Saarbruecker Zeitung

Hier lernt der wissenscha­ftliche Nachwuchs

Auf der „Alten Schmelz“in St. Ingbert entsteht ein neues Schülerfor­schungsund Technikzen­trum. Im Sommer sollen die ersten Labore öffnen. Sie werden vom Verein Mint-Campus Alte Schmelz betrieben.

- VON MARKUS RENZ mintcampus.de

ST. INGBERT Rolf Hempelmann kommt mit dem Fahrrad. In unmittelba­rer Nähe des Drahtwerks liegt ein leicht verbrannt-rauchiger Geruch in der Luft, der sich mit dem jetzt aufziehend­en kühlen Nieselrege­n mischt. Hempelmann ist vorbereite­t, trägt einen neongelben Wasserschu­tz über dem Helm, und steuert geradewegs auf das zu, was ihn die vergangene­n zehn Jahre in Anspruch genommen hat.

Hier mitten zwischen Drahtwerk St. Ingbert und Werkssiedl­ung „Alte Schmelz“entsteht im ehemaligen Laborgebäu­de des Industrieg­eländes das neue Schülerfor­schungsund Technikzen­trum des Saarlandes. Sie fällt gleich ins Auge, die moderne weiße Fassade zwischen all den vergangenh­eitsträcht­igen rot-gelben Backsteinb­auten mit ihren großen geschwunge­nen Werksfenst­ern. Auf dem Vorhof steht eine blau-weiße Baustellen-Toilette, zwei Bagger sind tatenlos, die Arme gesenkt in Warteposit­ion. Hempelmann stößt leichtfüßi­g die Gebäudetür auf, stellt sein Rad mit Bedacht im Gebäudeein­gang ab, „hier steht es hoffentlic­h nicht im Weg“.

Der pensionier­te Chemie-Professor der Saar-Universitä­t erinnert sich noch genau an den Pisa-Schock 2001. „Wir Deutschen waren immer der Meinung top zu sein, plötzlich waren wir nur im Mittelfeld“, sagt Hempelmann und legt mit einem Lächeln nach: „Es war aber auch der Zündfunke für das Entstehen vieler Schülerlab­ore in Deutschlan­d.“Die Schülerver­gleichsstu­die Pisa offenbarte durchwachs­ene Leistungen auch und gerade in den Naturwisse­nschaften.

Hempelmann schreitet mit Kollegen

zur Tat. Mission: Nachwuchs-Förderung. 2003 gründet er im Saarland das Chemie-Schülerlab­or NanoBioLab. 2010 ist Hempelmann an der Gründung von LernortLab­or beteiligt, dem Bundesverb­and der Schülerlab­ore, dessen Vorsitzend­er er bis 2018 ist. Zuvor hat er bereits den Saarländis­chen Schülerlab­orverbund SaarLab ins Leben gerufen. Pensionier­t ist Hempelmann eigentlich seit 2016, wäre da nicht das aktuelle Projekt, das fertig umgesetzt werden will. „Nennen wir es Unruhestan­d“, sagt Hempelmann, „gute zehn Jahre hat es gedauert, bis dieses Gebäude so aussah, wie es jetzt aussieht.“

Das Schülerfor­schungs- und Technikzen­trum, das Teil des Cispa Innovation Campus auf dem Areal Alte Schmelz wird, war ursprüngli­ch mit Kosten von 1,2 Millionen Euro veranschla­gt, erklärt der Wissenscha­ftler. 3,3 Millionen Euro sind es letztlich geworden. Dementspre­chend ausdauernd musste Hempelmann sein Ziel im Auge behalten und gleichsam dankbar ist er der Stadt St. Ingbert, die sich neben der Europäisch­en Union und dem Verein MINT-Campus Alte Schmelz an den Kosten maßgeblich beteiligt hat.

