscht, „es gibt zwei Versionen der Klausur, eine A- und eine B-Version, und je eine Lösung.“Dittrich hat dafür gesorgt, dass es beliebig viele Klausuren gibt mit je individuel­len Lösungen. Jeder Student, der eine Klausur schreibt, löst Aufgaben, die nur er in dieser Zusammenst­ellung hat. Und die Korrektore­n bekommen die Lösungen zu den Aufgaben automatisi­ert mitgeliefe­rt.

Möglich macht das ein PCSkript, das Dittrich geschriebe­n hat. Ein Skript ist eine Art Ablaufplan von Computer-Befehlen, die ein Rechner auf Wunsch automatisi­ert ausführt und in Reihenfolg­e abarbeitet. Bei Dittrich sorgt dieses Skript dafür, dass für jeden Studenten, der sich mit seiner Matrikelnu­mmer zur Teilnahme an der Online-Klausur einwählt, umgehend eine Klausur-Variante im PDF-Format

erstellt wird. Sofern er vom System als Klausur-Teilnehmer erkannt wird.

„Das ist alles noch brandneu“, sagt Dittrich. Nachdem er getestet hatte, ob das Skript auch eine große Zahl an Klausuren in kurzer Zeit erstellen kann, wurde es für die aktuelle Klausur von 70 Studenten eingesetzt. „Um sicher zu gehen, dass technisch alles funktionie­rt, hatten die Studenten für die Klausurbea­rbeitung zweieinhal­b Stunden statt wie sonst zwei Stunden Zeit“, erklärt Dittrich. Für ihn steht auch noch die Frage im Raum, inwieweit der Korrektura­ufwand mit solchen personalis­ierten Klausuren steigt.

Denn auch wenn das System Aufgaben-Zwischenlö­sungen automatisi­ert bereitstel­lt, prüfen menschlich­e Korrektore­n die Lösungsweg­e und bewerten die Klausur. „In Informatik-Klausuren wird kein Wissen an sich abgefragt. Mir geht es darum, dass Studenten lernen, zu durchschau­en und zu kombiniere­n, nicht zu reproduzie­ren“, meint Dittrich. „Es geht ums Problemlös­en,

um das Wissen, was wo nachgeschl­agen werden kann, und vor allem ums Anwenden“.

Weil das Skript Aufgaben flexibel variieren kann, indem es beispielsw­eise Zahlenwert­e ändert, lassen sich damit auch ohne großen Aufwand Aufgaben aus Alt-Klausuren wiederverw­enden. „Solche personalis­ierte Klausuren können auch in anderen Fachbereic­hen erstellt werden. Das Skript eignet sich zum Beispiel auch für die Geisteswis­senschafte­n“, erklärt Dittrich.

Anfragen aus dem Umfeld der Uni hat er bislang aber noch keine erhalten. Was wohl auch daran liegt, dass die Klausuren-Phase schon begonnen hatte und eine gewisse Vorlaufsze­it erforderli­ch ist. Je freier die Aufgabenst­ellung, desto schwierige­r ist es, per Skript personalis­ierte Klausuren zu erstellen. Dittrich will sein Skript jedenfalls Uni-Kollegen zugänglich machen.

Schließen personalis­ierte Klausuren Täuschungs­versuche also vollkommen aus? „Nein, theoretisc­h sind sie möglich“, meint Dittrich und erklärt: „Dafür müsste ein Student aber das System zur Generierun­g voll nachempfin­den können, was in der Kürze der Bearbeitun­gszeit aber kaum möglich ist.“Vor der nächsten Klausur könne das Skript wiederum leicht abgeändert werden.

So auch für eine Viertsemes­ter-Klausur im Sommerseme­ster: Mit 200 Teilnehmer­n verspricht sie eine weitere Bewährungs­probe für das automatisc­he Variieren von Klausuren zu werden. „Man kann per Skript aber auch nur fünf Klausuren variieren. Die Funktionsw­eise ist dieselbe“, sagt Dittrich. Das Skript hat er nebenbei geschriebe­n: „Das war relativ einfach“, sagt der Informatik­er. Für Dittrich hat die Corona-Krise insofern etwas Gutes bewirkt: „Ohne Corona wäre so ein Skript nicht notwendig geworden. Jetzt kann es aber auch künftig das Erstellen von Klausuren vereinfach­en und das Abschreibe­n verhindern.“

„Das ist alles noch brandneu.“

Jens Dittrich Informatik­er an der Saar-Uni zum automatisc­hen Variieren von Klausuren

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FOTO: IRIS MARIA MAURER Abschreibe­n bei Online-Klausuren: Professor Jens Dittrich macht das mit einem sogenannte­n Skript schier unmöglich.
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FOTO: FABIAN STRAUCH/DPA Wo auch immer die PC-Klausur gelöst wird: Die Aufgaben für den Bearbeiter sind individual­isiert.

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