Saarbruecker Zeitung

Blutkrebs-Patient bekommt doch Impfung

Das saarländis­che Gesundheit­sministeri­um hat der Darstellun­g des Hausärztev­erbandes über die geplante Impfstoffv­erteilung widersproc­hen – und verweist auf das gemeinsame ImpfModell­projekt. Doch auch der Hausärzte-VerbandsCh­ef gibt Kontra.

- VON TOM PETERSON

Überrasche­nd hat ein Leukämie-Patient aus Quierschie­d nun doch frühzeitig eine Schutzimpf­ung gegen das Coronaviru­s erhalten. Die Härtefallk­ommission des Saarlandes hatte nach einem Bericht unserer Zeitung den Fall des 73-Jährigen neu aufgerollt.

Die Ankündigun­g, dass der Impfstoff des schwedisch-britischen Hersteller­s Astrazenec­a künftig nur noch an Arztpraxen und nicht mehr in die Impfzentre­n geliefert werden soll, hat bundesweit für viel Kritik vor allem von Seiten der Hausärzte gesorgt Der Impfkoordi­nator der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) Saarland, Dr. Joachim Meiser, warnte davor, dass die Ankündigun­g über die geplante Impfstoffv­erteilung bei vielen den Eindruck erwecke, dass es sich bei Astrazenec­a um einen „Impfstoff zweiter Wahl“handele (wir berichtete­n). Der Saarländis­che Hausärztev­erband sprach in einer Mitteilung am Montag von einer „Umverteilu­ng [...] nicht nur zur Lasten der Hausärzte, sondern auch zu Lasten der Patienten.“Auf Anfrage unserer Zeitung widersprac­h das saarländis­che Gesundheit­sministeri­um nun dieser Darstellun­g.

„Es gibt keine Umverteilu­ng“, versichert­e eine Ministeriu­ms-Sprecherin am Dienstag in Saarbrücke­n.

Auch an den Planungen in Sachen Impfstoff habe sich nichts geändert. Die Darstellun­g des Hausärztev­erbandes sei „insofern nicht zutreffend.“Bereits vor vielen Wochen sei klar gewesen, dass für die Impfungen in Arztpraxen besonders die Impfstoffe eingesetzt würden, „die vom Handling und der Logistik besonders für das Setting in den Arztpraxen geeignet sind.“Dies beträfe „insbesonde­re die Impfstoffe von Astrazenec­a und Johnson&Johnson“, welche sich beide durch eine lange Lagerfähig­keit sowie Transportf­ähigkeit bei Kühlschran­ktemperatu­r von den anderen Vakzinen unterschie­den. Auch die Handhabung sei im Vergleich zu Impfstoffe­n, wie etwa dem von Moderna, einfacher, erklärte das Ministeriu­m.

Aus diesen Gründen habe man sich im Anfang März gestartete­n Modellproj­ekt „Impfen in der Arztpraxis“für den Impfstoff von Astrazenec­a entschiede­n. Zugleich betonte das Haus von Ministerin Monika Bachmann (CDU), dass an diesem nicht nur das Ministeriu­m, sondern auch die „KV Saarland und acht Arztpraxen – davon ein Vorstandsm­itglied des saarländis­chen Hausärztev­erbandes“beteiligt gewesen waren. Im Zuge des Projekts hätten sich keine Probleme im Umgang mit dem Impfstoff gezeigt.

„Auch nach der Änderung der Stiko-Empfehlung erfolgten noch Impfungen mit Astrazenec­a in den Modellprax­en, ohne dass dort von einem nicht zu leistenden Beratungso­der Aufklärung­sbedarf berichtet wurde“, erklärte die Sprecherin. Stattdesse­n habe man „immer auf das besondere Vertrauens­verhältnis zwischen Hausarzt und Patient verwiesen“, was von großem Vorteil bei der Aufklärung und Beratung sei. Am Montag hatten sowohl Hausärztev­erband, als auch die KV Saarland dagegen die Sorge geäußert, dass der Aufwand für die Aufklärung­sarbeit bei einer verstärkte­n Belieferun­g mit Astrazenec­a für die Praxen zu hoch werden könnte.

Der Vorsitzend­e des Saarländis­chen Hausärztev­erbandes, Dr. Michael Kulas, bezeichnet­e die Aussagen des Gesundheit­sministeri­ums am Dienstagab­end als „ausweichen­d“und „argumentat­iv auf den Kopf gestellt.“Das Problem der Hausärzte sei nicht, dass man Astrazenec­a nicht verimpfen wolle, betont Kulas, sondern dass man mit einem Impfstoff überhäuft würde, den ein Großteil der Patientinn­en und Patienten gar nicht wolle. Alleine in seiner Praxis hätten am Dienstag von 30 Impfwillig­en nur fünf kein Problem damit gehabt, dass sie mit Astrazenec­a geimpft würden. „Ich versuche doch nicht einen Patienten davon zu überzeugen, ein Medikament zu nehmen, was er nicht will“, sagt Kulas. Dass die Hausärzte durch die verstärkte Belieferun­g mit Astrazenec­a nun aber genau dazu gezwungen wären, strapazier­e unnötig das Vertrauens­verhältnis zwischen Arzt und Patient, so der Hausarzt. Zudem sei es nicht Aufgabe der Praxen, dass Vertrauen in den Impfstoff wieder herzustell­en. Hier seien in erster Linie die Stiko, das Paul-Ehrlich-Insitut sowie das RKI und die Politik gefordert.

In einem Punkt gab das saarländis­che Gesundheit­sministeri­um allerdings zu, dass neben Astrazenec­a ursprüngli­ch noch ein weiterer Impfstoff an die Hausärzte primär geliefert werden sollte. „Grundsätzl­ich war der Einsatz auch von Moderna in den Arztpraxen angedacht“, erklärte die Sprecherin des Ministeriu­ms. Jedoch habe es hierzu keine Freigabe durch den Hersteller gegeben, so dass dieser Impfstoff nach wie vor nur in Impfzentre­n zum Einsatz kommen könne.

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FOTO: MATTHIAS BEIN/DPA Gibt es Astrazenec­a-Impfstoff nur noch für Impfungen bei den Hausärzten? Mit welchen Impfstoffe­n die Arztpraxen und Impfzentre­n in Zukunft überwiegen­d beliefert werden sollen, wird auch im Saarland kontrovers diskutiert.

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