Hier lernt der wissenschaftliche Nachwuchs
Auf der „Alten Schmelz“in St. Ingbert entsteht ein neues Schülerforschungsund Technikzentrum. Im Sommer sollen die ersten Labore öffnen. Sie werden vom Verein Mint-Campus Alte Schmelz betrieben.
ST. INGBERT Rolf Hempelmann kommt mit dem Fahrrad. In unmittelbarer Nähe des Drahtwerks liegt ein leicht verbrannt-rauchiger Geruch in der Luft, der sich mit dem jetzt aufziehenden kühlen Nieselregen mischt. Hempelmann ist vorbereitet, trägt einen neongelben Wasserschutz über dem Helm, und steuert geradewegs auf das zu, was ihn die vergangenen zehn Jahre in Anspruch genommen hat.
Hier mitten zwischen Drahtwerk St. Ingbert und Werkssiedlung „Alte Schmelz“entsteht im ehemaligen Laborgebäude des Industriegeländes das neue Schülerforschungsund Technikzentrum des Saarlandes. Sie fällt gleich ins Auge, die moderne weiße Fassade zwischen all den vergangenheitsträchtigen rot-gelben Backsteinbauten mit ihren großen geschwungenen Werksfenstern. Auf dem Vorhof steht eine blau-weiße Baustellen-Toilette, zwei Bagger sind tatenlos, die Arme gesenkt in Warteposition. Hempelmann stößt leichtfüßig die Gebäudetür auf, stellt sein Rad mit Bedacht im Gebäudeeingang ab, „hier steht es hoffentlich nicht im Weg“.
Der pensionierte Chemie-Professor der Saar-Universität erinnert sich noch genau an den Pisa-Schock 2001. „Wir Deutschen waren immer der Meinung top zu sein, plötzlich waren wir nur im Mittelfeld“, sagt Hempelmann und legt mit einem Lächeln nach: „Es war aber auch der Zündfunke für das Entstehen vieler Schülerlabore in Deutschland.“Die Schülervergleichsstudie Pisa offenbarte durchwachsene Leistungen auch und gerade in den Naturwissenschaften.
Hempelmann schreitet mit Kollegen
zur Tat. Mission: Nachwuchs-Förderung. 2003 gründet er im Saarland das Chemie-Schülerlabor NanoBioLab. 2010 ist Hempelmann an der Gründung von LernortLabor beteiligt, dem Bundesverband der Schülerlabore, dessen Vorsitzender er bis 2018 ist. Zuvor hat er bereits den Saarländischen Schülerlaborverbund SaarLab ins Leben gerufen. Pensioniert ist Hempelmann eigentlich seit 2016, wäre da nicht das aktuelle Projekt, das fertig umgesetzt werden will. „Nennen wir es Unruhestand“, sagt Hempelmann, „gute zehn Jahre hat es gedauert, bis dieses Gebäude so aussah, wie es jetzt aussieht.“
Das Schülerforschungs- und Technikzentrum, das Teil des Cispa Innovation Campus auf dem Areal Alte Schmelz wird, war ursprünglich mit Kosten von 1,2 Millionen Euro veranschlagt, erklärt der Wissenschaftler. 3,3 Millionen Euro sind es letztlich geworden. Dementsprechend ausdauernd musste Hempelmann sein Ziel im Auge behalten und gleichsam dankbar ist er der Stadt St. Ingbert, die sich neben der Europäischen Union und dem Verein MINT-Campus Alte Schmelz an den Kosten maßgeblich beteiligt hat.
Neben der schwierigen Finanzierung haben deutsche Bauvorschriften ihr Übriges beigetragen. „Das sind die doppelten Geländer“, erklärt Hempelmann beim Rundgang durch den Bau „und hier die wunderbare Nottreppe“. Die Nottreppe: statt einer bedarfsgerechten simplen Eisentreppe wurde im künftigen Hörsaal des Schülerlabors eine vollwertige Holztreppe gebaut. Hempelmann winkt ab. „Manchmal wundere ich mich schon über die Vorschriften“, sagt der Wissenschaftler amüsiert.
Zurück im Erdgeschoss führt er durch die künftigen Labore. Ins Chemielabor, in dem auch für den Geographie-Unterricht geforscht werden soll. „Ganze Klassen mit 24 bis 30 Schülern können hier bald experimentieren“, sagt Hempelmann. Möbliert und eingerichtet ist das Labor, Geräte und Forschungsausstattung sollen demnächst ankommen. „Ich erinnere mich an meine Experimente als Schüler. Wenn wir was ausprobieren wollten, gingen wir in die Apotheke. Dort gab es so ziemlich alles zu kaufen. Die Knallgas-Detonation im Keller meiner Eltern war unglaublich laut. Heute geht das natürlich nicht mehr. Aber im Labor sind solche Experimente möglich“, sagt Hempelmann.
Einen Raum weiter schließt ein Biologielabor an. „Wir möchten bei den
Jugendlichen Motivation und Spaß wecken“, erklärt Hempelmann, stützt sich auf einen Labortisch und erklärt weiter: „Vorwissen haben die Schüler bereits, wenn sie mit ihrem Lehrer vorbeikommen – hier können sie es in die Tat umsetzen.“Genau das ist, was Hempelmann selbst zu seinem Langzeit-Projekt motiviert: „Die Jugendlichen von heute sind die Entscheidungsträger von morgen.“
Wie sehr das neue Schülerlabor Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft vereint zeigt sich im zweiten Stockwerk. Hempelmann steht stolz vor einem silbernen Apparat – ein Lichbogenofen – bereitgestellt von der Montan-Stiftung-Saar. „Grüner Stahl oder grünes Metall“, sagt Hempelmann und deutet vielsagend aus dem Fenster auf den Innenhof der Drahtwerke. Dem Areal der Alten Schmelz will Hempelmann nicht nur neues Leben einhauchen, er will in den Labors auch neue Talente für
„Jugend forscht“entdecken. So soll es Angebote für ganze Klassen, aber auch zur Berufsorientierung und Talenteförderung geben. Alles dem zukunftsbedeutenden grünen Nachhaltigkeitsgedanken verpflichtet: Die Grüne Chemie im Schülerlabor setzt laut Hempelmann auf nachwachsende Rohstoffe, energieeffiziente Verfahren und meidet toxische Stoffe. In der Biologie soll etwa die Artenvielfalt eine Rolle spielen und die Geographie setzte sich mit Themen der Boden- und Gewässerkunde auseinander.
„Die eigentliche Arbeit geht jetzt erst los“, beantwortet Hempelmann die Frage, ob ihn das Langzeit-Projekt nicht auch schlauche. „Jetzt müssen wir das Gebäude mit Leben füllen“, sagt der Professor und lächelt. Aus dem Eingangsbereich dringen Stimmen nach oben: der Architekt ist da, bestaunt zufrieden sein Werk und bespricht sich mit Arbeitern.
„Jetzt müssen wir
das Gebäude mit Leben füllen.“
Rolf Hempelmann
Vorsitzender des Vereins Mint-Campus Alte Schmelz