Markenhersteller setzen auf Direktverkauf
Adidas, Miele und Co. umgehen immer öfter den Handel und verkaufen direkt an die Konsumenten.
(dpa) Es ist ein klarer Trend, sagt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. „Immer mehr Markenhersteller verkaufen ihre Ware auch direkt an die Endkunden. Und Corona hat diese Entwicklung noch einmal deutlich beschleunigt.“Das gelte für praktisch alle Branchen, für Bekleidung ebenso wie für Sportartikel, Elektronik, Spielwaren oder auch Lebensmittel.
Einer der Vorreiter beim Thema Direktvertrieb ist der weltweit zweitgrößte Sportartikelhersteller Adidas. Das Unternehmen macht zurzeit zwar noch den Löwenanteil seiner Umsätze über Sport-Fachgeschäfte und andere Zwischenhändler. Doch schon 2025 will das Unternehmen etwa die Hälfte seiner Umsätze in den eigenen Online-Shops und Markenstores
erzielen, wie Adidas-Chef Kasper Rorsted kürzlich ankündigte.
Auch der Hausgerätehersteller Miele lockt Kunden mit Aktionspreisen für Saugroboter, Backöfen und Staubsaugerbeutel in den eigenen Online-Shop. Und die Babynahrungsmarke Milupa sagt dem klassischen Einzelhandel in ihrem Online-Shop sogar ganz offen den Kampf an. „Die Tage mit Baby oder Kleinkind sind manchmal ganz schön chaotisch. Wie gut, wenn du dann nicht mehr in den Supermarkt hetzen musst, sondern den Brei für dein Baby bequem online direkt vom Hersteller kaufen kannst“, wirbt sie um Kunden.
Hersteller wie der Spielzeuggigant Lego locken in ihren Shops mit Angeboten, die im klassischen Handel nicht zu finden sein sollen. Der Süßwarenhersteller Haribo verkauft
Gummibärchen im eigenen Online-Shop sogar nach Farbe sortiert.
Alarmierend für den klassischen Einzelhandel ist eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung KPMG. Danach fühlen sich fast 60 Prozent der Kunden, die bereits Ware direkt beim Hersteller gekauft haben, dort besser aufgehoben als beim Händler. Vor allem die Gewissheit, keine Produktfälschung zu kaufen, sehen viele Verbraucher als Vorteil beim Direktkauf. Außerdem erwarten sie beim Kauf vom Hersteller eine umfassendere Beratung zu den Produkten und preisliche Vorteile.
Für den KPMG-Handelsexperten Stephan Fetsch steht deshalb fest, dass der Direktvertrieb „eines der wesentlichen Marktmuster dieses Jahrzehnts“werden wird. Aktuell werden der Studie zufolge vor allem Schuhe und Bekleidung gerne direkt bei den Herstellern gekauft. Doch auch bei Lebensmitteln und Elektronik umgehen viele Konsumenten mittlerweile immer häufiger den Zwischenhändler.
Für den Hersteller hat das Ausschalten des Zwischenhandels gleich mehrere Vorteile. „Durch den Direktverkauf an die Endkunden kann der Hersteller nicht nur die Gewinnmarge des Händlers selber einstecken, er hat auch mehr Kontrolle darüber, was mit seiner Ware geschieht“, betonte der Branchenkenner Heinemann. Außerdem erhält der Hersteller so direkten Zugang zum Kunden und damit wertvolle Daten über die Wünsche der Verbraucher.
Und noch ein Aspekt spielt eine große Rolle: „Für viele Hersteller sind der eigene Online-Shop und eigene Läden auch wichtig, um sicherzustellen, dass ihre Produkte weiterhin überall erhältlich sind“, betont Heinemann. Die Zahl der Geschäfte in Deutschland schrumpfe, weil Handelsketten ihre Filialnetze ausdünnten und viele kleinere Händler aufgeben müssten. Diese Lücken müssten die Hersteller füllen. „Aus diesem Grund werden wir in Zukunft auch viel mehr Marken-Stores von Herstellern in den Innenstädten sehen“, ist der Experte überzeugt.
„Wir werden in Zukunft viel mehr Marken-Stores von Herstellern in den Innenstädten sehen.“
Gerrit Heinemann
Handelsexperte