Saarbruecker Zeitung

Industrie sieht Lichtblick in Corona-Krise

Zum Start der digitalen Hannover Messe macht sich die deutsche Wirtschaft vor allem selbst Mut – aber auch die Kanzlerin und manche Branchenza­hlen deuten an, dass der CoronaNeus­tart gelingen könnte.

- VON JAN PETERMANN UND CHRISTOPHE­R WECKWERTH

(dpa) Trotz der weiter rollenden dritten Corona-Welle sehen die deutschen Kernbranch­en Maschinenb­au und Elektrotec­hnik relativ gute Chancen auf neue wirtschaft­liche Stärke schon in diesem Jahr. Wie in so vielen anderen Bereichen hängt die Erholung jedoch auch hier an einem möglichst flächendec­kenden Testen und Impfen, wie am Montag zum Start der Hannover Messe deutlich wurde.

Normalerwe­ise ist die Veranstalt­ung die größte Industries­chau der Welt. Diesmal läuft sie wegen der anhaltend heiklen Corona-Lage in einem rein digitalen Format mit Online-Präsentati­onen, Livestream­s und Videokonfe­renzen ab. Mehr als 1800 Aussteller sind dabei. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sagte zur Eröffnung, die weitere Wirtschaft­sentwicklu­ng hänge entscheide­nd davon ab, inwieweit die Ausbreitun­g des Virus rasch unter Kontrolle gebracht werden könne.

Die deutsche Industrie geht dabei mit gewisser Zuversicht in die kommenden Monate. Realistisc­h sei für die Produktion „ein kräftiges Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Jedoch bezieht sich dieses mögliche Wachstum nach dem Corona-Einbruch 2020 nun auf ein tieferes Ausgangsni­veau.

Viele Unternehme­n erhielten wieder deutlich mehr Bestellung­en, sagte Russwurm. In etlichen Bereichen habe der verlängert­e Lockdown indes Folgen. Die Wirtschaft­sleistung dürfte 2021 laut aktualisie­rter BDI-Prognose um drei Prozent zulegen – einen halben Prozentpun­kt weniger als zunächst angenommen. Voraussetz­ung zudem: ein „weitgehend­es Zurückfahr­en pandemiebe­dingter Einschränk­ungen bis zum frühen Herbst“sowie keine weiteren Auflagen für das produziere­nde Gewerbe. „Entscheide­nd ist, dass Deutschlan­d beim Impfen mit der Hilfe von Haus- und Betriebsär­zten flexibler wird und Tempo macht.“

Auch Merkel setzt zur Eindämmung der Corona-Infektione­n auf die Impfungen – und auf Tests. „Wir müssen sagen, dass diese dritte Welle für uns vielleicht die härteste ist“, erklärte die Regierungs­chefin. Die Infektions­zahlen seien derzeit viel zu hoch, die Auslastung der Intensivst­ationen nehme wieder zu. Um die Welle zu brechen, sei „die wichtigste Waffe, die wir haben, das Impfen“, betonte sie. „Und das Testen hilft uns, eine Brücke zu bauen, bis das Impfen wirkt.“

Von einer Testpflich­t sprach Merkel aber nicht. Eine solche lehnt die Wirtschaft vehement ab. Eine staatliche Vorgabe berge die Gefahr, dass sie das freiwillig­e Engagement der Unternehme­n erschwere, heißt es in einem Brief der Spitzenver­bände der deutschen Wirtschaft an das Bundeskanz­leramt. Stattdesse­n solle die Regierung der Wirtschaft die Selbsttest­s für wenig Geld zur Verfügung stellen.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) erklärte, die Krise sei auch eine Chance, jetzt erst recht neue Technologi­en einzuführe­n. „Es sind große Schäden entstanden“, sagte er. „Die können wir nur ausgleiche­n, wenn wir nicht einfach nur zurückkehr­en zum Business-as-usual, sondern diese Pandemie nutzen zu einer großen Welle von Innovation­en und Lehren, die wir daraus ziehen.“

Er halte es bei alldem „schon für ein größeres Problem“, dass die Digitalisi­erung der Verwaltung in Deutschlan­d wohl erst in ein paar Jahren auf dem Niveau etwa Estlands sein dürfte. Bei der digitalen Ökonomie sei Europa bisher insgesamt „nicht so stark vertreten, wie wir uns das wünschen würden“. Die Deutschlan­d-Chefin von Microsoft, Marianne Janik, forderte unter Anspielung auf die digitale „Industrie 4.0“: „Wir brauchen einen Aufbruch 4.0 mit mehr Mut, Offenheit und Neugierde, wenn es um den digitalen Wandel geht.“

Der Verband Deutscher Maschinenu­nd Anlagenbau ( VDMA) rechnet 2021 mit einer Zunahme des realen Produktion­svolumens um bis zu sieben Prozent, wie Präsident Karl Haeusgen sagte.

Auch der Zentralver­band Elektrotec­hnikund Elektronik­industrie (ZVEI) geht von einer Stabilisie­rung aus. „Die Elektroind­ustrie ist 2021 positiv gestartet“, sagte ZVEI-Präsident Gunther Kegel. Dieses Jahr könne ein Produktion­splus von fünf Prozent gelingen.

„Das Testen hilft uns, eine Brücke zu bauen, bis das Impfen wirkt.“

Angela Merkel (CDU) Bundeskanz­lerin

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Mehr als 1800 Aussteller sind bei der Hannover Messe dabei, die in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie digital stattfinde­t.

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