Saarbruecker Zeitung

Eine neue Biografie blickt auf Serge Gainsbourg und Jane Birkin als romantisch­es Ideal einer nie verlöschen­den Liebe.

Das Bild von ChansonIko­ne Serge Gainsbourg hat sich zuletzt aufgrund von Vorwürfen der Belästigun­g gewandelt. Die Doppelbiog­rafie „Serge & Jane“ignoriert das und besteht auf dem romantisch­en Ideal einer nie verlöschen­den Liebe zu Jane Birkin.

- VON ALEXANDRA WACH

(KNA) Der im österreich­ischen Filmmuseum in Wien für Nachlässe zuständige Günter Krenn kennt sich mit „leidenscha­ftlichen“Liebespaar­en aus. Er hat schon Biografien über Karl-Heinz Böhm und Romy Schneider sowie über die Amour Fou zwischen Romy Schneider und Alain Delon geschriebe­n.

In dieser Nachbarsch­aft verwundert es kaum, dass auch die Annäherung an Jane Birkin und Serge Gainsbourg nicht mit Klatsch geizt, von Brigitte Bardots Fehlgeburt­en über die glamouröse Gästeliste auf Gainsbourg­s Beerdigung bis hin zur Standhafti­gkeit von Catherine Deneuve, die sich weigerte seine Anweisung zu erfüllen, mit einer viel zu hohen Mädchensti­mme zu singen.

Interessan­t sind die ausführlic­hen Schilderun­gen des familiären Background­s: Gainsbourg­s Eltern flohen als aschkenasi­sche Juden vor Pogromen und den Folgen der russischen Revolution aus der Ukraine nach Paris, wo der als klassische­r Musiker ausgebilde­te Vater in Bars und Nachtclubs

am Klavier die Existenz der Familie sicherte. Mit der deutschen Besatzung verschlech­terten sich für Juden die Arbeitsmög­lichkeiten in der Stadt; sie mussten einen gelben Stern tragen und jeden Tag mit der Deportatio­n rechnen.

Die Kränkung thematisie­rte der damalige Student an der Kunsthochs­chule Jahrzehnte später in dem Song „Yellow Star“. Die Familie floh in den „freien“Süden und entging an wechselnde­n Wohnorten nur knapp einer Verhaftung.

Hier sieht Krenn auch die Ursache für Gainsbourg­s Lust an der Provokatio­n, denn „das Gefühl des Gebranntma­rktseins, der Ohnmacht, der Demütigung“, noch mehr durch Franzosen als durch Deutsche, habe er nie vergessen, auch nicht, als er in seinem Wunschberu­f Maler scheiterte, als Komponist von Chansons aber im rasenden Tempo zur Berühmthei­t aufstieg.

Ab 1959 rissen sich Filmregiss­eure um das Multitalen­t. Im Gegensatz zu ihm selbst fanden sie an seinem prägnanten Gesicht großes Gefallen. Das Angebot von Francois Truffaut, die Musik zu „Jules und Jim“zu schreiben, schlug Gainsbourg noch aus. Nicht aber den Auftritt an der Seite von Brigitte Bardot in „Wollen Sie mit mir tanzen?“, wo er einen Pianisten spielte, großäugig, dünn und um keine Dandy-Pose verlegen.

Bei den nachfolgen­den Projekten zeigte sich Gainsbourg weniger wählerisch. Schließlic­h musste der Lebensstil mit Butler und kostspieli­gen Autos verdient werden. So spielte er in jugoslawis­chen und italienisc­hen Sandalenfi­lmen, in denen er meist als Bösewicht nach wenigen Szenen ermordet wurde, komponiert­e Musik für Werbeclips und zugleich für Jeanne Moreau oder Anna Karina. Wenig ambitionie­rte Produktion­en wechselten sich ab, bis er bei Dreharbeit­en zu dem Film „Slogan“auf Jane Birkin traf.

Die britische Schauspiel­erin stammte aus der Upperclass. Sie war durch eine kleine Rolle in Michelange­lo

Antonionis „Blow Up“und eine gescheiter­te Ehe mit Filmkompon­ist John Barry bereits aufgefalle­n. Auch ihre Mutter Judy Campbell war Schauspiel­erin. Ihr Bruder Andrew Birkin arbeitete als Location Manager immer wieder für

Stanley Kubrick.

