In Rheinland-Pfalz fürchtet man unambitioniertes „Weiter so“
Nach der Osterpause nehmen die Koalitions-Gespräche beim Nachbarn wieder Fahrt auf. Verbände formulieren ihre Erwartungen an die neue, alte Regierung.
(dpa) Die Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP in Rheinland-Pfalz verhandeln seit zwei Wochen unter Ausschluss der Öffentlichkeit über die Neuauflage ihrer Regierung. In der Landeshauptstadt Mainz wird dennoch kräftig über Ressort-Zuschnitte und neues Personal spekuliert. Mancher befürchtet ein unambitioniertes „Weiter so“– angesichts der sich erneut verschärfenden Pandemie und der damit auch verbundenen finanziellen Grenzen. Zugleich wird mit Spannung beobachtet, wie die Grünen ihren Gewinn an Stimmen umsetzen können. Ende April soll – nach dem Wunsch der SPD – alles festgeschrieben sein. Die Erwartungen und
Forderungen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen an die neue Landesregierung sind hoch – und konträr. Einige Beispiele:
Digitales: Deutlich mehr Tempo bei der Digitalisierung von Verwaltung, Schule und Arbeitswelt sowie dem Ausbau der 5G-Infrastruktur ist eine der zentralen Forderungen. Nach einer IHK-Umfrage ist die Breitband- und Mobilfunkanbindung im Land mit 91 Prozent branchenübergreifend der Standortfaktor mit der höchsten Relevanz für die Unternehmen. Zugleich bewertet die Wirtschaft diesen Standortfaktor laut IHK Pfalz nur mit der Schulnote 3,8.
Naturschutz und Landwirtschaft:
Naturschutzverbände, Winzer und Bauern haben sich erstmals zu einem gemeinsamen Bündnis zusammengeschlossen und fordern von der künftigen Landesregierung mehr Personal und Geld sowie weniger Bürokratie, um sowohl die
Artenvielfalt zu erhalten als auch die Existenz landwirtschaftlicher
Betriebe zu sichern. „Wir wünschen uns im neuen Koalitionsvertrag einen Passus, der unseren Schulterschluss widerspiegelt“, sagt der Präsident des Bauernverbands, Eberhard Hartelt.
Naturschutzverbände treten dafür ein, das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium in einem gemeinsamen Ministerium zusammenzuführen. Naturschutz und Landwirtschaft seien bislang zu sehr getrennt, sagt die Nabu-Landesvorsitzende Cosima Lindemann.
Klima und Energiepolitik: Die Bewegung Fridays for Future fordert wie die Grünen, 2035 statt 2050 als Ziel für Klimaneutralität anzusetzen. Dagegen plädiert der Unternehmerverband LVU dafür, auf eigene Klimaziele – die über die der EU hinausgehen – zu verzichten. Statt der Pflicht zur Errichtung von Solardächern auf Gewerbebetrieben müsse die Photovoltaik-Freiflächenverordnung frühzeitig verlängert werden.
Gesundheit: Die stationäre und ambulante Versorgung in der Fläche sicherstellen – das wollen eigentlich alle. Nach Ansicht der Krankenkassen und ihrer Verbände muss dafür aber deutlich mehr Geld fließen. Die Techniker Krankenkasse fordert eine Verdopplung der Investitionsförderung von derzeit 128 Millionen Euro für die Krankenhäuser und sieht sich dabei von einer Forsa-Umfrage in ihrem Auftrag bestätigt. Neun von zehn Befragten sagten danach, die Kliniken müssten stärker gefördert werden.
Verkehr: Der Allgemeine Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) sieht ganz erheblichen Nachholbedarf beim Fahrradverkehr. „Der Radverkehr muss Pflichtaufgabe der Kommunen werden“, fordert ADFC-Geschäftsführerin Sara Tsudome. Das Ziel des Ministeriums bis 2030 den Anteil des Radverkehrs am Verkehrsmix von acht auf 15 Prozent zu steigern ist dem Verband wie auch den Grünen zu wenig.