Eine neue Biografie blickt auf Serge Gainsbourg und Jane Birkin als romantisches Ideal einer nie verlöschenden Liebe.
Das Bild von ChansonIkone Serge Gainsbourg hat sich zuletzt aufgrund von Vorwürfen der Belästigung gewandelt. Die Doppelbiografie „Serge & Jane“ignoriert das und besteht auf dem romantischen Ideal einer nie verlöschenden Liebe zu Jane Birkin.
(KNA) Der im österreichischen Filmmuseum in Wien für Nachlässe zuständige Günter Krenn kennt sich mit „leidenschaftlichen“Liebespaaren aus. Er hat schon Biografien über Karl-Heinz Böhm und Romy Schneider sowie über die Amour Fou zwischen Romy Schneider und Alain Delon geschrieben.
In dieser Nachbarschaft verwundert es kaum, dass auch die Annäherung an Jane Birkin und Serge Gainsbourg nicht mit Klatsch geizt, von Brigitte Bardots Fehlgeburten über die glamouröse Gästeliste auf Gainsbourgs Beerdigung bis hin zur Standhaftigkeit von Catherine Deneuve, die sich weigerte seine Anweisung zu erfüllen, mit einer viel zu hohen Mädchenstimme zu singen.
Interessant sind die ausführlichen Schilderungen des familiären Backgrounds: Gainsbourgs Eltern flohen als aschkenasische Juden vor Pogromen und den Folgen der russischen Revolution aus der Ukraine nach Paris, wo der als klassischer Musiker ausgebildete Vater in Bars und Nachtclubs
am Klavier die Existenz der Familie sicherte. Mit der deutschen Besatzung verschlechterten sich für Juden die Arbeitsmöglichkeiten in der Stadt; sie mussten einen gelben Stern tragen und jeden Tag mit der Deportation rechnen.
Die Kränkung thematisierte der damalige Student an der Kunsthochschule Jahrzehnte später in dem Song „Yellow Star“. Die Familie floh in den „freien“Süden und entging an wechselnden Wohnorten nur knapp einer Verhaftung.
Hier sieht Krenn auch die Ursache für Gainsbourgs Lust an der Provokation, denn „das Gefühl des Gebranntmarktseins, der Ohnmacht, der Demütigung“, noch mehr durch Franzosen als durch Deutsche, habe er nie vergessen, auch nicht, als er in seinem Wunschberuf Maler scheiterte, als Komponist von Chansons aber im rasenden Tempo zur Berühmtheit aufstieg.
Ab 1959 rissen sich Filmregisseure um das Multitalent. Im Gegensatz zu ihm selbst fanden sie an seinem prägnanten Gesicht großes Gefallen. Das Angebot von Francois Truffaut, die Musik zu „Jules und Jim“zu schreiben, schlug Gainsbourg noch aus. Nicht aber den Auftritt an der Seite von Brigitte Bardot in „Wollen Sie mit mir tanzen?“, wo er einen Pianisten spielte, großäugig, dünn und um keine Dandy-Pose verlegen.
Bei den nachfolgenden Projekten zeigte sich Gainsbourg weniger wählerisch. Schließlich musste der Lebensstil mit Butler und kostspieligen Autos verdient werden. So spielte er in jugoslawischen und italienischen Sandalenfilmen, in denen er meist als Bösewicht nach wenigen Szenen ermordet wurde, komponierte Musik für Werbeclips und zugleich für Jeanne Moreau oder Anna Karina. Wenig ambitionierte Produktionen wechselten sich ab, bis er bei Dreharbeiten zu dem Film „Slogan“auf Jane Birkin traf.
Die britische Schauspielerin stammte aus der Upperclass. Sie war durch eine kleine Rolle in Michelangelo
Antonionis „Blow Up“und eine gescheiterte Ehe mit Filmkomponist John Barry bereits aufgefallen. Auch ihre Mutter Judy Campbell war Schauspielerin. Ihr Bruder Andrew Birkin arbeitete als Location Manager immer wieder für
Stanley Kubrick.