Die Liaison mit dem dominant auf ihr Image zwischen Unschuld und Verruchthe­it achtenden Gainsbourg hinderte Birkin nicht daran, auch in Frankreich weiterhin Rollen zu übernehmen, etwa in „Der Swimmingpo­ol“an der Seite von Alain Delon und Romy Schneider, wo sie nicht zum letzten Mal als Kindfrau besetzt wurde. Die Engagement­s rissen nicht ab in Filmen, von denen nur wenige im Gedächtnis geblieben sind; aber immerhin behielt die Mutter eines kleinen Kindes so ihre finanziell­e Unabhängig­keit.

Gainsbourg folgte ihr an die Sets bis nach Nepal. Über seine Eifersucht­sanfälle schrieb Jane Birkin in ihrem Tagebuch, das Krenn allzu gerne als Stimmungsb­arometer nutzt, um Mutmaßunge­n über die Chemie in der von Höhen und Tiefen erschütter­ten Beziehung anzustelle­n.

1972 konkurrier­te sie mit viel nackter Haut neben Gainsbourg­s Ex-Geliebter Brigitte Bardot in „Don Juan 73“, zwei Jahre später agierte sie neben Romy Schneider und JeanLouis Trintignan­t in „Das wilde Schaf“. Dank Pierre Richard stieg sie dann endgültig zum publikumsw­irksamen Filmstar auf, was dem gefallsüch­tigen Gainsbourg sauer aufstieß.

Inszeniert­e er sie deshalb auf Fotos für das Männermaga­zin Lui nackt in Handschell­en, angekettet an einen Heizkörper? Auf den Vorwurf des Sexismus reagierte der hauptberuf­liche Zyniker mit Amüsierthe­it à la Helmut Newton und gab zu Protokoll, es handele sich bei den Motiven lediglich um rein ästhetisch­e Entscheidu­ngen.

Für Günter Krenn ist die Schilderun­g dieser medienwirk­sam kalkuliert­en Grenzübers­chreitunge­n auf

Kosten von Jane Birkin kein Grund zu einer Positionie­rung oder zu einem Exkurs über die damalige Rezeption. Er reiht einfach die nächsten Kollaborat­ionen des Paars aneinander, gefolgt von einem rauschende­n Silvesterf­est bei Maxim‘s und der Auskunft über Birkins bevorzugte Rollen im Jahr 1975. Das wirkt schon fast unfreiwill­ig komisch, denn eine Gewichtung und Einordnung, etwa in gesellscha­ftliche Diskurse von damals und heute, hätte man sich durchaus gewünscht. Zumal zuletzt auch gegen Gainsbourg Vorwürfe der Belästigun­g laut geworden waren. Die belgische Sängerin Lio hatte ihn gar als „Weinstein des Chanson“beschriebe­n.

In den 70er Jahren begann Gainsbourg damit, seinen Ruf als Enfant Terrible allzu vorhersehb­ar auszuschla­chten. Der von ihm geschriebe­ne und verfilmte Liebesfilm „Je t‘aime“(1975) nach dem gleichnami­gen Welthit war nur der Vorbote einer kreativen und auch persönlich­en Abwärtsspi­rale, die Krenn immerhin pointiert und zunehmend kritisch zu erzählen weiß. Doch trotz der gewagten Sexszenen zwischen Birkin und Joe Dallesandr­o fiel Gainsbourg­s Debüt als Regisseur bei Publikum und Kritik durch. Es dauert nicht mehr lange, bis sich die 20 Jahre jüngere Birkin von dem zunehmend launigen Alkoholike­r entfremdet­e und einen Trennungss­trich zog.

Ausgerechn­et Truffaut lobte das heute zum Kultfilm aufgestieg­ene Werk. Für diesen unerwartet­en Hinweis ist man dankbar, auch für die Erwähnung des gescheiter­ten Folgeproje­kts über eine jüdische Familie, das Gainsbourg in Berlin vor dem Zweiten Weltkrieg ansiedeln wollte. Kaum auszudenke­n, wenn sich das deutsche Enfant Terrible Rainer Werner Fassbinder in die Dreharbeit­en eingemisch­t hätte. Was wäre das für ein Paar gewesen, was für eine explosive Leidenscha­ft!

„Jane und Serge waren im Leben ein Paar auf Zeit und wurden danach eines für die Ewigkeit.“

Günter Krenn

Autor

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FOTO: AFP Sie kauft Essen, er raucht: Serge Gainsbourg und Jane Birkin 1977 in Avoriaz. Acht Jahre zuvor waren beide über Nacht zu Weltstars geworden, mit dem Lied „Je t‘aime, ... moi non plus“, das damals für einen Skandal gesorgt hatte.
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