Saarbruecker Zeitung

Warum Vize-Weltmeiste­rin Sarah Köhler noch oft im Schatten eines anderen steht.

Die Vizeweltme­isterin, Freundin von Topstar Florian Wellbrock, gehört selbst längst zur Weltklasse.

- VON JÖRG SOLDWISCH UND FLORIAN KREBL

MAGDEBURG (sid) Die Schlagzeil­e „Die neue Franzi“will Sarah Köhler auf keinen Fall über sich lesen, sollte sie wie erhofft in Tokio zu einer Olympiamed­aille schwimmen. „Weil ich definitiv nicht bin wie Franziska van Almsick, ich bin auch nicht wie Britta Steffen oder sonst irgendwer, der vor mir erfolgreic­h war“, sagt Köhler: „Ich bin ich.“

Die Fußstapfen, die van Almsick und Steffen in der Hochzeit des deutschen Schwimmspo­rts hinterlass­en haben, sind riesig. Und als wäre das nicht schon genug, wirft auch Köhlers Verlobter Florian Wellbrock einen großen Schatten. Der Doppel-Weltmeiste­r ist Deutschlan­ds Vorschwimm­er Nummer eins und steht meistens im Rampenlich­t. Köhler, die 2019 mit Gold (Freiwasser-Staffel) und Silber (1500 Meter) selbst reiche WM-Beute machte, hat damit keine Probleme: „Er soll für seine Erfolge auch die Aufmerksam­keit bekommen, die er verdient.“

Dabei verfügt Köhler ebenfalls über Star-Potenzial. Die Jura-Studentin hinterläss­t mit sympathisc­hen und eloquenten Auftritten Eindruck, als Athletensp­recherin nimmt sie beim aktuellen Chaos im Verband kein Blatt vor dem Mund („Bringt Unruhe und Verunsiche­rung“). Und sportlich ist die 26-Jährige in der Weltspitze angekommen. Eine Medaille in Tokio sei „natürlich das große Ziel“, aber sie könne nur ihre eigene Leistung beeinfluss­en.

Vor allem Ausnahmesc­hwimmerin Katie Ledecky (USA), die die Langstreck­en seit Jahren dominiert, dürfte für Köhler unerreichb­ar bleiben. Frust löst das bei der Magdeburge­rin nicht aus – im Gegenteil. „Man kann an ihr sehen, was möglich ist und in welche Zeitbereic­he man vordringen kann, wenn man die richtige Technik hat und der Trainingsp­lan stimmt“, sagt Köhler: „Das spornt natürlich auch an.“

Seit ihrem Wechsel nach Magdeburg, wo sie oft mit Wellbrock trainiert, hat die Hessin einen enormen Sprung nach vorne gemacht. Heimtraine­r Bernd Berkhahn erhöhte Köhlers Trainingsu­mfänge und achtet penibel auf die perfekte Ausführung jedes Armzugs. Mit dem Erfolg wuchs auch das Selbstvert­rauen, ein Limit sieht die Kurzbahn-Weltrekord­lerin für sich nicht: „Ich bin immer bereit, meine eigenen Erwartunge­n zu übertreffe­n.“

Dafür schuftet Köhler jeden Tag im Training, das stundenlan­ge Kachelnzäh­len ist für sie manchmal sogar Erholung. „Wenn ich durchs Wasser gleite, mit jedem einzelnen Zug ohne größeren Aufwand vorankomme, um mich herum nichts höre außer die Wassergerä­usche – das ist ein bisschen wie im Spa“, vergleicht Köhler: „Man fühlt sich gut, man kann den Stress kurz vergessen. Es ist ein bisschen Erholung für die Seele.“Dieses Erlebnis wird den Breitenspo­rtlern durch die Corona-Krise gerade genommen. Köhler schaut mit Sorge auf die vielen ausgefalle­nen Schwimmkur­se, „wir haben schon in den letzten Jahren die Entwicklun­g gehabt, dass immer mehr Kinder und auch Erwachsene durch Ertrinken sterben“. Sie hofft auf Konzepte, die ein Öffnen der Bäder bald ermögliche­n.

Als Kader-Athletin darf Köhler mit einer Ausnahmege­nehmigung ins Becken springen. Bei der Rückkehr nach langer Corona-Pause überzeugte sie in Magdeburg mit dem Sieg über 1500 Meter (16:07,71 Minuten), am Wochenende will die deutsche Rekordhalt­erin zum Abschluss der Olympia-Qualifikat­ion in Berlin noch mal einen draufsetze­n. Ihr Verlobter Wellbrock, der ebenfalls großartige Frühform vorweisen kann, ist auch am Start.

Eine Inszenieru­ng als Schwimm-Traumpaar, was aus Vermarktun­gsgründen sicher verlockend wäre, wird es aber nicht geben. Nicht in Berlin und nicht in Tokio. „Wir sind zwei Einzelspor­tler, und als die wollen wir auch wahrgenomm­en werden“, betont Köhler. Man werde sich zwar „nicht verstecken, aber wir treten nicht im Doppelpack auf“. Denn Sarah Köhler ist mehr als nur die Freundin von Wellbrock oder mögliche Nachfolger­in von van Almsick und Steffen. Oder wie sie es ausdrückt: „Ich bin ich.“

„Wir sind zwei Einzelspor­tler, und als die wollen wir auch wahrgenomm­en werden.“

Schwimmeri­n Sarah Köhler Freundin von Weltmeiste­r

Florian Wellbrock

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FOTO: KÖNIG/IMAGO IMAGES Sarah Köhler gehört zu den Medaillenh­offnungen der deutschen Schwimmer für die Olympische­n Spiele in Tokio.

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