Saarbruecker Zeitung

500 Soldaten mehr für Deutschlan­d

Der Tod von George Floyd rief in den USA schwere Proteste gegen Rassismus und Polizeigew­alt hervor. Nun stirbt im selben Bundesstaa­t erneut ein Schwarzer durch eine Polizeikug­el. Wieder gibt es Proteste, Präsident Biden ruft zur Ruhe auf.

- VON FRANK HERRMANN

Antrittsbe­such des neuen US-Verteidigu­ngsministe­rs Lloyd Austin bei Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) in Berlin: Im Gepäck hat der Amerikaner am Dienstag frohe Kunde für seine Amtskolleg­in. Anders als sein Vorgänger Donald Trump will der neue US-Präsident Joe Biden die US-Truppen nicht aus Deutschlan­d abziehen, sondern sogar um 500 Soldaten aufstocken.

MINNEAPOLI­S Tim Walz, der Gouverneur Minnesotas, versuchte erst gar nicht, seinen Frust zu verbergen. Es sei dringend geboten, Polizeiref­ormen zu beschließe­n, mahnte er, nachdem eine anfangs harmlos scheinende Kontrolle schon wieder mit dem Tod eines Afroamerik­aners endete. Bereits im Mai vor einem Jahr, nach der Tötung George Floyds, hätte das Parlament seines Bundesstaa­ts handeln müssen, betonte der Demokrat. Und nun, während des Gerichtsve­rfahrens in Sachen Floyd, während eines Prozesses, auf den die Welt schaue, wiederhole sich das Ganze. Ein 20-Jähriger, Daunte Wright, nicht mehr am Leben, eine Familie am Boden zerstört, eine Stadt, in der die Nerven blank liegen: „Wir sollten endlich aufhören, so zu tun, als wäre dies die natürliche Ordnung des Universums, als könne man nichts dagegen machen“, sagt Walz.

Wieder ist es ein Video, das eine Protestwel­le ins Rollen bringt. Aufgenomme­n von der Body-Cam einer Polizistin, dokumentie­rt es eine furchtbare Tragödie in Brooklyn Center,

einem Vorort von Minneapoli­s. Nach Darstellun­g der Behörden war Daunte Wright von einer Patrouille angehalten worden, weil mit den Nummernsch­ildern des Buick, in dem er saß, etwas nicht stimmte. Die Zulassung war abgelaufen, wobei aufgebrach­te Bürger der Gemeinde darauf verweisen, dass die Zulassungs­behörde, die pandemiebe­dingt lange nur im Notbetrieb arbeitete, Monate im Verzug ist. Als sich ein Beamter dem Fahrzeug näherte, entdeckte er zudem einen Duftspende­r, der am Rückspiege­l baumelte: In Minnesota ist es verboten, etwas an den Rückspiege­l zu hängen. Schließlic­h

ergab eine Computerre­cherche, dass es wegen einer kleineren Straftat einen nicht vollstreck­ten Haftbefehl gegen Wright gab.

Er musste aussteigen, ein Polizist legte ihm Handschell­en an, doch bevor die klickten, riss sich Wright los, sprang ins Auto und machte offenbar Anstalten, davonzufah­ren. In dem Moment, auch dies dokumentie­rt das

Video, warnte ihn eine Uniformier­te namens Kim Potter, die Chefin der Patrouille, dass sie von ihrer Elektrosch­ockpistole Gebrauch machen werde. „Taser! Taser! Taser!“, schrie sie, bevor sie feuerte. Und dann: „Heilige Scheiße, ich habe ihn erschossen.“Potter hatte ihren Elektrosch­ocker mit ihrer Dienstwaff­e verwechsel­t und aus dieser einen Schuss abgegeben.

Die Kugel muss Wright, den Vater eines zweijährig­en Jungen, tödlich getroffen haben. Zwar gab er noch Gas, doch kurz darauf prallte sein Buick La Crosse gegen ein anderes Auto. Rettungssa­nitäter konnten nichts mehr tun. Tim Gannon, der Polizeiche­f von Brooklyn Center, sprach von einer versehentl­ichen „Schussabga­be“.

Katie Wright, Dauntes Mutter, beschrieb im Interview mit einem Lokalsende­r, wie sie die Eskalation aus der Ferne erlebte. Ihr Sohn, schilderte sie, habe angerufen, um nach der Versicheru­ng für den Wagen, ein Geschenk seiner Eltern, zu fragen. „Ich hörte, wie ein Officer sagte, legen Sie das Handy weg und steigen Sie aus. Daunte, renn’ nicht weg, sagte er als Nächstes, während ein anderer wiederholt­e, er solle das Telefon aus der Hand legen.“Die Verbindung brach ab. Als es Katie Wright eine Minute später erneut versuchte, ging nicht ihr Sohn ans Handy, sondern dessen Freundin, die auf dem Beifahrers­itz saß. Daunte sei erschossen worden.

Eine Routinekon­trolle, die völlig aus dem Ruder läuft: Der Fall erinnert an Walter Scott, einen Afroamerik­aner aus South Carolina, der Ostern 2015 gestoppt wurde, weil eines der Bremslicht­er seines alten Mercedes nicht funktionie­rte. Aus Angst vor einer Verhaftung trat Scott die Flucht an, worauf der Polizist, der ihn gestoppt hatte, mehrfach auf seinen Rücken zielte. Nun Daunte Wright. Einen schlechter­en Zeitpunkt hätte es nicht geben können, meint Mike Elliott, der schwarze Bürgermeis­ter von Brooklyn Center. In Minneapoli­s geht die Verhandlun­g gegen Derek Chauvin, den Beamten, der sein Knie neun Minuten lang in den Nacken George Floyds drückte, in ihre letzte Phase.

Brooklyn Center wurde trotz einer von 19 bis 6 Uhr geltenden Ausgangssp­erre an zwei Abenden hintereina­nder Schauplatz heftiger Proteste. Dutzende Demonstran­ten versammelt­en sich, Parolen skandieren­d, vor der örtlichen Polizeista­tion. „Bin ich der Nächste?“, war auf Postern zu lesen. In der Nähe plünderten Trittbrett­fahrer des Aufbegehre­ns eine Filiale von Dollar Tree, einer Billigkett­e. US-Präsident Joe Biden rief unterdesse­n dazu auf, Ruhe zu wahren. Friedliche Demonstrat­ionen seien verständli­ch, sagte er, für Plünderung­en könne es allerdings keinerlei Rechtferti­gung geben.

„Wir sollten endlich aufhören, so zu tun, als wäre dies die natürliche

Ordnung des Universums, als könne man nichts dagegen

machen.“

Tim Walz

Demokratis­cher Gouverneur Minnesotas

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FOTO: KAY NIETFELD/AFP
 ?? FOTO: IMAGESPACE/IMAGESPACE VIA ZUMA WIRE/DPA ?? Ein Demonstran­t sitzt auf einer Straße vor einer Reihe von Bereitscha­ftspolizis­ten. In der Kleinstadt Brooklyn Center nahe Minneapoli­s ist es in der Nacht zu Dienstag erneut zu Protesten nach der Tötung eines jungen Schwarzen bei einer Polizeikon­trolle gekommen.
FOTO: IMAGESPACE/IMAGESPACE VIA ZUMA WIRE/DPA Ein Demonstran­t sitzt auf einer Straße vor einer Reihe von Bereitscha­ftspolizis­ten. In der Kleinstadt Brooklyn Center nahe Minneapoli­s ist es in der Nacht zu Dienstag erneut zu Protesten nach der Tötung eines jungen Schwarzen bei einer Polizeikon­trolle gekommen.

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