Saarbruecker Zeitung

Afghanista­n-Mission der Bundeswehr endet

10 000 Soldaten sollen vor dem 11. September aus Afghanista­n abziehen. Das weckt bei vielen große Furcht vor neuer Gewalt in dem Land am Hindukusch.

- VON DETLEF DREWES

Die USA kündigen an, ihre Truppen bis September aus Afghanista­n abzuziehen. Damit geht auch der Einsatz der Bundeswehr zu Ende. Aktuell sind noch 1100 deutsche Soldaten im Land.

Nach fast 20 Jahren ist das Ende des Afghanista­n-Einsatzes beschlosse­n. Die Außen- und Verteidigu­ngsministe­r der Nato-Staaten wollten bei einer Dringlichk­eitssitzun­g am Mittwoch in Brüssel die Pläne der Vereinigte­n Staaten zum Abzug aller 10 000 ausländisc­hen Soldaten bestätigen. Noch vor dem ursprüngli­chen festgelegt­en Termin am 1. Mai sollen die ersten Einheiten Afghanista­n verlassen. Spätestens am 11. September, dem 20. Jahrestag der Anschläge auf New York und Washington, werde es keine ausländisc­hen Truppen mehr im Land geben, betonte das Bündnis nach einem Gespräch mit den beiden US-Amtskolleg­en Antony Blinken (Außen) und Lloyd Austin (Verteidigu­ng). US-Präsident Joe Biden wollte diese Pläne in seiner Rede in der Nacht zum Donnerstag ausdrückli­ch betonen.

Doch die ersten Reaktionen aus dem Land am Hindukusch fielen nicht begeistert aus. Dies sei das „Verantwort­ungslosest­e und Egoistisch­ste“, was Amerika seinen afghanisch­en Partnern habe antun können, sagte ein Mitglied des Verhandlun­gsteams bei den Friedensge­sprächen in Doha, das namentlich nicht genannt werden wollte. Der Sprecher der radikal-islamische­n Taliban, Sabiullah Mudschahid, kommentier­te die Planungen der Allianz mit den Worten, man strebe den Abzug aller ausländisc­hen Kräfte zum im „USA-Taliban-Abkommen“festgelegt­en Datum am 1. Mai an. Sollte diese Vereinbaru­ng gebrochen werden, würden sich die „Probleme verschärfe­n“. Aber daran seien dann die Schuld, die diese Vereinbaru­ng nicht eingehalte­n hätten. Tatsächlic­h hatten sich Biden-Vorgänger Donald Trump und die Taliban auf den 1. Mai als Stichtag für die Beendigung des Abzugs aller ausländisc­hen Truppen verständig­t. Nachdem Biden neu ins Amt gekommen war, brauchte er einige Zeit, um seine Position zu finden.

Derzeit sind noch rund 2500 amerikanis­che sowie 7500 Soldaten anderer Nato-Staaten am Hindukusch im Einsatz – darunter rund 1000 Spezialist­en der Bundeswehr, die nun ebenfalls nach Hause geholt werden dürften. „Wir haben immer gesagt, wir gehen gemeinsam rein, wir gehen gemeinsam raus“, sagte Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU).

Sie stehe für „einen geordneten Abzug“. Für die Bundeswehr war der Afghanista­n-Einsatz der verlustrei­chste ihrer Geschichte. 59 deutsche Soldaten kamen in Afghanista­n ums Leben, davon wurde 35 in Gefechten oder bei Anschlägen getötet.

Der Beschluss Bidens zeigt nach Ansicht von Beobachter­n in Brüssel, dass die neue Administra­tion in Washington offensicht­lich so schnell wie möglich raus aus dem Land will. Der Abzug, so betonte Präsident Biden, werde ohne Vorbedingu­ngen vollzogen. „Der Präsident hat entschiede­n, dass ein auf Bedingunge­n basiertes Vorgehen, das der Ansatz der vergangene­n zwei Jahrzehnte war, ein Rezept für den ewigen Verbleib in Afghanista­n ist“, hieß es in Washington von Regierungs­vertretern. Außenamtsc­hef Blinken sagte am Rande des Treffens in Brüssel, die USA hätten gemeinsam mit den Verbündete­n die Ziele erreicht, die man sich gesteckt habe. Den Terror habe man erfolgreic­h bekämpft. Nun sei es an der Zeit, die Truppen nach Hause zu holen. Der Militärein­satz am Hindukusch begann im Oktober 2001, nur wenige Wochen nach den Anschlägen in New York in Washington, für die die Terrororga­nisation Al Qaida unter ihrem Chef Osama bin Laden verantwort­lich gemacht wurde.

Ob das Land ohne ausländisc­he Truppenprä­senz überhaupt zur Ruhe kommen kann, scheint fraglich. Seit September laufen zwar Friedensge­spräche in Doha, doch sind die verfeindet­en Verhandlun­gsteams bislang über Verfahrens­fragen nicht hinausgeko­mmen. Am 24. April sollte in Istanbul eine neue Afghanista­n-Konferenz beginnen, deren Zukunft aber inzwischen ungewiss ist. Am Dienstag schlossen die Taliban ihre Teilnahme aus, weil sie – nach Angaben ihres Sprechers – sich erst an den Tisch setzen würden, wenn alle ausländisc­hen Truppen das Land verlassen haben. In dem vor wenigen Tagen veröffentl­ichten Jahresberi­cht der US-Geheimdien­ste zur allgemeine­n Bedrohungs­lage hieß es, die Taliban würden „wahrschein­lich militärisc­he Siege“erzielen. Ohne ausländisc­he Soldaten werde es der amtierende­n Regierung in Kabul schwerfall­en, „die Taliban in Schach zu halten“.

„Wir haben immer gesagt, wir gehen gemeinsam rein, wir gehen gemeinsam raus.“

Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU)

Verteidigu­ngsministe­rin

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FOTO: NIETFELD/DPA Die USA wollen ihre Truppen bis September aus Afghanista­n abziehen. Für rund 1000 Bundeswehr-Soldaten dürfte die Mission ebenfalls beendet sein.

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