Blutkrebs-Patient bekommt doch Impfung
Das saarländische Gesundheitsministerium hat der Darstellung des Hausärzteverbandes über die geplante Impfstoffverteilung widersprochen – und verweist auf das gemeinsame ImpfModellprojekt. Doch auch der Hausärzte-VerbandsChef gibt Kontra.
Überraschend hat ein Leukämie-Patient aus Quierschied nun doch frühzeitig eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus erhalten. Die Härtefallkommission des Saarlandes hatte nach einem Bericht unserer Zeitung den Fall des 73-Jährigen neu aufgerollt.
Die Ankündigung, dass der Impfstoff des schwedisch-britischen Herstellers Astrazeneca künftig nur noch an Arztpraxen und nicht mehr in die Impfzentren geliefert werden soll, hat bundesweit für viel Kritik vor allem von Seiten der Hausärzte gesorgt Der Impfkoordinator der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Saarland, Dr. Joachim Meiser, warnte davor, dass die Ankündigung über die geplante Impfstoffverteilung bei vielen den Eindruck erwecke, dass es sich bei Astrazeneca um einen „Impfstoff zweiter Wahl“handele (wir berichteten). Der Saarländische Hausärzteverband sprach in einer Mitteilung am Montag von einer „Umverteilung [...] nicht nur zur Lasten der Hausärzte, sondern auch zu Lasten der Patienten.“Auf Anfrage unserer Zeitung widersprach das saarländische Gesundheitsministerium nun dieser Darstellung.
„Es gibt keine Umverteilung“, versicherte eine Ministeriums-Sprecherin am Dienstag in Saarbrücken.
Auch an den Planungen in Sachen Impfstoff habe sich nichts geändert. Die Darstellung des Hausärzteverbandes sei „insofern nicht zutreffend.“Bereits vor vielen Wochen sei klar gewesen, dass für die Impfungen in Arztpraxen besonders die Impfstoffe eingesetzt würden, „die vom Handling und der Logistik besonders für das Setting in den Arztpraxen geeignet sind.“Dies beträfe „insbesondere die Impfstoffe von Astrazeneca und Johnson&Johnson“, welche sich beide durch eine lange Lagerfähigkeit sowie Transportfähigkeit bei Kühlschranktemperatur von den anderen Vakzinen unterschieden. Auch die Handhabung sei im Vergleich zu Impfstoffen, wie etwa dem von Moderna, einfacher, erklärte das Ministerium.
Aus diesen Gründen habe man sich im Anfang März gestarteten Modellprojekt „Impfen in der Arztpraxis“für den Impfstoff von Astrazeneca entschieden. Zugleich betonte das Haus von Ministerin Monika Bachmann (CDU), dass an diesem nicht nur das Ministerium, sondern auch die „KV Saarland und acht Arztpraxen – davon ein Vorstandsmitglied des saarländischen Hausärzteverbandes“beteiligt gewesen waren. Im Zuge des Projekts hätten sich keine Probleme im Umgang mit dem Impfstoff gezeigt.
„Auch nach der Änderung der Stiko-Empfehlung erfolgten noch Impfungen mit Astrazeneca in den Modellpraxen, ohne dass dort von einem nicht zu leistenden Beratungsoder Aufklärungsbedarf berichtet wurde“, erklärte die Sprecherin. Stattdessen habe man „immer auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Hausarzt und Patient verwiesen“, was von großem Vorteil bei der Aufklärung und Beratung sei. Am Montag hatten sowohl Hausärzteverband, als auch die KV Saarland dagegen die Sorge geäußert, dass der Aufwand für die Aufklärungsarbeit bei einer verstärkten Belieferung mit Astrazeneca für die Praxen zu hoch werden könnte.
Der Vorsitzende des Saarländischen Hausärzteverbandes, Dr. Michael Kulas, bezeichnete die Aussagen des Gesundheitsministeriums am Dienstagabend als „ausweichend“und „argumentativ auf den Kopf gestellt.“Das Problem der Hausärzte sei nicht, dass man Astrazeneca nicht verimpfen wolle, betont Kulas, sondern dass man mit einem Impfstoff überhäuft würde, den ein Großteil der Patientinnen und Patienten gar nicht wolle. Alleine in seiner Praxis hätten am Dienstag von 30 Impfwilligen nur fünf kein Problem damit gehabt, dass sie mit Astrazeneca geimpft würden. „Ich versuche doch nicht einen Patienten davon zu überzeugen, ein Medikament zu nehmen, was er nicht will“, sagt Kulas. Dass die Hausärzte durch die verstärkte Belieferung mit Astrazeneca nun aber genau dazu gezwungen wären, strapaziere unnötig das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, so der Hausarzt. Zudem sei es nicht Aufgabe der Praxen, dass Vertrauen in den Impfstoff wieder herzustellen. Hier seien in erster Linie die Stiko, das Paul-Ehrlich-Insitut sowie das RKI und die Politik gefordert.
In einem Punkt gab das saarländische Gesundheitsministerium allerdings zu, dass neben Astrazeneca ursprünglich noch ein weiterer Impfstoff an die Hausärzte primär geliefert werden sollte. „Grundsätzlich war der Einsatz auch von Moderna in den Arztpraxen angedacht“, erklärte die Sprecherin des Ministeriums. Jedoch habe es hierzu keine Freigabe durch den Hersteller gegeben, so dass dieser Impfstoff nach wie vor nur in Impfzentren zum Einsatz kommen könne.