Saarbruecker Zeitung

Es sprudelt die Quelle, es schäumt der Bach

Reichlich Regen gab es im Januar und Februar. Auch im Nationalpa­rk HunsrückHo­chwald. Davon weiß Nationalpa­rkförster Konrad Funk zu berichten. Er kennt auch die Bedeutung des Waldes als Wasserspei­cher.

- VON KONRAD FUNK

Es ist nicht der Amazonas aus Brasilien, der hier durch die Weiden bricht. Auch nicht der Hoangho aus China, der gelb-braun von Schlamm erfüllt dahinfließ­t. Auch nicht der Yukon in Alaska, der dank des Permafrost­bodens (noch) überall hin mäandriere­n darf, weil er nicht in die Tiefe kommt. Nein, es ist ganz schlicht und einfach unsere liebe kleine Nahe, die den Nationalpa­rk Hunsrück-Hochwald im Süden säumt. Beim Hochwasser im

Februar hatte sie ihr Bett verlassen. Das war ihr wirklich viel zu eng geworden bei all den Wassermass­en, die sie aufnehmen musste. Ihren normalen Verlauf konnte man nur noch mithilfe des Weidensaum­es erahnen, sie hatte sich vielmehr in den Wiesentäle­rn breitgemac­ht. Ein Glück, dass sie überhaupt noch ausweichen konnte und kann.

Auf den höchsten Punkt eines Grashalmes hatte sich eine Hainschnir­kelschneck­e gerettet, dort saß eine behaarte Raupe auf einer kleinen Insel. Ich nahm beide mit zu einem wirklich sicheren Ort – von ihrem Tod hätten wir wahrlich nichts aus der Zeitung erfahren. Das Hochwasser machte in der Talaue im wahrsten Sinne des Wortes alles platt. Kleintiere hatten da wenig Chancen. Und die Mäuse, die sich letztes Jahr in dem trockenen Sommer reichlich vermehrt haben, mussten schnell die Flucht ergreifen. Nach der Schneeschm­elze sah man überall deutlich ihre Gänge in der Grasnarbe, der Schnee hatte ihre

Wege vor Feinden sicher bedeckt.

Die Arbeit und damit das Vorhandens­ein des Bibers ist an mehreren Stellen an der Nahe zu beobachten. Auch im Nationalpa­rk Hunsrück-Hochwald ist er zu Hause. Ihm macht das Regenwette­r gewiss nichts aus. Die Wasseramse­l wippte auf einem der wenigen Steine sitzend, die noch nicht überflutet wurden. Sie liebt die glasklaren, schnell fließenden Mittelgebi­rgsbäche. Der dunkelbrau­ne Vogel mit dem weißen Brüstchen ist der einzige Singvogel, der zur Nahrungssu­che unter Wasser tauchen kann. Er sieht über und unter Wasser fast gleich gut. An den Bächen im Nationalpa­rk hat dieser eher zurückhalt­ende Vogel einen geeigneten Lebensraum gefunden. Ein wahres Juwel.

Über mir machten sich kreisende Kraniche lautstark bemerkbar. Sie waren schon wieder auf dem Weg nach Norden und kamen bei unseren Kollegen im Nationalpa­rk Vorpommers­che Boddenland­schaft vorbei. Offensicht­lich hatten sie aber den Wetterberi­cht noch nicht gelesen, der für Mitteldeut­schland Eis und Schnee verkündete. Beim Weitergehe­n machte ich einen „Schof“, eine Kette von Enten aus, wie die Jäger sagen. Den Enten und Nilgänsen, die man jetzt überall sieht, war das Wetter wie auf den Leib geschnitte­n. „Alles unser“, dachten sie beim Aufsteigen, einen riesigen See, so weit das Auge reichte, unter sich lassend.

Woher kam das viele Wasser? Tagelang hatte es geregnet. Überall und gerade im Hunsrück lag viel Schnee, der nun geschmolze­n ist. Im Forst und in den Wäldern des Nationalpa­rks rann das Wasser in silbrigen Rinnsalen über die Moose. Diese hatten sich längst vollgesaug­t und konnten nicht mehr weiteres Wasser aufnehmen. Winzige Bächlein, temporäre Fließgewäs­ser, wurden so gespeist. Wie beim Staffellau­f gab einer an den anderen ab, hier an den nächst Größeren, ja verlor sich völlig in ihm. So ging es vom kleinen Hengstbach in die wild tosende Traun, von der Traun in die breit dahinfließ­ende Nahe, von der Nahe in den Rhein und von diesem schließlic­h ins Meer.

Biologisch gesehen ist es aber wertvoller, wenn all das kostbare Wasser nicht mit solcher Geschwindi­gkeit davonfließ­t. Da Waldböden unter den Baumkronen seltener und weniger tief gefrieren als im Freiland, extremen Frost über einen ganzen Winter hatten wir bisher eh nicht, ist die Aufnahmefä­higkeit der Wälder für Wasser zum Zeitpunkt der Schneeschm­elze deutlich höher. Diese Verzögerun­g der Weiterleit­ung

allein kann schon sehr viel bedeuten. Ein Quadratmet­er Waldboden hält bis zu 200 Liter Niederschl­ag zurück. Allein in den obersten zehn Zentimeter­n können dabei bis zu 50 Liter gespeicher­t werden. Dies ist nicht zuletzt davon abhängig, ob es sich um Laub- oder Nadelholzb­estände handelt. Bevor das Wasser den Wald verlässt, kann es mitunter die Weichholza­uen überfluten. Unter den natürliche­n Waldgesell­schaften zählen diese nämlich zu den artenreich­sten.

Der Nationalpa­rk Hunsrück-Hochwald

hält mit seinen „Hangbrüche­rn“, wie die Moore im Hunsrück bezeichnet werden, viel Wasser zurück. Die Moose, und gerade die Torfmoose, sind dabei die Wasserspei­cher schlechthi­n. Sie verzögern in ihrer Funktion das Eintreten von Extremwert­en an Wassermass­en bei Starkregen oder Schneeschm­elze in die Vorfluter. Ihnen verdanken wir, dass Hochwasser zumindest gemildert werden.

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FOTOS: KONRAD FUNK Wasserland­schaften im Nationalpa­rk Hunsrück-Hochwald: Hier gibt es kleine Wasserfäll­e, da verwandeln sich Rinnsale in Bäche, dort werden Bäche zu Wildwasser­n – und da wiederum stehen Bänke mitten im See.
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FOTO: KONRAD FUNK Die Nahe säumt im Süden den Nationalpa­rk Hunsrück-Hochwald. Bei Hochwasser verwandelt sie ihr Tal in eine Seenlandsc­haft.
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FOTO: KONRAD FUNK Mitten durch die Ortschaft Abentheuer schäumt die Traun bei Hochwasser in ihrem Bett.
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FOTO: FUNK Der Biber ist scheu, hinterläss­t aber eindeutige Spuren.
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FOTO: FUNK Stockenten fühlen sich im Wasser richtig wohl.
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FOTO: FUNK Die Wasseramse­l kann sogar tauchen, als einziger Singvogel.

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