Viele Fragezeichen 100 Tage vor Olympia
Infektionsschutz, Impfen, Qualifikationen: Die Herausforderungen für Tokio 2020 sind vielfältig, die allgemeine Verunsicherung groß.
An diesem Mittwoch sind es noch genau 100 Tage bis zu den Olympischen Sommerspielen in Tokio. Infektionsschutz, Impfen, Qualifikationen: Die Herausforderungen sind vielfältig, die allgemeine Verunsicherung ist groß.
BERLIN/TOKIO (sid) Das Damoklesschwert der Olympia-Absage hängt 100 Tage vor Beginn weiterhin über den Sommerspielen in Tokio, bei allen Anstrengungen zur Rettung des Mega-Events reißen die Zweifel nicht ab. Gefährliche Corona-Mutanten, unklare Schutzkonzepte und die nicht nur in Deutschland schleppend fortschreitende Impfkampagne: Die Probleme sind vielfältig, bei den Athletinnen und Athleten ist die Stimmung angespannt. Und auch wenn die Spiele tatsächlich am 23. Juli eröffnet werden, wird vom alten Glanz wenig bleiben.
In Worten einhundert Tage bleiben ab diesem Mittwoch, bis es losgehen soll. Präsident Alfons Hörmann vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gibt sich keinen Illusionen hin: „Die Spiele unterliegen dem größten Risiko ihrer jüngeren Geschichte. Alles andere wäre schöngeredet“, sagte er der Welt am Sonntag. Der schlimmste Fall der Absage bleibt im Hinterkopf, während die Organisatoren in Japan mit Hochdruck daran arbeiten, maximale Sicherheit zu garantieren.
„Bis Ende April, Anfang Mai“, so Hörmann, müssten die Schutzkonzepte aus logistischen Gründen vorliegen. Noch ist er bemüht, Vertrauen auszustrahlen: „Wir sind verliebt ins Gelingen und nicht ins Scheitern“, sagte er im NDR-Sportclub, doch er machte auch deutlich: „Wenn wir nicht mit diesem guten Gewissen ins Flugzeug steigen könnten in einigen Monaten, dann wäre wohl ein schwieriger Punkt erreicht. Wir hoffen sehr, dass es den Gastgebern gelingt, ein gegenteiliges Szenario zu schaffen.“
Die Japaner kämpfen seit Beginn der Pandemie einen schwierigen Kampf – gegen das Virus und den Olympia-Frust im eigenen Land. Die Ablehnung im Volk erreichte auch nach der historischen Verlegung um ein Jahr in Umfragen 80 Prozent, ein Sexismus-Skandal um den mittlerweile zurückgetretenen Orga-Chef Yoshiro Mori erschütterte die olympische Bewegung, und der prestigeträchtige Fackellauf wurde in der Millionenstadt Osaka abgesagt.
Hörmann bezeichnete es als „verständlich, dass in zahlreichen Stellen in Japan eine gewisse Skepsis vorhanden ist“. Umso wichtiger sei es, „dass entsprechende Konzepte greifen“. In den vergangenen Wochen zogen die Organisatoren beim Thema Infektionsschutz noch einmal an, doch auch das Virus legte zu. Schärfere Anti-Corona-Maßnahmen sind verhängt, Zuschauer aus dem Ausland in diesem Sommer nicht willkommen.
Auch wenn die Spiele nicht abgesagt werden sollten, bliebe vom gewohnten Olympia-Flair wenig übrig. „Spaß, wie man ihn für gewöhnlich definiert, Freude und ein unbeschwertes Miteinander, Wettkämpfe zu erleben und zu genießen, wird es nicht geben“, sagte Hörmann. Ein Deutsches Haus in
Tokio ist vom Tisch, die Interaktion unter den Sportlern wird auf ein Minimum beschränkt.
Gerade das Thema Sicherheit sorgt aber bei den Sportlern für Verunsicherung. Qualifikationsevents wie der Fecht-Weltcup in Budapest oder die Hallen-EM in der Leichtathletik hatten viele Coronafälle zur Folge. Gleichzeitig beklagen deutsche Sportler ungleiche Bedingungen
im Vergleich zu ihren Kollegen aus anderen Nationen, in denen andere Coronaregeln gelten oder das Impfen schneller geht.
„Die Fairness bei den Spielen ist schon eingeschränkt durch die unterschiedlichen Trainingsbedingungen jetzt weltweit“, sagt Athletensprecher Max Hartung. Oft müssen noch nicht qualifizierte Athleten das Risiko einer Infektion in Kauf nehmen, um bei Quali-Wettbewerben an den Start gehen zu können.
Mit Bezug auf Tokio und den Schutz vor Ort gab sich Hörmann hoffnungsvoll. Das Tempo bei den Impfungen soll rapide anziehen. Mit Beginn des zweiten Quartals erwarte er bei ausreichend vorhandenem Impfstoff, „dass die bereits für Tokio qualifizierten Athleten und Athletinnen in einem vernünftigen Reißverschlussverfahren
geimpft werden“. Derzeit seien „etwa 13 Prozent der Teammitglieder geimpft, sieben Prozent lehnen eine Impfung ab“, sagte Hörmann. Zusammen mit den Teilnehmern der Paralympischen Spiele gehe es um rund „2000 Menschen“, die es zu impfen gelte. Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Und wer dieses Rennen gewinnt, scheint aktuell offener denn je.
„Spaß, wie man ihn für gewöhnlich definiert, Freude und ein unbeschwertes Miteinander
wird es nicht geben.“
DOSB-Präsident Alfons Hörmann
zu den Olympischen Spielen in Tokio