Die Liaison mit dem dominant auf ihr Image zwischen Unschuld und Verruchtheit achtenden Gainsbourg hinderte Birkin nicht daran, auch in Frankreich weiterhin Rollen zu übernehmen, etwa in „Der Swimmingpool“an der Seite von Alain Delon und Romy Schneider, wo sie nicht zum letzten Mal als Kindfrau besetzt wurde. Die Engagements rissen nicht ab in Filmen, von denen nur wenige im Gedächtnis geblieben sind; aber immerhin behielt die Mutter eines kleinen Kindes so ihre finanzielle Unabhängigkeit.
Gainsbourg folgte ihr an die Sets bis nach Nepal. Über seine Eifersuchtsanfälle schrieb Jane Birkin in ihrem Tagebuch, das Krenn allzu gerne als Stimmungsbarometer nutzt, um Mutmaßungen über die Chemie in der von Höhen und Tiefen erschütterten Beziehung anzustellen.
1972 konkurrierte sie mit viel nackter Haut neben Gainsbourgs Ex-Geliebter Brigitte Bardot in „Don Juan 73“, zwei Jahre später agierte sie neben Romy Schneider und JeanLouis Trintignant in „Das wilde Schaf“. Dank Pierre Richard stieg sie dann endgültig zum publikumswirksamen Filmstar auf, was dem gefallsüchtigen Gainsbourg sauer aufstieß.
Inszenierte er sie deshalb auf Fotos für das Männermagazin Lui nackt in Handschellen, angekettet an einen Heizkörper? Auf den Vorwurf des Sexismus reagierte der hauptberufliche Zyniker mit Amüsiertheit à la Helmut Newton und gab zu Protokoll, es handele sich bei den Motiven lediglich um rein ästhetische Entscheidungen.
Für Günter Krenn ist die Schilderung dieser medienwirksam kalkulierten Grenzüberschreitungen auf
Kosten von Jane Birkin kein Grund zu einer Positionierung oder zu einem Exkurs über die damalige Rezeption. Er reiht einfach die nächsten Kollaborationen des Paars aneinander, gefolgt von einem rauschenden Silvesterfest bei Maxim‘s und der Auskunft über Birkins bevorzugte Rollen im Jahr 1975. Das wirkt schon fast unfreiwillig komisch, denn eine Gewichtung und Einordnung, etwa in gesellschaftliche Diskurse von damals und heute, hätte man sich durchaus gewünscht. Zumal zuletzt auch gegen Gainsbourg Vorwürfe der Belästigung laut geworden waren. Die belgische Sängerin Lio hatte ihn gar als „Weinstein des Chanson“beschrieben.
In den 70er Jahren begann Gainsbourg damit, seinen Ruf als Enfant Terrible allzu vorhersehbar auszuschlachten. Der von ihm geschriebene und verfilmte Liebesfilm „Je t‘aime“(1975) nach dem gleichnamigen Welthit war nur der Vorbote einer kreativen und auch persönlichen Abwärtsspirale, die Krenn immerhin pointiert und zunehmend kritisch zu erzählen weiß. Doch trotz der gewagten Sexszenen zwischen Birkin und Joe Dallesandro fiel Gainsbourgs Debüt als Regisseur bei Publikum und Kritik durch. Es dauert nicht mehr lange, bis sich die 20 Jahre jüngere Birkin von dem zunehmend launigen Alkoholiker entfremdete und einen Trennungsstrich zog.
Ausgerechnet Truffaut lobte das heute zum Kultfilm aufgestiegene Werk. Für diesen unerwarteten Hinweis ist man dankbar, auch für die Erwähnung des gescheiterten Folgeprojekts über eine jüdische Familie, das Gainsbourg in Berlin vor dem Zweiten Weltkrieg ansiedeln wollte. Kaum auszudenken, wenn sich das deutsche Enfant Terrible Rainer Werner Fassbinder in die Dreharbeiten eingemischt hätte. Was wäre das für ein Paar gewesen, was für eine explosive Leidenschaft!
„Jane und Serge waren im Leben ein Paar auf Zeit und wurden danach eines für die Ewigkeit.“
Günter Krenn
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