Saarbruecker Zeitung

Markenhers­teller setzen auf Direktverk­auf

Adidas, Miele und Co. umgehen immer öfter den Handel und verkaufen direkt an die Konsumente­n.

- VON ERICH REIMANN

(dpa) Es ist ein klarer Trend, sagt der Handelsexp­erte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhei­n in Mönchengla­dbach. „Immer mehr Markenhers­teller verkaufen ihre Ware auch direkt an die Endkunden. Und Corona hat diese Entwicklun­g noch einmal deutlich beschleuni­gt.“Das gelte für praktisch alle Branchen, für Bekleidung ebenso wie für Sportartik­el, Elektronik, Spielwaren oder auch Lebensmitt­el.

Einer der Vorreiter beim Thema Direktvert­rieb ist der weltweit zweitgrößt­e Sportartik­elherstell­er Adidas. Das Unternehme­n macht zurzeit zwar noch den Löwenantei­l seiner Umsätze über Sport-Fachgeschä­fte und andere Zwischenhä­ndler. Doch schon 2025 will das Unternehme­n etwa die Hälfte seiner Umsätze in den eigenen Online-Shops und Markenstor­es

erzielen, wie Adidas-Chef Kasper Rorsted kürzlich ankündigte.

Auch der Hausgeräte­hersteller Miele lockt Kunden mit Aktionspre­isen für Saugrobote­r, Backöfen und Staubsauge­rbeutel in den eigenen Online-Shop. Und die Babynahrun­gsmarke Milupa sagt dem klassische­n Einzelhand­el in ihrem Online-Shop sogar ganz offen den Kampf an. „Die Tage mit Baby oder Kleinkind sind manchmal ganz schön chaotisch. Wie gut, wenn du dann nicht mehr in den Supermarkt hetzen musst, sondern den Brei für dein Baby bequem online direkt vom Hersteller kaufen kannst“, wirbt sie um Kunden.

Hersteller wie der Spielzeugg­igant Lego locken in ihren Shops mit Angeboten, die im klassische­n Handel nicht zu finden sein sollen. Der Süßwarenhe­rsteller Haribo verkauft

Gummibärch­en im eigenen Online-Shop sogar nach Farbe sortiert.

Alarmieren­d für den klassische­n Einzelhand­el ist eine aktuelle Studie der Unternehme­nsberatung KPMG. Danach fühlen sich fast 60 Prozent der Kunden, die bereits Ware direkt beim Hersteller gekauft haben, dort besser aufgehoben als beim Händler. Vor allem die Gewissheit, keine Produktfäl­schung zu kaufen, sehen viele Verbrauche­r als Vorteil beim Direktkauf. Außerdem erwarten sie beim Kauf vom Hersteller eine umfassende­re Beratung zu den Produkten und preisliche Vorteile.

Für den KPMG-Handelsexp­erten Stephan Fetsch steht deshalb fest, dass der Direktvert­rieb „eines der wesentlich­en Marktmuste­r dieses Jahrzehnts“werden wird. Aktuell werden der Studie zufolge vor allem Schuhe und Bekleidung gerne direkt bei den Hersteller­n gekauft. Doch auch bei Lebensmitt­eln und Elektronik umgehen viele Konsumente­n mittlerwei­le immer häufiger den Zwischenhä­ndler.

Für den Hersteller hat das Ausschalte­n des Zwischenha­ndels gleich mehrere Vorteile. „Durch den Direktverk­auf an die Endkunden kann der Hersteller nicht nur die Gewinnmarg­e des Händlers selber einstecken, er hat auch mehr Kontrolle darüber, was mit seiner Ware geschieht“, betonte der Branchenke­nner Heinemann. Außerdem erhält der Hersteller so direkten Zugang zum Kunden und damit wertvolle Daten über die Wünsche der Verbrauche­r.

Und noch ein Aspekt spielt eine große Rolle: „Für viele Hersteller sind der eigene Online-Shop und eigene Läden auch wichtig, um sicherzust­ellen, dass ihre Produkte weiterhin überall erhältlich sind“, betont Heinemann. Die Zahl der Geschäfte in Deutschlan­d schrumpfe, weil Handelsket­ten ihre Filialnetz­e ausdünnten und viele kleinere Händler aufgeben müssten. Diese Lücken müssten die Hersteller füllen. „Aus diesem Grund werden wir in Zukunft auch viel mehr Marken-Stores von Hersteller­n in den Innenstädt­en sehen“, ist der Experte überzeugt.

„Wir werden in Zukunft viel mehr Marken-Stores von Hersteller­n in den Innenstädt­en sehen.“

Gerrit Heinemann

Handelsexp­erte

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FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA Schon 2025 will der Sportartik­elherstell­er Adidas rund die Hälfte seiner Umsätze in eigenen Online-Shops und Marken-Stores erzielen.

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