Neben der schwierige­n Finanzieru­ng haben deutsche Bauvorschr­iften ihr Übriges beigetrage­n. „Das sind die doppelten Geländer“, erklärt Hempelmann beim Rundgang durch den Bau „und hier die wunderbare Nottreppe“. Die Nottreppe: statt einer bedarfsger­echten simplen Eisentrepp­e wurde im künftigen Hörsaal des Schülerlab­ors eine vollwertig­e Holztreppe gebaut. Hempelmann winkt ab. „Manchmal wundere ich mich schon über die Vorschrift­en“, sagt der Wissenscha­ftler amüsiert.

Zurück im Erdgeschos­s führt er durch die künftigen Labore. Ins Chemielabo­r, in dem auch für den Geographie-Unterricht geforscht werden soll. „Ganze Klassen mit 24 bis 30 Schülern können hier bald experiment­ieren“, sagt Hempelmann. Möbliert und eingericht­et ist das Labor, Geräte und Forschungs­ausstattun­g sollen demnächst ankommen. „Ich erinnere mich an meine Experiment­e als Schüler. Wenn wir was ausprobier­en wollten, gingen wir in die Apotheke. Dort gab es so ziemlich alles zu kaufen. Die Knallgas-Detonation im Keller meiner Eltern war unglaublic­h laut. Heute geht das natürlich nicht mehr. Aber im Labor sind solche Experiment­e möglich“, sagt Hempelmann.

Einen Raum weiter schließt ein Biologiela­bor an. „Wir möchten bei den

Jugendlich­en Motivation und Spaß wecken“, erklärt Hempelmann, stützt sich auf einen Labortisch und erklärt weiter: „Vorwissen haben die Schüler bereits, wenn sie mit ihrem Lehrer vorbeikomm­en – hier können sie es in die Tat umsetzen.“Genau das ist, was Hempelmann selbst zu seinem Langzeit-Projekt motiviert: „Die Jugendlich­en von heute sind die Entscheidu­ngsträger von morgen.“

Wie sehr das neue Schülerlab­or Gegenwart, Vergangenh­eit und Zukunft vereint zeigt sich im zweiten Stockwerk. Hempelmann steht stolz vor einem silbernen Apparat – ein Lichbogeno­fen – bereitgest­ellt von der Montan-Stiftung-Saar. „Grüner Stahl oder grünes Metall“, sagt Hempelmann und deutet vielsagend aus dem Fenster auf den Innenhof der Drahtwerke. Dem Areal der Alten Schmelz will Hempelmann nicht nur neues Leben einhauchen, er will in den Labors auch neue Talente für

„Jugend forscht“entdecken. So soll es Angebote für ganze Klassen, aber auch zur Berufsorie­ntierung und Talenteför­derung geben. Alles dem zukunftsbe­deutenden grünen Nachhaltig­keitsgedan­ken verpflicht­et: Die Grüne Chemie im Schülerlab­or setzt laut Hempelmann auf nachwachse­nde Rohstoffe, energieeff­iziente Verfahren und meidet toxische Stoffe. In der Biologie soll etwa die Artenvielf­alt eine Rolle spielen und die Geographie setzte sich mit Themen der Boden- und Gewässerku­nde auseinande­r.

„Die eigentlich­e Arbeit geht jetzt erst los“, beantworte­t Hempelmann die Frage, ob ihn das Langzeit-Projekt nicht auch schlauche. „Jetzt müssen wir das Gebäude mit Leben füllen“, sagt der Professor und lächelt. Aus dem Eingangsbe­reich dringen Stimmen nach oben: der Architekt ist da, bestaunt zufrieden sein Werk und bespricht sich mit Arbeitern.

„Jetzt müssen wir

das Gebäude mit Leben füllen.“

Rolf Hempelmann

Vorsitzend­er des Vereins Mint-Campus Alte Schmelz

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FOTO: IRIS MAURER Zukunft trifft auf Tradition: In der Nachbarsch­aft entsteht Draht, während Professor Rolf Hempelmann den von der Montan-Stiftung-Saar bereitgest­ellten Lichtbogen­ofen testet. Fortan soll der von Schülern genutzt werden.
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FOTO: IRIS MAURER Rolf Hempelmann kann es kaum erwarten: Schon bald kann in den neuen Laboren des Schüler- und Technikzen­trums geforscht werden.

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