Saarbruecker Zeitung

Moskau und Kiew halten die Flamme am Lodern

Vor sieben Jahren begann die Ukraine ihre „Anti-Terror-Operation“gegen Russland im Osten ihres Landes. Zum Jahrestag verschärfe­n sich die Spannungen massiv.

- VON ANDREAS STEIN UND ULF MAUDER

(dpa) Die Fronten im Ukraine-Konflikt sind verhärtet. Vor sieben Jahren, am 14. April 2014, brach der blutige Konflikt im Donbass aus, nachdem sich militante Kräfte in der russischsp­rachigen Region nicht mit dem Sturz von Präsident Viktor Janukowits­ch abfinden wollten. Zum siebten Jahrestag der Krise in Europa steht vor allem Moskau internatio­nal in der Kritik, neue Spannungen zu schüren.

Weil Russland entlang der Grenze zur Ukraine Truppen und Militärtec­hnik konzentrie­rt, forderte etwa Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) eine Erklärung. Der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow antwortete auf die Frage, was Russland dort mache, gewohnt trocken: „Wir wohnen dort.“Zugleich kritisiert­e er, dass die USA Kriegsschi­ffe ins Schwarze Meer in Russlands Nähe schicken – Tausende Kilometer von ihrem Land entfernt. Seit Tagen verbittet sich Moskau Kritik des Westens und verweist auf sein Recht, auf eigenem Gebiet Soldaten zu bewegen, wohin es wolle. Der Kreml betont, dass die Truppen für Russlands Sicherheit sorgen sollten. „Russland bedroht kein Land in der Welt“, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow. Allerdings werde es seine Interessen verteidige­n. Das Land hat sich zur Schutzmach­t der russischsp­rachigen Bevölkerun­g in den umkämpften Gebieten von Luhansk

und Donezk erklärt und dort schon mehr als 400 000 Pässe ausgegeben. Moskaus Militärdok­trin erlaubt ein Eingreifen zum Schutz russischer Staatsbürg­er im Ausland.

Erschweren­d kommt hinzu, dass zwischen dem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj und seinem russischen Amtskolleg­en Putin derzeit Funkstille herrscht. Im Dezember 2019 hatten beide unter deutscher und französisc­her Vermittlun­g Schritte für eine Lösung des Konflikts vereinbart. Ein in Berlin geplantes Nachfolget­reffen kam nicht zustande, weil Russland ungeachtet einer 2020 neu vereinbart­en Waffenruhe keine Fortschrit­te sieht. Zwar hatte sich die Ukraine verpflicht­et, einen Autonomies­tatus für die Konfliktre­gion mit den Separatist­en zu regeln. Doch lehnt Kiew die von Moskau geforderte­n direkten Gespräche mit ihnen ab.

Offenbar verfolgt Selensky das Ziel den 2015 vereinbart­en Minsker Friedenspl­an neu zu schreiben und am liebsten die USA hinzuziehe­n. Dabei will Selenskyj vor allem die Sanktionen als Druckmitte­l gegen Russland beibehalte­n. Beobachter vermuten, dass die Ukraine die Gefahr eines russischen Eingreifen­s dramatisie­rt, um Moskau als Aggressor hinzustell­en. Eigene Truppenbew­egungen erklärt die Ukraine als Vorbereitu­ng auf eine Verteidigu­ng.

Die Ukraine stört an den bisherigen Regelungen besonders, dass sie die Kontrolle ihres knapp 400 Kilometer langen Grenzabsch­nitts zu Russland erst wieder erlangen soll, wenn in der Verfassung die Autonomie für die Separatist­engebiete verankert wird.

Derweil machte der Kreml zuletzt erstmals sehr deutlich, dass Russland auf einen Angriff von ukrainisch­er Seite auf die Regionen antworten werde. Das wäre kein „Selbstschu­ss ins Bein, sondern in die Schläfe“und der „Anfang vom Ende der Ukraine“, meinte Dmitri Kosak, der im Kreml für den Konflikt zuständige Putin-Vertraute. Russland beklagt eine Zunahme an Provokatio­nen von ukrainisch­er Seite an der Frontlinie.

Unter russischen Experten gehen die Meinungen auseinande­r, ob Moskau, das bereits in Syrien einen teuren Krieg an der Seite von Machthaber Baschar al-Assad führt, nun in noch einen Konflikt offen eingreift. Schon jetzt belasten die von der EU und den USA im Ukraine-Konflikt verhängten Sanktionen die russische Wirtschaft. Die Politologi­n Tatjana Stanowaja geht davon aus, dass sich Russland auf einen neuen Krieg vorbereite­t. In der Vergangenh­eit habe sich Moskau „inoffiziel­l“eingemisch­t in den Konflikt mit „Freiwillig­en“. Nun gebe es offene Drohungen.

„Russland bedroht kein Land in der Welt.“

Dmitri Peskow

Kremlsprec­her

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